Die HeidelbergCement-Tochter Indocement hat drei Zementwerke in Indonesien. Foto: dpa
Von Matthias Kros
Heidelberg. Verstößt der Baustoffkonzern HeidelbergCement mit seinem geplanten Abbau von Rohstoffen auf der Insel Java gegen Menschenrechte? Diese Frage wird in nächster Zeit die Bundesregierung beschäftigen. Vertreter verschiedener indonesischer Gemeinden hätten bereits am Mittwoch bei der im Wirtschaftsministerium angesiedelten Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze (NKS) eine entsprechende Beschwerde gegen HeidelbergCement eingelegt, heißt es in einer Pressemitteilung der Menschenrechtsorganisation Fian. Als Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterhält Deutschland eine Nationale Kontaktstelle, die sich mit Beschwerden gegen deutsche Firmen wegen etwaiger Verstöße gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Konzerne im Ausland befasst. Sie versucht dabei in erster Linie zu vermitteln, etwa durch Mediationsverfahren.
In der 15-seitigen Beschwerde werfen indonesische Bürgerbewegungen HeidelbergCement vor, durch eine geplante Kalksteinmine und ein Zementwerk am Kendeng-Karstgebirge in Zentraljava ihre Existenzgrundlage, Wasserressourcen sowie das lokale Ökosystem zu gefährden. Mindestens 35.000 Menschen könnten durch die Folgen des Bergbaus ihren Wasserzugang für den Eigenbedarf und die Landwirtschaft verlieren. Zudem seien durch das Projekt Gebiete von hoher spiritueller Bedeutung bedroht. Ein HeidelbergCement-Sprecher wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Der Heidelberger Konzern hatte im Jahr 2001 eine Mehrheitsbeteiligung an Indocement erworben. Das indonesische Unternehmen treibt das Kendeng-Projekt in dem eigentlich geschützten Karstgebirge voran, um dort Material für die Zementherstellung zu gewinnen. In Indonesien und Deutschland kam es deshalb bereits wiederholt zu Protesten, zuletzt bei der Jahreshauptversammlung von HeidelbergCement im Juni in Heidelberg.
Unterstützt werden die Kendeng-Protestler bei ihrer Beschwerde unter anderem vom Hilfswerk Misereor und der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung. "Als eines der größten börsennotierten Unternehmen muss HeidelbergCement mit allergrößter Sorgfalt darauf achten, dass die eigene Geschäftstätigkeit sowie die seiner Tochterunternehmen weltweit Menschenrechte und ökologische Gerechtigkeit respektiert", sagte Barbara Unmüßig, Vorständin der Böll-Stiftung, der Fian-Mitteilung zufolge. "Mit der Beschwerde wird auf die Probe gestellt, wie ernst es Deutschland ist, deutsche Unternehmen im Rahmen des OECD-Mechanismus über wirtschaftliches Fehlverhalten zur Rechenschaft zu zuziehen." Die Kendeng-Aktivisten fordern HeidelbergCement auf, "die geplante Zerstörung unserer Umwelt und Existenzgrundlage zu stoppen". Sie verlangen eine unabhängige Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung.
"Uns liegen keine Hinweise vor, dass die Entscheidung der indonesischen Behörden nicht gemäß rechtsstaatlicher Prinzipien gefällt wurde", erwiderte ein HeidelbergCement-Sprecher am Freitag die Vorwürfe. Indocement habe im Zeitraum von 2010 bis 2014 eine ausführliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Diese basiere auf einer detaillierten Kartographierung des Karstgebirges und sei unter Einbindung mehrerer Experten renommierter Universitäten in Zentraljava durchgeführt worden. Dabei seien sowohl die ökologischen als auch sozialen Auswirkungen des Projekts im Detail analysiert worden. "Aufgrund der sorgfältigen, vor Ort abgestimmten Planung wurde die Genehmigung für das Projekt in einem Verfahren, das den Betroffenen umfassende Teilhabe- und Einspruchsmöglichkeiten einräumt, erteilt", so der Sprecher. Die Rechtmäßigkeit dieser Genehmigung sei letztendlich im März 2017 durch den Obersten Gerichtshof in Indonesien nach eingehender Prüfung der Einsprüche bestätigt worden.