Rollenmuster

Verschiebung durch Corona zulasten der Frauen

Der Lockdown könnte dem ZEW in Mannheim zufolge traditionelle Rollenmuster stärken

03.06.2020 UPDATE: 04.06.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden
Die Mutter des sechsjährigen Jakob und des vierjährigen Valentin arbeitet Zuhause an einem Laptop, während ihre Kinder neben ihr malen und ein Buch ansehen. In der Corona-Krise sind es einer Kurzexpertise des ZEW zufolge vor allem die Frauen, die sich neben ihrer Arbeit um Haushalt und Kinder kümmern. Foto: dpa

Von Barbara Klauß

Mannheim. "In dieser Krise sehen wir wie durch ein Brennglas das, was schon zuvor nicht in Ordnung war", hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kürzlich erklärt. "Im Homeoffice", fügte er in einem Interview mit dem "Spiegel" hinzu, "habe ich den Eindruck, verschieben sich viele Aufgaben zulasten der Frauen."

Während manche Männer ins heimische Arbeitszimmer gingen, die Tür hinter sich schlössen, um nicht gestört zu werden, verrichteten viele Frauen ebenfalls Zuhause ihrer Arbeit, kümmerten sich aber gleichzeitig um den Haushalt und die Schulaufgaben der Kinder – so Befürchtungen unter anderem der Soziologin Jutta Allmendinger.

Diesen Eindruck hat das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim nun untermauert: Der Lockdown könne dazu führen, dass traditionelle Rollenmuster in Familien verstärkt würden, heißt es in einer aktuellen Kurzexpertise. In der Mehrzahl der Familien übernehmen Frauen demnach in der Krise mehr Arbeit – sowohl im Haushalt als auch bei der Betreuung der Kinder.

Die Corona-Pandemie hat eine enorme Veränderung in der Arbeitswelt mit sich gebracht: Während im Jahr 2018 knapp 12 Prozent der Beschäftigten in Deutschland regelmäßig im Homeoffice arbeiteten, waren es im April 2020 mehr als 35 Prozent. Die Arbeit zu Hause sei üblicher geworden – und werde auch künftig häufiger möglich sein, meint Melanie Arntz, stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs "Arbeitsmärkte und Personalmanagement".

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Mit Auswirkungen auch für die Frauen: "Wenn Homeoffice besser verfügbar ist, führt das dazu, dass insbesondere Mütter mehr arbeiten", so Arntz. Dürfen sie ihre Aufgaben hin und wieder von zu Hause aus erledigen, können sie ihre Arbeitszeit eher aufstocken.

Noch immer sind die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr unterschiedlich. Zwar haben inzwischen fast so viele Frauen wie Männer einen Job. Doch arbeiten zwei Drittel der Mütter in Teilzeit – und fast alle Väter in Vollzeit.

Ob sich daran nun langfristig etwas ändern wird, hängt den Forschern des ZEW zufolge auch davon ab, wie die zusätzlichen Betreuungsaufgaben in der Pandemie – in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen – aufgeteilt werden. Um das herauszufinden, untersuchten die Wissenschaftler, wie flexibel die Arbeit beider Elternteile in der Corona-Krise ist: ob sie etwa als systemrelevant gilt und an einem bestimmten Ort stattfinden muss; oder ob sie wenigstens zum Teil im Homeoffice erledigt werden kann.

Ihr Ergebnis: In 28 Prozent der Haushalte verfügen Mütter über mehr Flexibilität als Väter und können in der Familie mehr Aufgaben übernehmen als zuvor. In etwa 24 Prozent der Familien ist die Flexibilität beider Elternteile vergleichbar.

Dennoch halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass diese Mütter mehr Zeit für Familie und Haushalt aufwenden – da sie das schon vor der Pandemie getan haben. Die Aufgabenverteilung in Haushalten, in denen Kinder unter 13 Jahren leben, ist in Deutschland sehr ungleich. "Selbst bei Doppelverdiener-Paaren wandten Mütter etwa dreimal so viel Zeit für die Kindererziehung und doppelt so viel Zeit für Haushaltsarbeit auf wie Väter", schreiben die Autoren. "Bei 85 Prozent dieser Paare arbeiteten die Mütter weniger Stunden, und in über 60 Prozent der Fälle verdienten sie einen geringeren Stundenlohn."

In knapp 30 Prozent der Haushalte mit Kindern unter 13 Jahren hat die Mutter weniger berufliche Flexibilität als der Vater. In diesen Haushalten könnte Covid-19 der traditionellen Rollenverteilung entgegenwirken, meint Melanie Arntz: "Wenn Väter jetzt mehr Aufgaben in der Kindererziehung und im Haushalt übernehmen, könnte das langfristig positive Folgen für Frauen haben.”

Für einen beträchtlichen Anteil der Familien sei das allerdings nicht der Fall. Wenn nun der Lockdown die klassische Rollenverteilung stärke, könnten Frauen weniger vom zunehmenden Homeoffice profitieren, erklärt die Wissenschaftlerin. "Wo durch Covid-19 traditionelle Rollenmuster Aufwind haben, dürften die Karrieren von Frauen darunter leiden."

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