Von Barbara Klauß
Walldorf. Es sollte seine letzte Amtszeit sein – das hatte SAP-Mitgründer Hasso Plattner betont, als er sich im vergangenen Jahr erneut zum Aufsichtsratschef wählen ließ und gleichzeitig seinen Abschied aus dem Gremium für 2022 ankündigte. Nun aber zieht er eine weitere Amtszeit in Betracht. "So lange ich gesund und munter bin, warum nicht?", sagte Plattner in einem Interview mit dem "Handelsblatt". "Ich wurde diesbezüglich bereits angesprochen und sehe zumindest eine gewisse Logik darin, in unruhigen Corona-Zeiten wie jetzt ein Stück Sicherheit und Kontinuität ins Unternehmen zu bringen", erklärte er. "Insofern denke ich zumindest darüber nach, ob ich mein Mandat als Aufsichtsratschef noch mal verlängern soll, ja." In seinem Alter mit jetzt 76 Jahren komme es "auf ein paar Jährchen mehr auch nicht mehr an".
Hasso Plattner ist nach wie vor der richtungsweisende Mann bei Europas größtem Softwarehersteller und der letzte der fünf SAP-Gründer, der noch im Unternehmen aktiv ist. 2003 übernahm er den Vorsitz des Aufsichtsrats von Dietmar Hopp, der sich kurz darauf ganz aus dem Unternehmen zurückzog. Als Nachfolger Plattners wird bereits seit Jahren der langjährige SAP-Vorstand Gerhard Oswald gehandelt, der 2019 in den Aufsichtsrat eingezogen ist.
Zuletzt hatte der Konzern weltweit für Schlagzeilen gesorgt, weil Co-Chefin Jennifer Morgan, eine US-Amerikanerin und die erste Dax-Chefin überhaupt, SAP nach gerade mal einem halben Jahr an der Spitze verlassen musste. Durch das Scheitern der Doppelspitze mit Christian Klein, der den Konzern nun allein führt, sehen manche Beobachter auch Plattner beschädigt.
Im Interview mit dem "Handelsblatt" erklärte der Aufsichtsratschef das Scheitern des Duos nun unter anderem mit dem internen Kampf der Kulturen zwischen den zugekauften Firmen in den USA, die mehr Eigenständigkeit fordern, und den Deutschen in der Walldorfer Zentrale, die auf eine Vereinheitlichung drängen. Als er die Doppelspitze im Oktober inthronisiert habe, sei er noch "überzeugt" gewesen, "dass es eine Idealkombination ist. Ich habe nicht gesehen, wie weit sich das Verständnis zwischen den zugekauften Firmen in Amerika und der deutschen Zentrale da schon auseinanderentwickelt hatte", erklärte Plattner. "Heute weiß ich: Die Unterschiede sind sehr groß."
Seit Jahresbeginn sei die Diskussion um die Strategie der SAP immer langsamer geworden, so Plattner. "Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat auch noch den Druck erhöht, schneller handeln zu müssen." Vorstände, Arbeitnehmervertreter und Aufsichtsräte hätten endlich eine klare Linie gefordert.
Die Strategie der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Tochterfirmen kritisierte der Großaktionär Plattner nun auch erstmals bei Kleins Vorgänger Bill McDermott, der das Unternehmen im Oktober nach rund zehn Jahren überraschend verlassen hatte. Zum Grund seines Ausscheidens erklärte Plattner nun: "Er hat ein lukrativeres Angebot mit weniger Komplexität bekommen. Da kann ich nur sagen: Glückwunsch!"
McDermott hatte das Cloud-Geschäft bei SAP mit mehreren Milliardenübernahmen aufgebaut. "Wir haben manche Unternehmen gekauft, nur weil sie eine nettere Benutzeroberfläche hatten. Das reicht aber nicht", sagte er im Interview. Die Integration funktioniere bei SAP noch nicht. "Das ist leider ein Fakt." Kunden kritisieren das bereits seit langem. Aus Plattners Sicht ein Versäumnis des früheren Vorstandschefs. "Für Bill McDermott stand der Wettbewerb ganz oben, für mich immer der Kunde."
