Die Käsereibe Kasimir der Firma Koziol wurde 2014 gefälscht und war beim Schmähpreis Plagiarius dabei. Foto: Koziol
Von Harald Berlinghof
Erbach. Medikamente, Lebensmittel, Maschinenteile und Luxus-Textilien gehören zum Portfolio der weltweiten Produktpiraten. Besonders die Nachahmung hoch spezialisierter Maschinenteile, an die – wie etwa im Flugzeugbau – hohe technische Anforderungen gestellt werden, verspricht aufgrund der hohen Preise große Gewinne.
Ein einziger Bolzen für die Befestigung eines Flugzeugtriebwerks kann bis zu 1800 Dollar kosten. Eine "Kopie" bekommt man für die Hälfte. Aber nur, weil sich der Raubkopierer die aufwendigen Qualitätstests und Entwicklungskosten spart. Wenn dann das Maschinenteil im entscheidenden Augenblick versagt, kann das katastrophale Folgen haben. Aber auch wenn das gefälschte Ersatzteil qualitativ dem Original gleicht, hat sich der Fälscher einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil verschafft.
Doch Fälscher solcher Produkte müssen in die Oberklasse der Produktpiraten eingeordnet werden. Deren Nachahmung erfordert ein erhebliches Know-how. Einfacher ist das bei Produkten, die vor allem durch ihr äußeres Erscheinungsbild beim Käufer punkten. Dazu zählen auch die flippigen Produkte der Firma Koziol aus Erbach im Odenwald. Koziol bietet dem jungen Haushalt bunte Küchenutensilien und Haushaltsgegenstände wie den Luigi Kochlöffelhalter oder den Ei-Ei-Pfeffer- und Salzstreuer – schöne, witzige und funktionale Produkte.
Die aufwendige Design-Entwicklung sparen sich die Plagiatoren und Fälscher. "Unsere Produkte sind daher, weil wir häufig kopiert wurden, mit einem Designschutz belegt", so Geschäftsführer und Mitinhaber Stephan Koziol. Unerlaubt nachgeahmte Koziol-Produkte waren bereits mehrfach bei der Vergabe des Negativ-Preises Plagiarius nominiert. Zuletzt 2009 mit der Gießkanne Elise. In China sei das Nachahmen ein Kavaliersdelikt. "Das ist doch die ehrlichste Form der Anerkennung, habe ich da schon gehört", sagt der Firmenchef. Schließlich werde nur gefälscht was auch ankomme.
Auch vor komplexen Maschinenteilen schrecken Fälscher nicht zurück. Aus den Hinterhöfen, wo Produktpiraten landläufig vermutet werden, sind die Fälscher bereits seit Jahrzehnten in computergesteuerte Produktionshallen umgezogen. Entsprechend besser werden die unerlaubten Kopien. Allerdings in aller Regel nur optisch, nicht in Bezug auf ihren Inhalt oder ihre Funktion. Der Schöne Schein trügt.
Wie groß der materielle Schaden ist, den Produktfälscher erzeugen, ist schwer zu ermitteln. Eine Studie des Europäischen Patentamtes kam allerdings zu dem Schluss, dass 40 Prozent der Wirtschaftsleistung im europäischen Binnenmarkt auf Branchen entfallen, die auf das Urheberrecht angewiesen sind. Umgerechnet bedeutet das, dass 4,7 Billionen Euro Umsatz und 77 Millionen Jobs von Produktfälschungen gefährdet sind. Laut Handelsblatt beklagt auch der deutsche Maschinen- und Anlagenbau einen jährlichen Umsatzverlust von fast acht Milliarden Euro. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum schätzt die Einnahmeausfälle durch Fälschungen in der EU auf 60 Milliarden Euro jährlich.
Als Vertriebswege bieten sich nach wie vor fliegende Händler in Touristen-Hochburgen an, aber das Internet erreicht auch auf diesem grauen Markt schneller und reibungsloser sein Publikum. Am häufigsten werden Schuhe gefälscht, aber auch die Anzahl der Lebensmittelfälschungen steigt rasant. Es wird gepanscht, verdünnt, verschnitten oder falsch bezeichnet. Pferdefleisch statt Rindfleisch in Lasagne. Das war 2013 ein Skandal. Oder eingefärbtes Sonnenblumenöl statt teurem Olivenöl. Immerhin hatte der Fälscher noch so viel Skrupel als Farbstoff organisches Chlorophyll zu verwenden. Aber auch das kam 2019 ans Tageslicht. Auch an Bio-Lebensmitteln haben sich Fälscher bereits versucht. Aufmerksamkeit ist auch hier angebracht, denn nach Olivenöl und Fisch stehen Bio-Lebensmittel auf Rang drei in der Liste der häufigsten Nahrungsmittelfälschungen.