Neu-Papas bekommen bei SAP künftig einen Tag in der Woche frei. Bild: dpa
Von Barbara Klauß
Walldorf. Bei SAP dürfen frischgebackene Väter künftig vorübergehend weniger arbeiten – bei vollem Gehalt. Von Januar an dürften Väter unter Mitarbeitern in Deutschland ihre Arbeitszeit in den ersten acht Wochen nach der Geburt eines eigenen Kindes ohne Gehaltseinbußen um 20 Prozent reduzieren, sagte SAP-Personalchef Cawa Younosi der Deutschen Presse Agentur. Bei einer Mehrlingsgeburt verlängere sich der Zeitraum auf zwölf Wochen.
Mit dieser Maßnahme wolle der Konzern dazu beitragen, dass die jungen Väter, die nicht sofort mit der Geburt gesetzliche Elternzeit beantragen, in der besonders wichtigen Zeit nach der Geburt mehr zu Hause sein können, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. "Wir bieten die Möglichkeit, dass sie entspannt und in Ruhe mehr Zeit als gewöhnlich mit der Familie verbringen können", erklärte Younosi – und betonte: "Unser Angebot zielt nicht darauf ab, dass Väter generell weniger gesetzliche Elternzeit nehmen sollen."
Bei der Zeitspanne, für die das Angebot gilt, orientiert sich der Konzern am gesetzlich geregelten Mutterschutz für Frauen. Die gesetzliche Mutterschutzfrist beginnt sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin und endet frühestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes. Bei Mehrlings- oder Frühgeburten verlängert sich die Schutzfrist nach der Geburt auf zwölf Wochen.
Das neue Angebot fügt sich ein in eine Reihe von Angeboten, die der Softwarekonzern seinen mehr als 20.000 Mitarbeitern in Deutschland – rund 15.000 von ihnen in der Region – macht, um ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Seit 2017 kann etwa jeder mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten die Arbeitszeit reduzieren und später wieder in Vollzeit zurückkehren. Es gibt Vertrauensarbeitszeit und -arbeitsort. Jeder kann arbeiten, wann er will und wo er will. Ins Büro kommen sollen sie nach Möglichkeit aber zumindest einmal pro Woche - um den sozialen Kontakt innerhalb ihrer Teams aufrechtzuerhalten. Über Arbeitszeitkonten kann Gehalt in Freizeit umgewandelt werden. Zwei oder mehr Personen können sich einen Job teilen. Es gibt unter anderem Eltern-Kind-Büros, Ferienbetreuung, Austauschprogramme für Eltern während der Elternzeit und für junge Väter sowie Achtsamkeitskurse für Mitarbeiter, die hohen Belastungen ausgesetzt sind.
Bei all diesen Aktivitäten gehe es dem Unternehmen darum, die Zufriedenheit der Mitarbeiter möglichst hoch zu halten, erklärte der SAP-Sprecher. "Wir wollen Mitarbeiter happy machen", hat Personal-Chef Younosi mal in einem Interview gesagt. Dabei sei das Geld nur ein Teil, wie der Sprecher erklärte. "Über viele Jahre hinweg haben wir beobachtet, dass unseren Mitarbeitern Flexibilität bei der Arbeit enorm wichtig ist und ihre Zufriedenheit umso größer ist, je flexibler sie ihr Arbeitsleben gestalten können." Die Angebote scheinen zu wirken und sich auch für den Arbeitgeber auszuzahlen: Unternehmensangaben zufolge kehren alle Eltern nach der Elternzeit zurück an ihren Arbeitsplatz bei SAP.
Angesichts des Fachkräftemangels wächst der Druck auf Firmen, gute Mitarbeiter im Betrieb zu halten. Kürzlich erst hatte SAP-Finanzvorstand Luka Mucic einen Mangel an talentierten IT-Nachwuchskräften in Deutschland beklagt. "Wenn wir nur in Deutschland rekrutieren würden, würden wir nicht die Kompetenzen bekommen in der Quantität, aber teilweise auch Qualität für manche Themen", hatte Mitte November gesagt.
Zuletzt hatte auch das IT-Unternehmen Hewlett Packard (HP) bekannt gegeben, seinen Angestellten eine sechsmonatige Elternzeit bei voller Weiterbezahlung anzubieten. Das Angebot könnten Mütter und Väter bei Geburt oder Adoption eines Kindes in Anspruch nehmen, es gelte auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, teilte der in Böblingen ansässige deutsche Ableger des US-Konzerns mit. Man wolle die Mitarbeiter für die Arbeit motivieren, "indem wir ihnen helfen, ihre Karriere mit ihrem Familienleben in Einklang zu bringen", sagt der Personal-Geschäftsführer fürs Deutschland-Geschäft, Ernst Reichart. "Wenn Menschen an Freiheiten gewinnen, sind sie auch leistungsfähiger."
Beim Technologieunternehmen Microsoft erhalten Mütter hierzulande eine Prämie für die Geburt eines Kindes, Väter dürfen sechs Wochen bezahlten Sonderurlaub nehmen.