Von Matthias Kros
Heidelberg. Tausende Antragsteller in ganz Deutschland sollen sich unrechtmäßig Corona-Soforthilfen für Kleinunternehmer und Soloselbstständige erschlichen und so einen Schaden in Millionenhöhe verursacht haben. Bundesweit gehen Staatsanwälte mindestens 6900 mutmaßlichen Betrugsfällen nach. Dies geht aus einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Justizministerien und Generalstaatsanwaltschaften der Länder hervor. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zeigte dafür am Freitag wenig Verständnis: "Jede Form von Leistungsmissbrauch ist natürlich eine Sauerei, um das mal klar zu sagen, weil es unsolidarisch ist gegenüber denen, die die Hilfe brauchen", sagte der SPD-Politiker dem Bayerischen Rundfunk.
In Baden-Württemberg waren bei der letzten statistischen Auswertung im August knapp 300 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Auch die Staatsanwaltschaft Heidelberg ist bereits aktiv. Laut Thomas Bischoff, Erster Staatsanwalt, werden derzeit zwölf Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Corona-Soforthilfe geführt. Der mutmaßliche Gesamtschaden betrage insgesamt rund 85.000 Euro, so der Jurist. Die Ermittlungen dauerten aber noch an. Prozesse werden noch keine geführt.
Der Verdacht laute auf Subventionsbetrug, erklärte der Jurist. Anstoß zu den Ermittlungen seien hauptsächlich Anzeigen der Anti-Geldwäsche-Einheit des Bundes (Financial Intelligence Unit, FIU) und der verschiedenen Geschäftsbanken, die die Soforthilfen auszahlen.
Dabei beträfen die Ermittlungen verschiedene Fälle: So könnte das angegebene Gewerbe vorgetäuscht sein, also gar nicht oder nicht mehr existieren. In anderen Fällen könnte der Antragsteller das Unternehmen einer anderen Person angegeben haben. Oder die Corona-Soforthilfe könnte beantragt worden sein, obwohl der Betrieb keinen Umsatzrückgang hatte. Manchmal würden auch Unternehmen einen Antrag stellen, die schon vor der Corona-Krise Zahlungsschwierigkeiten hatten. Und schließlich gebe es Fälle, in denen die Hilfe "zweckwidrig" verwendet würden, also nicht zur Rettung des Betriebes, sondern für private Ausgaben.
Der Strafrahmen reiche von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, erklärte Bischoff. Ob die bekannt gewordenen Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind, wollte der Jurist nicht spekulieren. Darüber, ob die Dunkelziffer vergleichbarer Taten hoch ist, liegen der Staatsanwaltschaft Heidelberg keine Informationen vor, sagte er.
Unternehmen aller Branchen können aufgrund wirtschaftlicher Einbußen als Folge der staatlichen Corona-Auflagen einen Antrag auf Überbrückungshilfe stellen, soweit ihr Umsatz 50 Millionen Euro nicht übersteigt. Auch Solo-Selbstständige und Freiberufler fallen darunter; sie erhalten zwischen 9000 und 60.000 Euro, je nach Unternehmensgröße. Der Betrieb darf nicht vor März in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sein.
Das Programm fand großen Anklang. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gab die Zahl der gestellten Anträge im Sommer mit rund zwei Millionen an. Entsprechend groß ist die Zahl der potenziellen Betrugsfälle. "Die strafrechtliche Aufarbeitung der Corona-Krise dürfte die Justiz noch bis weit ins nächste Jahr hinein beschäftigen”, sagte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes (DRB), dem Redaktions-Netzwerk Deutschland.