Unternehmen der Region

Wenn der frühere Chef zum Chef-Aufseher wird

Sollten ehemalige Chefs einen Sitz im Aufsichtsrat desselben Unternehmens übernehmen? Und wie lange sollten sie damit warten?

13.05.2022 UPDATE: 14.05.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 54 Sekunden
Die HeidelbergCement. Foto: dpa

Von Barbara Klauß

Heidelberg. Nachdem der ehemalige HeidelbergCement-Chef Bernd Scheifele am Donnerstag nur mit knapper Mehrheit in den Aufsichtsrat des Baustoffkonzerns gewählt wurde, stellt sich die Frage, ob und wie schnell Ex-Vorstände nach ihrem Ausscheiden ins Kontrollgremium desselben Unternehmens wechseln sollten. Zumal Scheifele in der Region nicht der einzige Ex-Chef ist, der zum Chef-Aufseher wurde. Ein Überblick:

> Kontroverse: Wenn ausscheidende Vorstände direkt in den Aufsichtsrat desselben Unternehmens wechseln, sei aus Sicht der Corporate Governance auf jeden Fall Skepsis angebracht, meint Sebastian Sick von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und Mitglied der Regierungskommission "Deutscher Corporate Governance Kodex". Immerhin ist dem Kodex im Sinne einer guten Unternehmensführung an einer starken Kontrolle gelegen. Wird jedoch ein Ex-Chef zum Aufseher, muss er unter Umständen seine eigenen Entscheidungen oder Strategien überwachen. "Am Ende kontrolliert er sich womöglich selbst", sagt Sick.

Als nicht gerade förderlich für eine unabhängige Kontrolle empfindet er es zudem, wenn der neue Chef eines Unternehmens zuvor lange mit dem neuen Chef-Aufseher zusammengearbeitet hat.

Um all dem entgegen zu wirken, führte die Regierung im Jahr 2009 eine "Cooling-off"-Periode von zwei Jahren ein. Doch nicht allen geht das weit genug; mancher hätte lieber gar keine Ex-Chefs in den Kontrollgremien.

Allerdings sei nicht zu leugnen, dass ehemalige Vorstände Know-how mitbringen, betont Sick von der Böckler-Stiftung. Wollten Firmen darauf zurückgreifen, schade die Karenzzeit eher – wenn der Ex-Chef zu lang aus dem Geschäft ist.

> HeidelbergCement: Am Donnerstag wurde der ehemalige HeidelbergCement-Chef Bernd Scheifele von der Hauptversammlung des Baustoffkonzerns mit gerade einmal 53 Prozent der Stimmen in den Aufsichtsrat gewählt. Nicht etwa, weil viele Anteilseigner ihn für ungeeignet hielten. Vielmehr störte sich etwa die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) daran, dass Scheifele bis Anfang 2020 Vorstandsvorsitzender des Konzerns gewesen war. So hatte er zwar die vorgeschriebene Karenzzeit hinter sich. Der SdK reicht das jedoch nicht: Sie wünscht sich eine Abkühlphase von drei Jahren.

Scheifele wurde nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des Gremiums bestimmt. Diesen Posten hat er auch beim Pharmagroßhändler Phoenix in Mannheim inne, wo er zuvor Vorstandsvorsitzender war.

Auch der Ex-BASF-Chef Kurt Bock wechselte in den BASF-Aufsichtsrat. Foto: dpa

> SAP: Beim Softwarekonzern steht seit 2003 der Mitgründer Hasso Plattner an der Spitze des Kontrollgremiums. Damals war er direkt vom Chefsessel des Unternehmens in den Aufsichtsrat gewechselt und hatte den Vorsitz übernommen. Dort löste Plattner ein weiteres Gründungsmitglied ab: Dietmar Hopp, der Ende der 1990er Jahre ebenfalls ohne Karenzzeit vom SAP-Chef zum Chefaufseher geworden war. Am kommenden Mittwoch stellt sich Plattner erneut zur Wahl. Nicht alle sind begeistert.

Mitgründer Hasso Plattner sitzt seit 2003 dem Kontrollgremium von SAP vor. Foto: dpa

> BASF: Auch beim Chemiekonzern hat ein ehemaliger Chef den Vorsitz des Aufsichtsrats direkt an seinen Nachfolger übergeben: auf Jürgen Hambrecht (BASF-Chef von 2003 bis 2011, Aufsichtsratsvorsitzender ab 2013) folgte 2020 Kurt Bock, der das Unternehmen von 2011 bis 2018 geführt hatte. Hambrecht war einer der ersten Ex-Manager, der bei seinem Wechsel in den Aufsichtsrat von der "Cooling-off"-Regelung betroffen war. Dem "Handelsblatt" sagte er damals, das Gesetz sollte "abgeschafft werden". Begründung: "So ein komplexes Unternehmen wie BASF wertschaffend zu führen geht nur, wenn man es kennt". Nur Vorstände würden auch die "teilweise recht komplexen Machtfelder innerhalb des Unternehmens" verstehen.

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