Das SAP-Aktionärstreffen am heutigen Mittwoch, das erstmals rein virtuell stattfindet, verfolgt der Aufsichtsratschef von Kalifornien aus am Bildschirm. "Bei der Hauptversammlung meines eigenen Unternehmens schaue ich im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre", sagt er. Zudem werde er bei der Videokonferenz die meiste Zeit stummgeschaltet, er dürfe nur ein Statement für eine Videobotschaft verlesen. "Das ist normalerweise nicht so meine Art", so Plattner. "Man fühlt sich da schon ein bisschen aufs Abstellgleis geschoben."
Update: Dienstag, 19. Mai 2020, 20.46 Uhr
Walldorf/Düsseldorf. (dpa) SAP-Mitgründer und Aufsichtsratschef Hasso Plattner kann sich entgegen früherer Aussagen nun doch eine weitere Amtszeit als Chefkontrolleur des Dax-Schwergewichts vorstellen. "So lange ich gesund und munter bin, warum nicht?", sagte Plattner dem "Handelsblatt" laut einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. "Ich wurde diesbezüglich bereits angesprochen und sehe zumindest eine gewisse Logik darin, in unruhigen Corona-Zeiten wie jetzt ein Stück Sicherheit und Kontinuität ins Unternehmen zu bringen", sagte der 76-Jährige. "Insofern denke ich zumindest darüber nach, ob ich mein Mandat als Aufsichtsratschef noch mal verlängern soll, ja."
Plattner ist nach wie vor der richtungsweisende Mann bei Europas größtem Softwarehersteller. Ursprünglich hatte er angekündigt, sich 2022 aus dem Kontrollgremium zurückzuziehen. Dem Blatt sagte er nun, er sei ja "schon 76. Da kommt's auf ein paar Jährchen mehr auch nicht mehr an".
SAP steht derzeit am Scheideweg. Nach kurzer Zeit in einer Doppelspitze mit der Amerikanerin Jennifer Morgan lenkt nun der 40-jährige Christian Klein die Geschäfte als alleiniger Vorstandschef. Vorgänger Bill McDermott hatte den Konzern mit mehreren milliardenschweren Zukäufen auf das Geschäft mit Software zur Miete und Nutzung über das Internet ("Cloud") getrimmt und den Konzern im Oktober überraschend verlassen.
Plattner distanzierte sich ein Stück weit von seinem ehemaligen Angestellten. "Die Idee, alle einfach selbständig und eigenverantwortlich laufen zu lassen, mag wirtschaftlich sogar noch Sinn gemacht haben", sagte Plattner zu der losen Organisation der Zukäufe. "Technologisch haben wir trotzdem nicht die richtige Entscheidung getroffen. Das hat uns eineinhalb bis zwei Jahre gekostet, mental aber noch weit mehr."
"Die Integration, die funktioniert bei SAP immer noch nicht komplett", sagte Plattner. "Das ist leider ein Fakt." Klein muss den zusammengekauften Flickenteppich aus verschiedenen Softwarelösungen nun nach Kundenkritik zu einem Angebot aus einem Guss umformen. Allerdings bringt die Corona-Pandemie den wertvollsten deutschen börsennotierten Konzern derzeit in die Bredouille, weil Kunden große IT-Investitionen auf die lange Bank schieben. Im April musste der Konzern seine Jahresziele zurechtstutzen.
"Online-Hauptversammlung" am Mittwoch
An diesem Mittwoch findet die nur online abgehaltene Hauptversammlung der Walldorfer statt. Die Hauptversammlung findet nicht wie sonst in der Mannheimer SAP-Arena, sondern wegen der Coronavirus-Pandemie ausschließlich online statt.
Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt muss SAP-Chef Christian Klein am morgigen Mittwoch den Aktionären bei der Hauptversammlung Rede und Antwort stehen. Der überraschende Umbau der Führungsspitze des Softwarekonzerns mitten in der Coronavirus-Krise dürfte dabei ein zentrales Thema sein. Klein führt SAP seit Anfang Mai allein, nachdem Co-Chefin Jennifer Morgan ihren Posten aufgegeben hatte und die erst ein halbes Jahr zuvor eingeführte Doppelspitze wieder abgeschafft worden war.
Nun muss der 40-Jährige den Investoren allein erklären, wie er den Konzern durch die Krise führen will. Baustellen gab es auch vor Ausbruch der Corona-Krise schon genug: Vor allem muss Klein es schaffen, aus den vielen Zukäufen aus der Ära seines Vorgängers Bill McDermott ein großes Ganzes zu formen und zugleich dessen Profitabilitäts-Versprechen einzulösen.
Update: Dienstag, 19. Mai 2020, 19 Uhr