Bilfinger eröffnet Kompetenzzentrum für Digitalisierung in der Bahnstadt
Zwischen Startup und Konzern: Mitarbeiterzahl soll sich bis Ende des Jahres verdoppeln

Bilfinger-Vorstand Duncan Hall beim Testen einer Augmented-Reality-Brille. Foto: Bilfinger
Von Daniel Bernock
Heidelberg. Bunte Sitzecken, verglaste Büros, eine Sprintgerade im Flur. Auch wenn an der Tür der Name eines Traditionsunternehmens steht, weht hier ein frischer Wind. Zwischen locker lässigem Startup und gewinnorientiertem Konzern - in dieser Lücke sieht Franz Braun die Rolle seines Teams.
Der 52-Jährige ist Chef von "Bilfinger Digital Next". Um geografisch nicht zu nah am Mannheimer Mutterkonzern Bilfinger zu sein, sitzt das junge Team mit aktuell 35 Mitarbeitern in der Heidelberger Bahnstadt. Bis Ende des Jahres soll die Kreativ-Tochter in Sachen Digitalisierung des börsennotierten Konzerns auf 60 Mitarbeiter wachsen.
"Wir dürfen hier Geld investieren, um in diesem Zukunftsmarkt eine Vorreiterrolle einzunehmen", sagt Braun. Dafür werde allerdings auch ein gewisses Wachstum erwartet. Wie bei Startups üblich wird gerade in der Anfangszeit kein Gewinnbeitrag aus Heidelberg erwartet. Braun, der bereits seit 2000 bei Bilfinger ist, ist es jedoch wichtig, dass seine Mitarbeiter einen gewissen Geschäftssinn entwickeln. Es komme nicht nur auf kreative Ideen an.
Auch wie das Produkt aussehen könnte, wer potenzielle Kunden sind und wie sich das Vertriebsmodell gestaltet - all das soll eine große Rolle spielen. Denn auch viele Kunden würden fragen: "Warum soll ich Geld in digitale Projekte investieren?" Ein Geschäftsmodell sei daher die Grundlage der digitalen Ansätze. Dass die Industrie und auch anderen Firmen handeln müssen, ist sich Braun sicher: "Wer denkt, dass er die Digitalisierung aussitzen kann, der wird vom Markt verschwinden", so Braun.
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Wie die digitalen Ansätze von Bilfinger Digital Next aussehen, zeigte das Unternehmen bei der feierlichen Eröffnung des Büros am Mittwoch in der Bahnstadt. Aus der Konzernzentrale war der für das operative Geschäft zuständige Vorstand Duncan Hall nach Heidelberg gekommen.

Franz Braun. Foto: Bilfinger
Braun betonte, dass die Digitalisierung tatsächlich betriebswirtschaftlich einen Unterschied machen kann. So könne die Effizienz einer Anlage um 15 Prozent gesteigert und die Ausfallzeiten um 25 Prozent reduziert werden. Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt alleine den Markt für Künstliche Intelligenz (KI) - einen Teilbereich der Digitalisierung - auf rund 15 Milliarden Euro bis 2030.
Als konkretes Beispiel der Digitalisierung in der Prozessindustrie zeigte das Unternehmen Augmented-Reality-Brillen, die grafische Elemente in der tatsächlichen Umgebung des Trägers darstellen. So können zum Beispiel Baustellenmitarbeiter, die ein Gerüst aufbauen, genau sehen, wo sie die Stützen des Gerüsts im Boden verankern sollen, ohne dass sie dafür lange einen Plan studieren müssen. Über die Brille lassen sich auch einzelne Arbeitsschritte anzeigen, etwa beim Anbringen von Flanschen an Rohrleitungen.
Ein weiteres Beispiel: Über eine Art Kontrollraum lassen sich Anlagen aus der Ferne digital beobachten. Anhand der Daten und mithilfe von Analyseverfahren sehen die Bilfinger-Spezialisten über die Messung von Vibrationen, wenn ein Teil auszufallen droht, bevor es soweit ist. Durch die Auswertung der Daten ließen sich in einem anderen Fall teure Feuchtigkeitsmessungen in einem Labor reduzieren, indem die Werte anhand der Daten berechnet wurden.
Mit Heidelberg habe die Digital-Tochter einen attraktiven Standort gefunden, um talentierte Mitarbeiter zu gewinnen, sagte Hall, der seit Januar im Bilfinger-Vorstand sitzt. Nicht nur sei hier der Sitz der ältesten deutschen Universität, die Stadt könne auch mit Städtepartnerschaften mit Palo Alto und Cambridge punkten, so der Brite.