Bluechips

Anleger sollten an der Börse nicht zocken

Wer bei Bluechips ans Casino denkt, liegt zwar richtig. Doch Bluechips gibt es auch an der Börse. Was hat es damit auf sich?

09.09.2020 UPDATE: 09.09.2020 11:51 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden
Der Deutsche Aktienindex Dax ist ein Standardwerteindex. Ein anderer Name für solche Aktien ist Bluechips. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa-tmn​

Von Isabelle Modler

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben viele Anleger Aktien für sich entdeckt. Das zeigt unter anderem eine Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).

Besonders oft gekauft werden demnach Standardwerte, in diesem Fall Aktien aus dem Deutschen Aktienindex (DAX). Im Fachjargon werden Standardwerte auch oft als Bluechips bezeichnet. Doch lohnt sich ein Investment in solche Wertpapiere? Wichtige Fragen und Antworten:

Hintergrund

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Wem das zu viel ist, der kann sein Investment mit nur einem Wertpapier auf rund 1600 Aktienwerte verteilen. "So viele Titel umfasst beispielsweise der MSCI World", sagt Thomas Strelow von der Börse Düsseldorf. "Dieser Index gewichtet nach Marktkapitalisierung die größten börsennotierten Unternehmen verschiedener Branchen in den 23 Industrieländern." Mit einem Fonds, der diesen Index nachbildet, einem ETF, können Anleger an dessen Entwicklung teilhaben.

Strelow hat noch einen Rat: "Time schlägt Timing. Wer also ausreichend Zeit mitbringt und sein Geld breit gestreut an der Börse investiert hat, den interessiert ein kurzfristiges hoch und runter einzelner Werte nicht mehr." Mit einem Sparplan sei dies auch für kleinere Beträge umsetzbar.

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Woher stammt der Begriff Bluechip?

"Der Begriff kommt ursprünglich aus der Casinowelt", erklärt Thomas Strelow von der Börse Düsseldorf. "Was eigentlich nicht so zur Börse passt." Im Casino haben die blauen Jetons - auch Chips genannt - traditionell den höchsten Wert – ähnlich wie die Bluechips an der Börse, erzählt Strelow.

"Oft sind es Aktien von großen, umsatzstarken, meist auch dividendenstarken, Unternehmen", erklärt Thomas Mai von der Verbraucherzentrale Bremen. Doch hier enden auch schon die Gemeinsamkeiten zur Casinowelt. "Es gibt keine genaue Definition, welche Aktien zu den Bluechips zählen und welche nicht", gibt Mai zu. Oft fallen in diesem Zusammenhang auch Begriffe wie erstklassige Bonität oder hohe Ertragskraft.

"In der Regel sind es die Werte, die es in den Leitindex eines Landes geschafft haben, der oft als allgemeines Börsenbarometer gilt", erklärt Strelow. In Deutschland wäre dies der Deutsche Aktienindex - kurz Dax. In den USA beispielsweise der Dow Jones." Grundsätzlich gilt: Im Dax befinden sich die 30 größten börsennotierten deutschen Unternehmen. Entscheidend für die Aufnahme sind die Marktkapitalisierung und Handelsliquidität.

Was sind Beispiele für Standardwerte?

"Ein weltweit bekanntes Beispiel für Bluechips wäre IBM", sagt Mai. Die fünf größten Werte im Dax sind derzeit SAP, Linde, Siemens, Allianz und VW, ergänzt Strelow. Diese Unternehmen machen immerhin 45 Prozent der Gewichtung aus.

Wird eine Aktie als Standardwert bezeichnet, heißt das nicht, dass das immer so bleiben muss. Unternehmen können den Status auch wieder verlieren. "Die DAX-Mitgliedschaft basiert im Wesentlichen darauf, wie hoch der Markt die einzelne Aktie bewertet", sagt Strelow.

Das zeigen die Veränderungen im Dax in den vergangenen Jahren. ThyssenKrupp zum Beispiel war seit Gründung des Index 1988 gelistet, bis es 2019 dem Triebwerksbauer MTU Platz machen musste. "Auch Banken-, Versorger-, oder Autowerte gehörten früher - also in den 1990er Jahren - an der Börse zu den Topwerten", nennt Strelow weitere Beispiele. "Heute rangieren sie eher im Mittelfeld."

Was bringt ein Investment in Bluechips?

Bluechips haben ein hohes Handelsaufkommen. Das bedeutet: "Es sind meist Aktien, die rege gehandelt werden - Anleger können also jeder Zeit problemlos ein- oder wieder aussteigen", erläutert Strelow.

Und: "Da es sich um etablierte, umsatzstarke Unternehmen handelt, gibt es in der Regel keine extremen Kursschwankungen. Es sei denn die Nachrichtenlage treibt Kurse nach oben oder nach unten", sagt Strelow. "Ein Vorteil für Anleger, denn sonst müssten sie ständig den Markt beobachten und ihr Depot umkrempeln", sagt Mai.

Zudem schütten große Unternehmen klassischerweise auch eine Dividende aus. "Eine zusätzliche Einnahme für Anleger", erklärt Mai. Doch Vorsicht: Es gibt keine Garantie auf Dividendenauszahlungen, Gewinne oder ausbleibende Schwankungen, warnt Strelow.

Zumal manche Riesen eine andere Strategie verfolgen. "Ein Beispiel dafür wäre Amazon. Das Unternehmen weist zwar regelmäßig operative Gewinne aus, reinvestiert diese aber, um das Geschäft für die Zukunft zu sichern", gibt der der Börsenexperte zu bedenken.

Welche Nachteile können sich für Anleger bei Bluechips ergeben?

Häufig genannte Kritikpunkte: Große Unternehmen leben von der Vergangenheit. Sie seien träge, wenig innovativ, haben kein echtes Wachstum und wenig Potenzial für Kurssteigerungen, zählt Strelow auf.

Große Bewertungssprünge könnten Anleger wohl eher bei aufkommenden Wettbewerbern erwarten, etwa Startups, die erfolgreich neue Ideen auf den Markt bringen. "Allerdings ist bei kleinen, neuen Unternehmen das Risiko größer, dass sie insolvent gehen", sagt Mai.

Große Unternehmen haben am Markt oft ihre Existenzberechtigung. "Ihr Geschäftsmodell hat sich bereits etabliert und sie verfügen über genügend Kapital, um kleinere, erfolgreiche Wettbewerber zu übernehmen - und damit auch deren Ideen", sagt Strelow. Somit können Bluechips die Vorteile beider Welten vereinen. "Allerdings ist dies keinesfalls für die Zukunft garantiert", warnt der Börsenexperte.

Wie riskant sind Bluechips?

"Es ist immer ein Risiko in Einzelaktien zu investieren", sagt Verbraucherschützer Mai. Denn auch Kurse etablierter Aktiengesellschaften können unerwarteten Schwankungen unterliegen oder ein Unternehmen plötzlich Insolvenz anmelden."

Wichtig sei daher ein ausgewogenes Depot. "Sie sollten in unterschiedliche Werte sowie Branchen und Länder investieren. Je mehr, umso besser", sagt Mai. "Setzen Sie auf eine gute Mischung von Standard- und Nebenwerten." Auch Strelow warnt vor einem Klumpenrisiko - also einem einseitigen Investment. Wer zu viel in einen Wert oder eine Branche investiere, sei den Entwicklungen besonders stark ausgesetzt.