Christian (l.) und Rolf Behringer blicken optimistisch in die Zukunft. Sie leiten das 100 Jahre alte Familienunternehmen in dritter Generation. Die Investition in ein neues Bürogebäude und eine neue Produktionshalle in Kirchardt zeugen von der Standortorttreue. Fotos: Armin Guzy
Von Armin Guzy
Kirchardt. "Mein Spielplatz war der Sandhaufen der Gießerei. Wir sind praktisch direkt neben dem Betrieb aufgewachsen", blickt Rolf Behringer auf seine und die Kindheit seines Cousins Rolf zurück. Die beiden Geschäftsführer des Kirchardter Sägenherstellers sind nach Firmengründer August und dessen Söhnen Willi und Herbert die dritte Generation in Führungsverantwortung. Seit der Gründung vor 100 Jahren ist Behringer ein Familienunternehmen geblieben, das sich längst zu einem der weltweit führenden Hersteller von Präzisionssägen und ganzen Anlagen entwickelt hat.
Das, aber auch der fast bezugsfertige Anbau für Verwaltung und Entwicklungsabteilungen sowie die neue Produktionshalle, wurde nun mit Musik, Showeinlagen und Talkrunden in der festlich dekorierten, 6100 Quadratmeter großen neuen Halle gefeiert. Mehr als 400 Gäste aus 30 Nationen waren gekommen.
Erfindergeist und der Mut, auch in schwierigen Zeiten weitreichende Entscheidungen zu treffen und Risiken einzugehen, diese beiden Attribute ziehen sich wie ein roter Faden durch die Firmengeschichte. Damit wagte der Schlosser und Mechanikermeister August Behringer 1919 den Schritt in die Selbstständigkeit – nach dem Ersten Weltkrieg, mit gerade einmal 27 Jahren und mitten im Dorf. Ein Laden mit Gewürzen und Delikatessen, den seine Frau Emma betrieb, war das zweite Standbein der Familie in der unsicheren Nachkriegszeit. August reparierte Maschinen und Motorräder, betrieb die erste BP-Tankstelle in weitem Umkreis und legte auch noch die Meisterprüfung im Elektrohandwerk ab. Das junge Unternehmen wuchs langsam, überstand den Zweiten Weltkrieg und weitete sein Angebot auf die Herstellung und Reparatur landwirtschaftlicher Maschinen und die Produktion von Bügelsägemaschinen aus – damals schon gemeinsam mit Sohn Willi.
Das war die Initialzündung, denn die Nachfrage nach Sägen wuchs und die Firma machte sich langsam einen Namen. 1952, noch immer im Zentrum Kirchardts, wurde die Produktion mit der zwar noch primitiven, aber immerhin ersten eigenen Gießerei für die Maschinenteile deutlich flexibler, und die Erweiterung ließ nicht lange auf sich warten. Nach dem Tod August Behringers 1963 führten die Söhne Willi und Herbert die Firma weiter, bauten eine weitere Halle, fertigten Bügelsägen und Sägeautomaten und wagten sich damit auf den internationalen Markt. Der Erfolg war so groß, dass der ursprüngliche Firmensitz zu klein wurde. 1970 wurde im Industriegebiet der Gemeinde eine neue Gießerei gebaut, zwei Jahre später auch eine Produktionshalle. "Wir haben damals fast alles gegossen – vom 500-Gramm- bis zum Zwei-Tonnen-Teil", erzählt Rolf Behringer. Was in der Nachbetrachtung nicht unbedingt wirtschaftlich war und heute nahezu unmöglich ist, war damals ein wesentlicher Baustein zum weiteren Erfolg. Der zweite war die Entwicklung einer Bandsäge, deren Technik international beachtet wurde. 1977 gelang damit der weltweite Durchbruch. Als Behringer dieses Produkt dann noch zu einer Sägemaschine weiterentwickelte, die von zwei Säulen gestützt wird und damit wesentlich ruhiger und präziser arbeitet als herkömmliche Sägen, sprudelten die Bestellungen aus aller Welt. "Stabilität und Genauigkeit wurde zu unserem Markenzeichen", blickt Rolf Behringer zurück. Und trotz des Erfolgs blieb das Unternehmen dem Standort Kirchardt treu.
1988 übergab Willi Behringer seinen Part der Geschäftsführung an seinen Sohn Rolf, und der frühere Spielplatz wurde zu einem ernsten Tätigkeitsfeld, auf dem Weitsicht und Verantwortung gefordert ist. Inzwischen beschäftigt die Firma weltweit rund 400 Mitarbeiter, davon 365 in Kirchardt, und machte 2018 am Stammsitz einen Jahresumsatz von 55 Millionen Euro. "Unsere Exportquote liegt bei 60 Prozent und in den letzten drei Jahren haben wir 15 Millionen Euro investiert", betont Christian Behringer, der 2000 die Geschäftsführung von seinem Vater Herbert übernahm.
1995 stieg Behringer bei seinem früheren Lieferanten "Vernet" in Frankreich ein und erweiterte damit sein Portfolio. Der Hersteller von Profilbearbeitungsmaschinen war schon am Bau des Eiffelturms beteiligt. 2001 übernahm Behringer dann den namhaften, aber in Schieflage geratenen Kreissägenhersteller Eisele in Weilheim, der, unter neuer Regie, inzwischen weltweit als Technologieführer und Impulsgeber der Branche gilt. Seit 2003 sind die Kirchardter, nach Nordamerika und Frankreich, auch in China aktiv. 2013 wurde eine Serviceniederlassung in Großbritannien gegründet. Und das Unternehmen will weiter wachsen, vor allem am Gründungsstandort. 2006 musste der Stahl- und Anlagenbau zwar aus Platzmangel in ein Zweigwerk in Sinsheim-Dühren verlagert werden, mit der Fertigstellung der neuen Produktionshalle im kommenden Frühjahr soll diese Sparte aber wieder nach Kirchardt zurückgeholt werden.
"Der Maschinenbau ist zwar ganz schön gebeutelt in den letzten Monaten", sagt Christian Behringer, "aber Stahl wird nicht verschwinden. Da sind wir uns sicher!" Die hohen Energiekosten der Gießerei durch die gestiegene EEG-Umlage sei allerdings seit Jahren ein drängendes Thema. Hier sei die Politik gefordert, die Weichen besonders für Mittelständler neu zu stellen. Mit dem gleichen Mut und Erfindergeist wie vor 100 Jahren stellt sich das Kirchardter Unternehmen längst auch dem Thema Vernetzung und Digitalisierung, entwickelt eigene Softwarelösungen und investiert kräftig.
"Der Pioniergeist und die Kundennähe der Gründer leben weiter", und auch die nächste Generation zeige bereits Interesse, sagt Rolf Behringer. "Wir sehen uns als Problemlöser und können fast alles im eigenen Haus fertigen." Sogar Großbandsägen, mit denen sich 100 Tonnen schwere Schiffskurbelwellen oder Wärmetauscher von Kraftwerken sägen lassen – hochleistungsfähige Sonderanfertigungen, die den führenden Status der Kirchardter Firma in inzwischen 80 Ländern dieser Welt untermauern, selbst in Nischenbereichen.