Audi-Chef Bram Schot bei der Hauptversammlung in Neckarsulm. Foto: dpa
Neckarsulm. (kla/dpa) Audi könnte seine Produktionskapazitäten in den beiden deutschen Werken Ingolstadt und Neckarsulm deutlich schrumpfen. Derzeit soll es Gespräche über eine mögliche Reduzierung von jeweils rund 100.000 Fahrzeugen pro Jahr an beiden Standorten geben. Ein entsprechender Bericht des "Handelsblatts" wurde am Dienstag aus Unternehmenskreisen bestätigt. Zudem droht dem Blatt zufolge ein Stellenabbau, der aber sozialverträglich gestaltet werden soll. Im Frühjahr hatte Audi einen härteren Sparkurs angekündigt. Damals war bereits von einem möglichen Stellenabbau die Rede gewesen. Medien berichteten, dass in den kommenden fünf Jahren bis zu 15 Prozent der rund 90.000 Stellen wegfallen könnten.
In Neckarsulm liefen laut Handelsblatt im vergangenen Jahr rund 186.000 Autos vom Band. Die Kapazität des Werks liegt jedoch bei 300.000 Autos. Den Bericht über die Reduzierung um 100.000 Autos wollte ein Audi-Sprecher gestern nicht kommentieren, sagte aber: "Es geht unter anderem darum, die Kapazitäten so auszurichten, dass die Werke insgesamt profitabel und wirtschaftlich flexibel arbeiten." Er betonte: "Wir stehen zur Beschäftigungsgarantie bis 2025."
Doch schlagen mittlerweile die Betriebsräte Alarm, wie das Handelsblatt schreibt: "Die Audi AG steckt derzeit in einer schwierigen Phase", heißt es demnach in einer gemeinsamen Resolution der deutschen Arbeitnehmervertreter. "Auch wir sehen akuten Handlungsdruck." Ein Manager wird zitiert mit den Worten: "Die Probleme sind gewaltig geworden."
Das Werk ist schlecht ausgelastet. In Neckarsulm werden nicht die gefragten Sportgeländewagen gefertigt, sondern vor allem Limousinen und Kombis. Und die finden immer weniger Käufer. "Die große offene Frage ist für uns: Wird Neckarsulm mitgenommen ins Zeitalter der Elektroautos?", fragt Rolf Klotz, Betriebsratsvorsitzender des Werks, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Der erste elektrische Audi, der E-Tron, wird im Audi-Werk in Brüssel gebaut.
Zwar will Audi in den kommenden Jahren eine Vielzahl elektronischer Modelle auf den Markt bringen, noch ist laut FAS aber unklar, ob die auch in Neckarsulm gebaut werden. "Ohne eine klare Perspektive geben wir uns nicht zufrieden", zitiert das Blatt den Betriebsratschef, der "konkrete Investitionsbeschlüsse für unser Werk" fordert. In den nächsten Wochen rechnet er demnach mit einer Entscheidung. Fällt sie gegen Neckarsulm aus, halten Beobachter das für den Anfang vom Ende der Fabrik. "Die Stimmung kippt, die Wut der Leute wächst", wird ein Mitarbeiter zitiert. Auf einer Betriebsversammlung vor zwei Wochen soll es Buhrufe gegen das Management gegeben haben.
Audi hat derzeit zu kämpfen. Im dritten Quartal hat die VW-Tochter weniger Autos verkauft. Am vergangenen Donnerstag korrigierte Audi seine Prognose leicht nach unten. Die Auslieferungen im Gesamtjahr dürften nur leicht über dem - schwachen - Wert des Vorjahrs liegen. Finanzvorstand Alexander Seitz sagte: "2019 wird kein Rekordjahr, aber der Audi-Konzern steht solide da."
Zwischen Juli und September lieferte Audi knapp 451.000 Autos aus - 8000 weniger als im dritten Quartal des Vorjahrs. Der Umsatz sank um eine halbe Milliarde auf 12,6 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr peilt Audi einen leichten Umsatzanstieg an. Der Betriebsgewinn stieg im dritten Quartal auf 938 Millionen Euro. Lässt man das im Vorjahresquartal verhängte Dieselskandal-Bußgeld über 800 Millionen Euro außer acht, entspricht das einem Zuwachs von 28 Millionen Euro.
Investitionen für E-Autos und neue Technologien sowie der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt belasten Audi. Ebenso wie Neckarsulm ist auch das andere deutsche Werk in Ingolstadt nicht ausgelastet. Audi-Chef Bram Schot will 22 Milliarden Euro einsparen, um das Unternehmen wieder profitabler zu machen. Bis zum Jahresende strebt Audi eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat an.