Die Simulation eines Streckenplans, mit dem Staus umfahren werden können. Künstliche Intelligenz kann etwa dazu beitragen, die Mobilität nachhaltiger zu machen. Foto: dpa
Von Barbara Klauß
Heidelberg/Stuttgart. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen begegnen uns heute fast überall, sie verändern unser Leben und Arbeiten rasant. Sie stecken in digitalen Assistenzsystemen, die unsere Befehle ausführen, und in jedem Saugroboter, der wie von Zauberhand gelenkt durch unsere Wohnung fährt. Immer mehr Entscheidungen werden – auf der Grundlage der Auswertung von enormen Datensatzätzen – an Computer delegiert und immer besser und schneller getroffen – etwa in der Medizin, in der Produktion oder in der Mobilität. KI gilt als Schlüsseltechnologie. Wo aber stehen wir dabei?
"Noch ist nicht das ganze Potenzial ausgeschöpft", meint Andreas Weber, Abteilungsleiter Bildung bei der Baden-Württemberg Stiftung. "Weltklasse" sei Deutschland leider noch nicht, erklärt auch Vanessa Cann, Geschäftsführerin und Vorsitzende des KI-Bundesverbandes, die aus Heidelberg stammt und in Mannheim studiert hat, bei einer virtuellen Veranstaltung am Mittwoch. Unter den wichtigsten zukunftsgerichteten Unternehmen weltweit gebe es nur wenige aus Deutschland – und das, obwohl die Voraussetzungen gut seien: "Wir sind super in der Grundlagenforschung und haben eine Weltklasse Industrie", sagt Cann. Woran es fehle, sei die Umsetzung. Was also muss geschehen, damit aus guter Forschung gute Produkte oder Dienstleistungen entstehen?
Darum geht es bei der virtuellen Veranstaltung am Mittwoch: Vorgestellt wird die KI-Garage Baden-Württemberg. Dahinter verbirgt sich ein Programm der Baden-Württemberg Stiftung, das ab Frühjahr 2021 ein Förderprogramm für potenzielle Gründer und Gründerinnen zur Verfügung stellt. Durchgeführt wird es vom Technologiepark Heidelberg in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Universität Heidelberg und der Universität Mannheim. Die KI-Garage richtet sich etwa an Studenten, Doktoranden oder Mitarbeiter (Männer wie Frauen) an baden-württembergischen Forschungs- und Bildungseinrichtungen, die sich mit Technologien und Anwendungsmöglichkeiten von KI beschäftigen. Sie soll ihnen dabei helfen, Ideen Wirklichkeit werden zu lassen, Forschungsergebnisse zu Produkten und Dienstleistungen weiterzuentwickeln und mit aussichtsreichen Geschäftsmodellen Start-ups zu gründen. Angelegt ist die KI-Garage als offene Plattform, auf der etwa Info- oder Netzwerkveranstaltungen stattfinden sollen ebenso wie Fortbildungen, Austausch oder der Kontakt zu Investoren. Gebühren oder Beteiligungen werden laut Stiftung nicht erhoben.
Vor welchen Herausforderungen Gründer aus Forschungseinrichten stehen, erklärt Daniel Kondermann, Gründer von Quality Match, der in Heidelberg studiert hat: Mit einer gewissen Naivität sei er als Wissenschaftler in die Wirtschaft gegangen – "ohne das Wissen, was die Kunden von uns wollen", sagt er. So gehe es in der Wissenschaft darum, Paper zu produzieren. In der Wirtschaft zähle nur das Ergebnis – in einer bestimmten Zeit. Dank des Feedbacks der Kunden sei es gelungen, die Herangehensweise zu ändern und ein Produkt zu entwickeln. Bei solchen Prozessen etwa soll die KI-Garage unterstützen.
Um die KI hierzulande voranzubringen, müsse sie etwa in der Bildung eine größere Rolle spielen, meint Vanessa Cann vom KI-Bundesverband. Zudem fehle es etwa an Finanzierung, vor allem an Wachstumskapital. "Unsere Unternehmen bleiben häufig sehr klein und sind dadurch auch kaum sichtbar." Außerdem wünscht sie sich mehr Kooperationen: "Obwohl wir eine starke, etablierte Industrie haben, investiert nur jedes 7. Unternehmen in KI", sagt sie. Dabei stünden sie alle vor der Herausforderung der digitalen Transformation.
Doch gewinnt das Thema in Zeiten der Pandemie Canns Ansicht nach an Bedeutung. "Wir können noch Weltklasse werden in KI", meint sie. "In der Künstliche Intelligenz passiert gerade so viel. Es ist eine große Chance, genau in diesem Bereich zu gründen."