Von Matthias Kros
Mannheim. Als Teil der hart getroffenen Tourismusbranche kämpfen derzeit viele Busunternehmen in Deutschland um ihre Existenz. Zwar dürfen die Reisebusse nach einem langen Stopp in Lockdown-Zeiten wieder fahren. Doch die Angst vor Ansteckung ist groß und die Reiselust entsprechend gering. Kein Wunder: Zahlreiche Fahrgäste an Bord eines Reisebusses – da liegt der Gedanke an ein erhöhtes Infektionsrisiko nahe. "Viele haben kein Interesse, sich mit Masken in den Bus zu setzen und Strecken zurückzulegen", sagte Uwe Bischoff, Vorstandsmitglied im Verband des Verkehrsgewerbes (VDV) Rheinland, kürzlich der Deutschen Presse-Agentur.
Selbst beim Hinweis auf eine Auslastung von nur 60 oder gar 40 Prozent eines Busses mit entsprechend großen Abständen und vielen freien Sitzplätzen sei das Echo "sehr verhalten". Da hilft es auch wenig, dass sich der technische Zustand der Busse laut aktuellem Tüv Bus-Report 2020 in Deutschland in den letzten zwei Jahren – von einem ohnehin schon sehr hohen Niveau aus – noch einmal weiter verbessert. Unter anderem sank im Vergleich zum letzten Report die Zahl der Fahrzeuge mit leichten Mängeln auf ein historisches Tief.
Der Bundesverband der Omnibusunternehmer (bdo) befürchtet dennoch eine Pleitewelle in der Branche. Rund 240.000 Jobs seien in Gefahr, wandte sich der Verband schon mehrfach hilfesuchend an die Bundesregierung. Von Mitte März bis Ende Mai hatte sie das Busreisen komplett verboten. Erst seit Sommer ist dies wieder möglich – zumindest eingeschränkt. Viele Busunternehmen haben ihre Fahrzeuge im Lockdown dennoch vorübergehend stillgelegt. Zumal die Branche laut einer Umfrage des bdo unter 591 Unternehmen damit rechnet, dass die Umsätze auch von September bis Dezember um 70 Prozent unter denen im Vorjahr liegen werden.
Nach Angaben des Verkehrsministeriums in Stuttgart sind in Baden-Württemberg derzeit rund 2100 Reisebusse zugelassen. Sie dürfen seit Mitte Juni wieder fahren, wenn Hygiene-Auflagen zum Corona-Virus einhalten werden. Die Fahrgäste müssen während der Fahrt beispielsweise eine Mund- und Nasenbedeckung tragen. Außerhalb des Busses und beim Ein- und Aussteigen soll der Abstand von mindestens 1,5 Metern eingehalten werden. Außerdem soll jeder Fahrgast einen festen Sitzplatz reserviert haben.
Fatal ist laut Bischoff außerdem, dass sich die 400.000 bis 500.000 Euro teuren Reisebusse auch kaum mehr gebraucht verkaufen ließen. "Wir haben einen Bus mit dem Baujahr 2016, der am 31. Januar 2020 noch mit einem Wert von 195.000 Euro ausgewiesen war. Jetzt will ein Unternehmen uns nur 90.000 Euro dafür zahlen. Eine Entwicklung, die auch die Hersteller der Reisebusse alarmieren muss. "Der Druck auf die Branche ist groß. Die Lage ist ernst", bestätigte zum Beispiel Daimler-Bus-Chef Till Oberwörder kürzlich im "Handelsblatt".
Der Autobauer leidet derzeit im Bus-Geschäft genauso wie seine Kunden. Die hohen Infektionszahlen in wichtigen Märkten wie Brasilien, Argentinien, Mexiko oder Indien machen der Sparte Daimler Buses, die auch einen großen Standort in Mannheim hat (Evobus), schwer zu schaffen. Und auch im Kernmarkt Europa geht es nur schleppend voran. Manche Unternehmen, die bei Daimler ihre Busse kaufen, dürften die Pandemie nicht überleben.
Oberwörder steht damit vor der schwierigen Aufgabe, das teils völlig daniederliegende Geschäft endlich wieder in Schwung zu bringen. Dabei geht es ihm in diesen Tagen auch viel darum, mit vermeintlichen Mythen aufzuräumen. So sei etwa die Frischluftzufuhr in Reisebussen weit besser, als gemeinhin angenommen werde. "Die vollautomatischen Klimaanlagen in unseren Reisebussen sichern bei einer gängigen Außentemperatur einen kompletten Luftaustausch alle zwei Minuten ab. Die Luft verlässt dabei auch tatsächlich das Fahrzeug", sagt der Manager.
Zum Vergleich: In einer Wohnung oder im Büro tausche sich die Luft nur in etwa alle zwei Stunden völlig aus. "Das zeigt, welchen Beitrag Technologie bei der Überwindung der Unsicherheit infolge der Pandemie leisten kann", meint Oberwörder.
