Der Bilfinger-Vorstandsvorsitzender Tom Blades ist am Dienstag mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Foto: dpa
Mannheim. (dpa/kla) Der Mannheimer Industriedienstleister Bilfinger muss sich einen neuen Chef suchen. Tom Blades habe mit sofortiger Wirkung sein Mandat als Vorstandsvorsitzender niedergelegt, teilte das Unternehmen am Dienstagabend in Mannheim mit. Finanzvorständin Christina Johansson übernehme vorübergehend dessen Aufgaben unter Beibehaltung ihrer derzeitigen Funktionen. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft befasse sich mit der Frage der langfristigen Nachfolge und werde darüber in den kommenden Monaten abschließend entscheiden.
Das Gremium dankte Blades für "seine herausragende Leistung als Vorstandsvorsitzender". Er habe das Unternehmen erfolgreich strategisch neu ausgerichtet. Der Wunsch des Managers, seinen Vertrag nicht über den 30. Juni 2021 hinaus zu verlängern, erfolge aus persönlichen Gründen und vor dem Hintergrund des Erreichens seines 65. Lebensjahres.
Der britische Manager hatte das Amt im Jahr 2016 von Per Utnegaard übernommen und nach dem Verkauf des Tafelsilbers, des Bau- und Immobilienservices, einen tiefgreifenden Konzernumbau eingeleitet. Übrig blieb der Industrieservice, also das Warten von Anlagen unter anderem für Kunden aus der Chemie- und Pharmabranche, aus Energie und Versorgung sowie aus der Öl- und Gasindustrie. Inzwischen konzentriert sich Bilfinger auf die Geschäftsbereiche Engineering & Maintenance (Ingenieurwesen und Wartung) und Technologies. Von verlustbringenden Geschäften trennte man sich.
Blades versuchte, den Traditionskonzern aus der Krise zu führen. Unzählige Zukäufe und Korruptionsskandale hatten Bilfinger ins Trudeln gebracht. Der Umsatz ging stark zurück. Anteilseigner wurden ungeduldig. Zuletzt gab es immer wieder Gerüchte über eine mögliche Übernahme. Dem hatte Blades im November widersprochen: "Wir stellen uns nicht zum Verkauf", erklärte er.
Zuletzt schrieb der Industriedienstleister rote Zahlen. Die Corona-Pandemie und der Ölpreisverfall machten Bilfinger auch im dritten Quartal zu schaffen, wie das Unternehmen im November mitgeteilt hatte. Durch Einsparungen bei Vertrieb und Verwaltung sollte Bilfinger wieder profitabler werden. Dazu gehörte auch ein Stellenabbau. Zuletzt hatte Bilfinger weltweit rund 29 000 Beschäftigte – 5000 weniger als vor gut einem Jahr. Auch in der Zentrale in Mannheim fielen zuletzt 110 der 280 Arbeitsplätze weg.
Am Dienstagabend bekräftigte Bilfinger seine Prognose für 2020. Im laufenden Jahr sollen sich Umsatz und Ergebnis "deutlich verbessern".
Unterdessen hat der Industriedienstleister sich einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge aus dem Pipeline-Projekt Nord Stream 2 verabschiedet. Dies geht nach Angaben des Zeitung vom Dienstag aus ihr vorliegenden Briefen des Mannheimer Unternehmens hervor. Mit Hinweis auf die Bestimmungen des "Schutzes des europäischen Energiesicherheitsgesetzes" seien sämtliche Kooperationen und Verträge mit Nord Stream 2 gekündigt worden. Als Grund nennt das Blatt "die Angst vor US-Sanktionen, die das Unternehmen schon in wenigen Wochen hätten treffen können". Das Unternehmen kommentierte den Bericht nicht.
Ende 2017 hatte Bilfinger den Zuschlag für Leit- und Sicherheitssysteme zum Betrieb der Pipeline zwischen Russland und Deutschland erhalten. Das Auftragsvolumen lag bei mehr als 15 Millionen Euro. Außerdem war Bilfinger verantwortlich für den Bau einer Wärmezentrale zur Vorwärmung von Erdgas am Anlandepunkt in Lubmin.
Am Dienstag bestrafte die scheidende US-Regierung erstmals ein Unternehmen wegen der Beteiligung am Bau von Nord Stream 2. Betroffen sei die russische Firma KVT-RUS, teilte das US-Außenministerium mit. Deren Verlegeschiff "Fortuna" werde als "blockiertes Eigentum" eingestuft. In der Mitteilung hieß es weiter, die USA würden weitere Strafmaßnahmen in naher Zukunft erwägen.
Russland will die umstrittene Ostseepipeline trotz der US-Sanktionen zu Ende bauen. Moskau beabsichtige, "die kontinuierliche Arbeit an der Fertigstellung dieses Projekts fortzuführen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax.