Von Matthias Kros
Mannheim/Schwetzingen. Als der Mars-Rover "Perseverance" am 18. Februar nach 203 Flugtagen und 472 Millionen zurückgelegten Kilometern mit einem riskanten Manöver in einem ausgetrockneten See auf dem roten Planeten aufsetzte, wurde nicht nur bei der Nasa gejubelt. Auch bei dem amerikanischen Schmierstoffhersteller Nye Lubricants, dessen Produkte mit an Bord des Rovers sind, war die Freude groß. Daran erinnerte sich jedenfalls Stefan Fuchs, Vorstandsvorsitzender von Fuchs Petrolub, bei der Bilanzpressekonferenz wenige Wochen später in Mannheim.
Fuchs hatte das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Massachusetts, das Spezialschmierstoffe für die Raumfahrt und andere kritische Anwendungen in der Automobil-, Medizin- und Halbleiterindustrie herstellt, Anfang 2020 übernommen. "Das ist eine Akquisition, über die wir sehr froh sind", so Stefan Fuchs. Konkret geliefert habe Nye Lubricants einen sogenannten Barrierefilm namens "NyeBar Barrier Film", der nach Unternehmensangaben in erheblichem Maße dazu beiträgt, dass kein Öl zur Mastkamera des Rovers gelangt und die Bildqualität beeinträchtigt.
Fässer von dem Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub in einer Lagerhalle in Mannheim. Foto: dpaAm 30. Juli 2020 war "Perseverance" auf seine elliptische Reise zum Mars geschickt worden. Der rund 1000 Kilogramm schwere Mars-Rover ist in etwa so groß wie ein Kleinwagen. Den See mit einem Durchmesser von etwa 45 Kilometern, in dem er gelandet ist, soll er in den kommenden zwei Jahren auf Spuren früheren mikrobiellen Lebens untersuchen. Das geht nicht allzu schnell: Für 6,5 Meter brauchte der Rover in ersten Tests 33 Minuten.
Außerdem soll er Klima und Geologie auf dem Mars erforschen. Entwicklung und Bau des rund 2,5 Milliarden Dollar (etwa 2,2 Milliarden Euro) teuren Gefährts hatten acht Jahre gedauert. Der Rover verfügt über einen zwei Meter langen Roboterarm sowie insgesamt 19 Kameras und zwei Mikrofone. Außerdem hat "Perseverance" den ultraleichten Mini-Hubschrauber "Ingenuity" an Bord, der als erstes Fluggerät überhaupt auf einem fremden Planeten fliegen soll. Derzeit gehe das Team von einem Testflug Ende Frühjahr oder Anfang des Sommers aus, teilte die NASA mit.
Das Projekt war schon 2012 angekündigt worden, doch dieser lange Vorlauf ist für Nye Lubricants nichts ungewöhnliches. "Aufgrund der langen Entwicklungszeit, die für Raumfahrtprojekte erforderlich ist, können zwischen dem Verkauf eines unserer Schmierfette und dem tatsächlichen Projektstart mehrere Jahre liegen. Wir empfinden es immer als großartigen Erfolg, wenn wir erleben, dass diese Projekte dann tatsächlich realisiert werden", kommentiert das US-Unternehmen. Der NyeBar Barrierefilm aus Fluorkohlenstoff verhindere das Wandern von Öl und Korrosion und werde immer dann empfohlen, wenn Zuverlässigkeit und Schmierstoffmigration ein potenzielles Problem darstellten.
Dabei funktioniere ein Barrierefilm folgendermaßen: Wenn die Oberfläche eines Metalls oder eines anderen Festkörpers mit einem solchen stabilen, langlebigen Film versehen werde, lasse sich das Wandern von Flüssigkeiten auf dieser Oberfläche verhindern. Diese Beschichtung fungiere somit als Barriere um den mit einem Schmiermittel versehenen Bereich. Dadurch werde verhindert, dass das Öl migriere und dann benachbarte empfindliche Komponenten oder optische Systeme kontaminieren könne. Der Schmierstoff verfüge zudem über eine extrem niedrige Ausgasung, wodurch ein Beschlagen des Objektivs verhindert werden könne. Diese Eigenschaften spielten in Raumfahrtanwendungen eine wichtige Rolle, weil die Komponenten hier nicht routinemäßig gewartet werden könnten.
Es sei nicht das erste Mal, dass Nye-Produkte bei Raumfahrtprojekten eingesetzt würden, heißt es von Seiten der Amerikaner schließlich. NyeBar sei auch bei der Mastkamera des Mars-Rovers "Curiosity" eingesetzt worden, der 2011 auf den Weg geschickt wurde. Weitere Produkte von Nye Lubricants seien zum Beispiel für das James-Webb-Weltraumteleskop oder die Internationale Raumstation verwendet worden. Nye habe viel Zeit und Ressourcen in die Intensivierung seiner Forschungs- und Entwicklungsarbeit investiert. Letztes Jahr sei zum Beispiel ein neues Vakuum-, Raumfahrt- und Halbleiter-Testlabor eröffnet worden, das sich speziell der Formulierung und Validierung von Schmierstoffen für Vakuumanwendungen widme. Damit wolle man zusammen mit den Kunden aus der Raumfahrt, die an komplexeren Projekten arbeiten, weiterhin Innovationen liefern.
Und beinahe hätte es noch eine zweite Beteiligung an der spektakulären Mars-Mission aus der Rhein-Neckar-Region gegeben. Leider klappte es aber nicht: "Wir haben zwar viel an Rover-Entwicklungen gearbeitet, mehr noch an wissenschaftlichen Instrumenten, von denen auch welche auf ähnlichen Rovern untergebracht werden sollten, aber leider sind gerade diese Instrumente aus Gewichtsgründen gestrichen worden", sagte Josef Dalcolmo, Geschäftsführer bei dem Schwetzinger Raumfahrt-Unternehmen von Hoerner & Sulger (vH&S). "Wir haben derzeit keine Beteiligung bei Rover-Experimenten, hoffen aber auf eine eventuelle Beteiligung mit unserem Micro-Rover Nanokhod zum Beispiel bei einer zukünftigen Mondmission".
Das 1971 gegründete mittelständische Hochtechnologie-Unternehmen mit rund 20 Mitarbeitern entwickelt und fertigt Instrumente für die Raumfahrt. Die Produkte finden sich auf Satelliten, Raumfahrtsonden und auf der Internationalen Raumstation ISS. Sie dienen der Erforschung der Erde wie des Weltraums. Das Unternehmen ist ganz unauffällig nahe dem Schwetzinger Schloss untergebracht, hinzukommt ein spezieller Reinraum in der Nähe. Zu den Auftraggebern zählen Raumfahrt-Firmen, wissenschaftliche Institute sowie Raumfahrtagenturen wie DLR, ESA und NASA.
Sternstunde von vH&S war sicher die Rosetta-Mission der ESA, die als wichtiger Meilenstein zur Erforschung unseres Sonnensystems gilt. An Bord der 2004 gestarteten Ariane-Rakete war auch das in Schwetzingen gebaute Messinstrument Cosima, das die chemische Zusammensetzung des Staubes eines Kometen untersucht hat.
Der von Dalcolmo erwähnte "Nanokhod" ist mit "Perseverance"allerdings kaum vergleichbar. Er ist ein nur drei Kilogramm schwerer Rover, bei dem eine kleine Nutzlastbox zentral zwischen zwei Kettenkästen aufgehängt ist. Diese ermöglichen eine sichere Fortbewegung und sorgen dafür, dass sich "Nanokhod" aus jeder Position wieder aufrichten kann – etwa nach dem Sturz in einen Krater. Ausgerüstet mit den entsprechenden Instrumenten lassen sich so Bodenproben nehmen und direkt vor Ort analysieren. Eigentlich war "Nanokhod" für einen Einsatz auf dem Merkur ausgelegt, nun wird er aber für eine mögliche Mondmission vorbereitet.