Gustav Tuschen, Leiter Produktentwicklung und Beschaffung bei Daimler Buses, wirbt daher: "Mit modernsten Filtertechniken und einem überdurchschnittlich hohen Frischluftumsatz vereinen unsere Reisebusse seit jeher Sicherheit und Komfort auf höchstem Niveau. Unter anderem durch den Einsatz antiviraler Funktionsschichten konnten wir die Hygieneschutzmaßnahmen noch einmal deutlich steigern. Damit ist klar: Fahrer und Fahrgäste können auch während der Corona-Zeit, bei Einhaltung der gebotenen Abstands- und Mundschutz-Regeln, ohne Bedenken und mit einem sicheren Gefühl auf Reisen gehen", so Tuschen.
Auch eine Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) legt nahe, dass das Risiko, sich beim Busfahren mit Covid-19 anzustecken, vergleichsweise gering ist. Das RKI hat in rund 55.000 Fällen erfasst, wo sich die Deutschen infiziert haben. In Bussen haben sich demnach bei 13 Ausbrüchen 66 Personen das Virus eingefangen. Deutlich weniger als in privaten Haushalten oder am Arbeitsplatz. Solche Daten lassen die schwer gebeutelte Busbranche zumindest ein wenig hoffen.
Oberwörder weiß trotzdem um die Sorgen der Passagiere: Wer aktuell in einen Bus oder ein Flugzeug steigt, habe "unweigerlich Bedenken". Der Manager hat Verständnis dafür, dass sich Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie ungern zusammen mit Dutzenden anderen Menschen einkapseln lassen – auch wenn es nur für wenige Minuten ist. "Aber es gibt faktisch kaum eine Gefährdung, den Bus zu nehmen", ist Oberwörder sicher.
Der Daimler-Manager will Fahrgästen zumindest ein Stück weit die Angst nehmen und kündigt technische Neuerungen an. So setzt Europas führender Hersteller von Reise- und Linienbussen seit einigen Wochen in den Klimaanlagen seiner Serienfahrzeuge Hochleistungspartikelfilter ein. "Diese Filter haben eine antivirale Funktionsschicht. Selbst feinste Aerosole, die Viren übertragen, können damit gefiltert werden", sagte Oberwörder.
Saubere Hände: Die neuen kontaktlosen, sensorgesteuerten Spender für Desinfektionsmittel im Reisebus. Foto: zgBisher wurden in Klimaanlagen der Busse vorwiegend Grobfilter verbaut. Mithilfe der neuen Aktivfilter könne man das Reisen nun "sicherer machen", erklärt er. Sein Konzern verzeichne eine hohe Nachfrage bei dem System, mit dem auch Bestandsfahrzeuge nachgerüstet werden können. Um die Maßnahme auch für Passagiere kenntlich zu machen, soll jeder Bus mit Aktivfilter einen Aufkleber erhalten.
Darüber hinaus stattet Daimler seine Fahrzeuge mit sensorgesteuerten Spendern für Desinfektionsmittel, die an die Türdrehgestelle montiert werden können, aus. "Wir prüfen aktuell auch, ob wir die Oberflächen unserer Busse antiviral beschichten können", so Oberwörder im "Handelsblatt".
Doch auch die Busfahrer, die zwangsläufig in engen Kontakt zu ihren Fahrgästen kommen, gilt es zu schützen. Der Tüv-Verband hatte zuletzt regelrechte "Bastellösungen" aus transparenter Folie zum Schutz der Fahrer gegen Covid-19-Infektionen scharf kritisiert. "Der freie und äußerst wichtige Blick nach rechts wurde durch Falten und extreme Spiegelungen erschwert bis unmöglich gemacht", zitierte die "Welt am Sonntag" aus dem "Bus-Report" des Verbandes. "Dass es infolgedessen nicht zu schwersten Unfällen kam, dürfte purer Zufall sein."
So sollen Viren keine Chance haben: Daimler bietet in den Reisebussen serienmäßig Hochleistungs-Partikelfilter mit antiviraler Funktion an. Foto: zgAls erste Schutzmaßnahme gegen das Ansteckungsrisiko hatten viele Nahverkehrsunternehmen den Bereich der Fahrer nur provisorisch abgetrennt, mitunter mit durchsichtigen Duschvorhängen. Inzwischen werden in die Linienbusse professionelle Trennscheiben eingebaut. So auch Daimler Buses, der zunächst für den in Mannheim produzierten Stadtlinienbus Mercedes-Benz Citaro professionelle Fahrerschutztüren aus Sicherheitsglas und dem hochwertigen Kunststoff Polycarbonat entwickelt.
Aber auch die Fahrer von Reisebussen sollen vom gleichen Schutz profitieren wie ihre Kollegen vom ÖPNV. Jetzt sind daher ebenfalls Fahrerschutztüren für die aktuelle Baureihe des Mercedes-Benz Tourismo sowie der Setra ComfortClass 500 und den Doppelstockbus Setra S 531 DT bestellbar.