Der SAP-Stammsitz in Walldorf: Ein Betriebsratsmitglied des Softwarekonzerns klagt auf Weiterbeschäftigung. Foto: dpa
Von Barbara Klauß
Walldorf. Im Fall eines gekündigten SAP-Betriebsratsmitglieds geht die Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) von betriebspolitischen Gründen aus: Der Softwarekonzern wolle einen unbequemen Betriebsrat loswerden, sagt Martin Gerhardt, Bundesgeschäftsführer und Leiter der Rechtsabteilung der (CGM) im Gespräch mit der RNZ. "Diese Kündigung ist nicht begründet."
Anfang August hatte der Softwarekonzern einem Betriebsratsmitglied außerordentlich fristlos gekündigt. Dagegen legte der Betroffene eine Klage auf Wiedereinstellung ein. Das Arbeitsgericht Mannheim hat nun einen Gütetermin für den 16. Oktober angesetzt.
Zu den Gründen für die Kündigung hält sich SAP bedeckt: Es handle sich um eine Individualentscheidung, die nicht im Zusammenhang mit dem Amt des Betriebsrats stehe, teilte ein Unternehmenssprecher Ende August mit.
Auch im Kündigungsschreiben fänden sich keine Ausführungen zu einem Kündigungsgrund, erklärt nun die CGM, die den Betroffenen unterstützt. Gewerkschafter Gerhardt wie auch Mitarbeiter mutmaßen, dass die Kündigung etwas damit zu tun haben könnte, dass der gekündigte Kollege zahlreiche Newsletter an die Mitarbeiter verschickte. Seine Informationsschreiben seien auf großes Interesse bei vielen SAP-Mitarbeitern gestoßen, "weil sie Informationen und Meinungen enthielten, die von der offiziellen Linie der Unternehmensführung abwichen", teilt die CGM mit. Aus dem Unternehmen ist zu hören, dass der Betroffene in diesen Schreiben zum Teil populistische und fragwürdige Thesen vertreten und Stimmung gegen einzelne Gruppen gemacht habe. Er polarisiere stark, heißt es.
"Er hat sich stark exponiert", meint auch Gewerkschafter Gerhardt. Doch habe er bei der Durchsicht der fraglichen Newsletter-Artikel keine Aussagen entdeckt, in denen er eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung erkenne. "Alles, was ich von ihm gelesen habe, liegt weit unter dem, was ich aus anderen Betrieben kenne", so Gerhardt.
Auch die Feststellung des Konzerns, die Kündigung stehe nicht im Zusammenhang mit dem Amt des Betriebsrates, überzeugt Gerhardt nicht - zumal der Betroffene für seine Betriebsratstätigkeit faktisch freigestellt gewesen sei. "Welchen anderen Zusammenhang kann die Kündigung dann haben?", fragt Gerhardt.
Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist ungewöhnlich. Für sie gilt in Deutschland ein Sonderkündigungsschutz. Eine außerordentliche Kündigung ist nur dann möglich, wenn der Betroffene seine Arbeitnehmerpflichten schwerwiegend verletzt hat, wenn also dem Arbeitgeber jede weitere Zusammenarbeit nicht zumutbar ist. Das kann beispielsweise bei Diebstahl am Arbeitsplatz der Fall sein, bei Beleidigung des Chefs, bei sexuellen Übergriffen oder politischer Agitation. Darüber hinaus muss der Betriebsrat der Kündigung mehrheitlich zustimmen. Diese Zustimmung erteilte in diesem Fall ein siebenköpfiger Ausschuss. Kurz darauf stimmte jedoch der gesamte Betriebsrat noch einmal ab und lehnte die Kündigung ab. Fraglich ist nun unter anderem, welche Abstimmung Bestand hat.
Auch die Abstimmung des Betriebsrats-Ausschusses irritiert die Gewerkschaft: "Wie die Kollegen diese Zustimmung nicht nur vor der übrigen Belegschaft, sondern auch vor sich selbst rechtfertigen wollen, bleibt aus unserer Sicht ein Rätsel", teilt die CGM mit.