Von Sören S. Sgries und Matthias Kros
Heidelberg. Nutzt der Finanzkonzern MLP "das Vertrauen und die fehlende Erfahrung junger Menschen" aus? Das wirft die "Bürgerbewegung Finanzwende" unter Leitung des ehemaligen Mannheimer Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick dem Wieslocher Unternehmen vor. "Unter dem Deckmantel eines laut Satzung gemeinnützigen Vereins will MLP vor allem eins: Adressen von potenziellen Neukunden", sagt Kampagnen-Leiterin Lena Blanken.
Konkret geht es bei den Vorwürfen um den Verein "Hochschulinitiative e.V." mit Sitz in Dresden. "Dein Partner im Studium", wirbt dieser auf seiner Homepage im ansprechenden Design. Versprochen wird "Der große Stipendiencheck" oder "Vorlagen für deinen Lebenslauf". Anmelden kann man sich aber auch für ein "Steuerseminar für Studenten". Geworben wird für das Angebot auch fleißig in Sozialen Netzwerken wie Instagram oder Facebook – über 100 aktive Werbeanzeigen listet die Facebook-Werbebibliothek aktuell für die Seite der Initiative auf. MLP kann daran nichts Verwerfliches finden: "Einen solch frühzeitigen Kontakt zu Studierenden suchen viele Unternehmen – andere Banken und Finanzdienstleister genauso wie zahlreiche andere Branchen", erklärt ein Unternehmenssprecher.
"Finanzwende" sieht dagegen einen Haken an der Sache: Möchte man sich für die meist als "kostenlos" ausgezeichneten Angebote anmelden, muss man in den Datenschutzbestimmungen einwilligen, dass die MLP Finanzberatung SE als Veranstalter die Daten übermittelt bekommt – und dann "ggf. an einen zuständigen Berater" weiterreicht. Laut "Finanzwende" wird auch eine Vielzahl der Seminare und Kurse von MLP-Mitarbeitern durchgeführt. Offensichtlich sichtbar sei auf der Homepage aber nicht, dass das Unternehmen hinter der Plattform steckt.
Hier widerspricht der MLP-Sprecher allerdings eindeutig: "Wir kommen mit unseren Workshopangeboten einem Bedarf von zukünftigen Hochschulabsolventen nach", erklärte er. Insbesondere bei Finanzthemen bestehe ein hoher Bedarf an Wissen. "Keiner der Teilnehmer unserer Seminare wird in irgendeiner Form dazu gedrängt, mit uns geschäftlich zusammenzuarbeiten", stellt er klar.
Interessenten für die angebotenen Workshops würden vor allem über Facebook-Werbung, die MLP Standort-Webseiten sowie über Mehrwerteplattformen für Studierende wie "Hochschulinitiative Deutschland" angesprochen, erklärt der Sprecher weiter. "Wer Interesse hat, meldet sich online an. Sowohl in den Datenschutzbestimmungen als auch in der Bestätigungsmail wird deutlich gemacht, dass MLP den Workshop durchführt".
An Hochschulen sei die Ansprache klar definiert, findet der Sprecher. "Üblicherweise stellt der Berater sich und MLP im Workshop kurz vor und bietet parallel zum abschließenden Evaluierungsbogen für den Workshop den Teilnehmern an, mit MLP zu weiteren Workshops, zu einer Finanzberatung oder zum Thema Recruiting in Kontakt zu bleiben".
"Finanzwende" findet das Vorgehen dennoch verwerflich. Laut Satzung ein gemeinnütziger Bildungsverein, gehe es bei der "Hochschulinitiative" letztlich nur um Kontaktanbahnung und Verkauf, der Verein sei "eine Sammelstelle für Adressdaten", so der Vorwurf. Der Verdacht liege nahe, dass der Verein 2016 "eben genau aus diesem geschäftlichen Grund gegründet wurde", so Finanzwende.
"Wirklich bodenlos" nennt es Kampagnen-Chefin Blanken, dass sich MLP über einen laut Satzung gemeinnützigen Verein an Studierende anbiedere. Sie fordert: "MLP muss die gesamte Kooperation mit der Hochschulinitiative Deutschland sofort aufgeben." Sollten Steuervergünstigungen in Anspruch genommen worden sein, müssten diese an den Staat zurückgezahlt werden.
Die zentrale Geschäftsidee des 1971 in der Heidelberger Kneipe "Destille" von Eicke Marschollek und Manfred Lautenschläger gegründeten Finanzdienstleisters war es von Anfang an, Studierende schon vor ihrem Abschluss als Kunden zu gewinnen. Besonders angehende Juristen und Mediziner – also potenziell künftig sehr finanzkräftige Kunden – hatte man im Blick. Offenbar eine gute Idee: Zu seinen Hochzeiten vor 20 Jahren war das börsennotierte Unternehmen 13 Milliarden Euro wert. Aktuell ist es mit rund 618 Millionen Euro notiert.
Kritik an den Verkaufsmethoden der MLP-Berater gab es dabei immer wieder. "Sie wollen an euer Geld" überschrieb beispielsweise die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" einen entsprechenden Artikel im Oktober 2019.
Den damaligen Vorwurf, dass die an lukrativen Vertragsabschlüssen mit guten Provisionen interessierten Berater den in Finanzangelegenheit meist unerfahrenen Studierenden unpassende, oft zu teuere Produkte verkaufen, erhebt jetzt auch "Finanzwende". Zwar könne man die von MLP vertriebenen Produkte nicht in ihrer Gesamtheit einschätzen. Jedoch fürchte man, an dem Zustand, den "Stiftung Warentest" schon 2008 beklagt habe, wonach einige Angebote "teuer oder sogar unsinnig" seien, habe sich nichts geändert.