Ein rote Ampel leuchtet vor einem Bürogebäude der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Als Konsequenz aus dem Wirecard-Skandal rückt auch die Rolle von EY zunehmend in den Fokus. Foto: dpa
Von Matthias Kros
Heidelberg. Die wegen des Wirecard-Skandals unter Druck geratene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) verliert in der Rhein-Neckar-Region zwei wichtige Mandate. Der Heidelberger Baustoffkonzern HeidelbergCement wechselt bereits im laufenden Geschäftsjahr von EY zum Konkurrenten Pricewaterhouse Cooper (PwC), bei dem Mannheimer Industriedienstleister Bilfinger soll EY 2020 noch prüfen, ab 2021 wird es aber eine andere Gesellschaft sein. Welche, verrät Bilfinger noch nicht. Entscheiden darüber wird die nächste Hauptversammlung, die grundsätzlich über die Vergabe des Prüfauftrags auf Empfehlung des Aufsichtsrates abstimmen muss.
Beide Unternehmen betonen allerdings, dass es keinen Zusammenhang mit dem Fall Wirecard gebe. Die Entscheidung zu wechseln sei routinemäßig und schon vor Bekanntwerden des Skandals um den Münchener Zahlungsdienstleister erfolgt. Man sei "verpflichtet, die Leistung der Abschlussprüfung regelmäßig neu zu vergeben", sagte eine Bilfinger-Sprecherin. Daher habe man "die Leistung der Abschlussprüfung bereits im Jahr 2019 ausgeschrieben". So ein Wechsel brauche immer einen längeren Vorlauf, bestätigte auch ein Sprecher von HeidelbergCement.
Anfang vergangener Woche hatte EY nach der Absage der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS auch seinen Prüfauftrag bei der Commerzbank verloren. Der Aufsichtsrat des teilverstaatlichten Instituts will der Hauptversammlung 2021 einen Wechsel des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2022 vorschlagen. Die Commerzbank habe diese Entscheidung vorsorglich getroffen, "um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden", hatte es geheißen.
EY steht derzeit wegen seiner Rolle als langjähriger Abschlussprüfer der insolventen Wirecard in der Kritik. Der inzwischen aus dem Dax geflogene Zahlungsdienstleister hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und in der Folge Insolvenz angemeldet. Die Münchener Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wirecard seit 2015 Scheingewinne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs.
Die Reputation von EY, der die Wirecard-Bilanzen jahrelang für einwandfrei erklärt hatte, nahm dadurch schweren Schaden. Abgesehen davon rollt auf die Wirtschaftsprüfer eine Klagewelle zu. Eine Sprecherin des Landgerichts Stuttgart bestätigte kürzlich der "FAZ" einen Eingang von sechs Anlegerklagen, in denen es teilweise um Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe gehe. EY hat in Stuttgart seinen Unternehmenssitz.
Auch viele Banken, die Wirecard finanziert haben, müssen teils hohe Summen abschreiben. Allein die in öffentlicher Hand befindliche Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verbuchte aus einem Wirecard-Kredit laut "Handelsblatt" einen Verlust von rund 160 Millionen Euro. Zu den großen Kreditgebern zählten demnach ebenso die Commerzbank, sowie die niederländischen Banken ABN Amro und ING.
Auch deshalb wird aktuell darüber diskutiert, wie man Wirtschaftsprüfer in Deutschland schlagkräftiger machen könnte. Verkürzt werden könnte beispielsweise die sogenannte Prüferrotation, die auf Drängen der EU in Deutschland 2016 eingeführt wurde. Um eine zu große Nähe zwischen Wirtschaftsprüfern und Unternehmen zu vermeiden, muss derzeit spätestens nach zwanzig Jahren der Prüfer gewechselt werden, worauf sich HeidelbergCement und Bilfinger gerade berufen.
Hauptkonkurrenten um die lukrativen Aufträge sind hierzulande neben EY noch PwC, KPMG und Deloitte. Bei der Walldorfer SAP steht spätestens 2023 ein Wechsel des Wirtschaftsprüfers bevor. Derzeit werden die Bilanzen des Softwarekonzerns von KPMG geprüft. Die BASF, drittes Dax-30-Mitglied der Region, wird ebenfalls von KPMG geprüft und hat dieses Mandat gerade erst verlängert. Auch der Wieslocher Finanzdienstleister MLP wird von KPMG geprüft, der Mannheimer Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub von PwC, gleiches gilt für die Heidelberger Druckmaschinen AG.