Der Softwarekonzern SAP. Foto: dpa
Von Barbara Klauß
Heidelberg. Der Rechtsstreit um eine mögliche Manipulation bei einer Aufsichtsratswahl des Softwarekonzerns SAP bekommt eine größere Dimension: Richterin Ina Untersteller, die das Verfahren vor dem Heidelberger Landgericht bisher leitete, hat es an eine Kammer übergeben. Das teilte ein Gerichtssprecher am Freitag auf RNZ-Anfrage mit. In dem Rechtsstreit werden nun also statt einer Einzelrichterin drei Berufsrichter entscheiden.
Der Sprecher begründete diesen Schritt damit, dass die Auseinandersetzung eine grundsätzliche Bedeutung haben könnte. Laut Zivilprozessordnung muss der Einzelrichter die Rechtssache der Kammer vorlegen, wenn sie etwa besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, oder eben grundsätzliche Bedeutung hat.
In dem Streit, der seit vier Jahren vor der 2. Zivilkammer des Heidelberger Landgerichts (Aktenzeichen: 2 O 17/16) ausgetragen wird, geht es um einen Vertrag aus dem Jahr 2012: Darin soll ein Mann einem anderen seine Unterstützung zugesichert haben, um ein Aufsichtsratsmandat beim Softwarekonzern zu erlangen. Als Gegenleistung sollte er die Hälfte von dessen Aufsichtsratsvergütung erhalten. So stellt es der Kläger dar, der dieses Geld – gut 200.000 Euro – nun vor Gericht einfordert. Der Beklagte bestreitet allerdings vehement, dass es diese Vereinbarung oder eine solche Unterstützung je gegeben hat.
Daher hatte Einzelrichterin Untersteller zunächst versucht zu klären, ob der Vertrag echt ist. Unter anderem hatte eine Schriftgutachterin im November vor Gericht ausgesagt, dass die Unterschrift auf dem Papier ihrer Meinung nach "mit sehr großer Wahrscheinlichkeit" vom Beklagten stamme. Inzwischen aber gehe es über diesen Punkt hinaus, so der Gerichtssprecher. Viel mehr stelle sich inzwischen die Frage, ob der Vertrag – sollte er echt sein – gegen rechtliche Normen oder die guten Sitten verstoßen habe. Dann könnte er ohnehin unwirksam sein.
Zunächst hatte der Kläger vor Gericht angegeben, die Unterstützung des Beklagten habe darin bestanden, ihm vor der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat etwa bei der Werbung und im Umgang mit Formalien unter die Arme zu greifen. Am letzten Verhandlungstag im vergangenen Jahr aber erklärte er erstmals, er habe auf Delegierte der eigenen Liste eingewirkt, nicht für diese, sondern für die des Beklagten zu stimmen. Die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat lief bei SAP damals ähnlich ab wie die Präsidentenwahl in den USA: die Mitarbeiter bestimmten Delegierte von bestimmten Listen, die dann die Aufsichtsräte wählten.
Durch diese Aussage werde nun die Frage aufgeworfen, ob eine solche Abmachung – sollte sie so getroffen worden sein – gegen eine der Normen verstoße, die eine Einflussnahme auf Aufsichtsratswahlen verbiete, so der Gerichtssprecher. Bisher sei eine solche Konstellation – die Einflussnahme von Arbeitnehmern untereinander – vor Gericht noch nicht entschieden worden, fügte er hinzu. Deshalb wird dem Rechtsstreit nun eine größere rechtliche Bedeutung beigemessen. Zudem betreffen die Vorgänge einen Dax-30-Konzern und "es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung des Gerichts Auswirkungen haben könnte, etwa auf die rechtliche Bewertung der damaligen Aufsichtsratswahl".
Zu solchen möglichen Auswirkungen wie auch zu dem Rechtsstreit insgesamt äußert sich SAP bislang nicht. Es handele sich um eine privatrechtliche Angelegenheit, teilte eine Sprecherin am Freitag erneut mit. "Gleichwohl werden wir nach Abschluss des Verfahrens ergebnisoffen sämtliche rechtlichen Auswirkungen auf SAP sorgfältig prüfen."
Auch wenn die Kammer das Verfahren übernimmt, läuft es nahtlos weiter. Allerdings wird dem Gerichtssprecher zufolge derzeit geprüft, ob es mit einem anderen Verfahren verbunden wird: Vor einer anderen Zivilkammer des Heidelberger Landgerichts klagt der Kläger auf eine zweite Tranche des Geldes (rund 300.000 Euro), das ihm seiner Ansicht nach zusteht – als Anteil an der Vergütung des Beklagten aus dessen zweiter Amtsperiode im SAP-Aufsichtsrat.