Keine Sturm-und-Drang-Zeit
TSG hadert wieder mit ihrer Chancenverwertung - Sturmduo Szalai und Belfodil zu unentschlossen

Niedergeschlagen: Reiss Nelson, Joshua Brenet und Ishak Belfodil (v.l). Foto: APF
Von Nikolas Beck
Sinsheim. Manchmal kann Fußball so einfach sein. "Woran hat fehlt es zurzeit", wurde Oliver Baumann am frühen Sonntagabend gefragt. Die simple Antwort des TSG-Torhüters: "An den Toren." Zugegeben, "Hoffes" Nummer eins machte selbst bei beiden Gegentreffern keine glückliche Figur. Aber das Kernproblem von 1899 ist ein anderes: Der Hoffenheimer Herbst ist alles andere als eine Sturm-und-Drang-Zeit.
Seit Wochen. Baumann stand der Frust ins Gesicht geschrieben, als er zum wiederholten Mal im Bauch der heimischen Rhein-Neckar-Arena über eine Niederlage referieren musste. "Sehr enttäuschend" sei das Ergebnis einmal mehr. "Wir hatten wieder so viele Chancen, so viele Möglichkeiten - und Frankfurt macht die Tore", sagte der 28-jährige Schlussmann, schüttelte den Kopf, ließ seine Blicke suchend an der Decke wandern. Tatenlos musste er über 90 Minuten aus seinem Strafraum mit ansehen, wie die Vorderleute Angriff um Angriff aufs Tor der Hessen liefen, den Ball aber nicht über die Linie brachten. "Für den Aufwand, den wir heute betrieben haben, war’s wieder viel zu wenig Ertrag." Einmal jubeln durften die "Hoffe"-Fans auf der Südkurve zwar am Ende doch noch. Unterm Strich aber trat die "Abteilung Attacke" von 1899 einmal mehr zu harmlos auf. "Wir hatten genügend Chancen in der ersten Halbzeit, den Gegner zumindest anzuknocken", ärgerte sich TSG-Trainer Julian Nagelsmann über die mangelhafte Durchschlagskraft.
Nagelsmann hasst es zu verlieren. Genauso sehr nervt es den 31-Jährigen, seit Wochen über dieselben Probleme sprechen zu müssen. Auch gestern war Fortuna nicht auf der Seite der TSG-Stürmer. Zweimal Aluminium, zweimal Frankfurts Hasebe, der den Ball von der Linie kratzt - und ein Sturmduo mit Adam Szalai und Ishak Belfodil, das zwar bemüht, aber zu unentschlossen agierte.
Was machen gegen die fehlende Kaltschnäuzigkeit, Kerem Demirbay? "Von alleine wird es nie im Leben besser laufen. Es muss jetzt jeder Einzelne Tag für Tag an sein Maximum gehen und mit aller Leidenschaft die Tore machen wollen - da fange ich bei mir selbst an", sagte der 25-jährige Mittelfeldmann. Aber wo ansetzen? "Schwierig: Vielleicht braucht der eine mehr Schlaf, der andere muss sich besser vorbereiten oder bestimmte Situationen einfach besser erkennen."
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Demirbays selbstkritischer Ansatz ist lobenswert - und angebracht. Denn die Torgefahr aus dem Mittelfeld war von Nagelsmann und Manager Alexander Rosen im Sommer als eine der größten Baustellen herausgearbeitet worden. Mit den Neuzugängen Leonardo Bittencourt und Vincenzo Grifo hoffte man, hier künftig besser aufgestellt zu sein. Letzterer steht aktuell neben sich, jagte den Ball gestern zweimal aus vielversprechender Situation auf die Tribüne. Und auch Bittencourt vergab zum wiederholten Male eine Hundertprozentige. Nach sieben Spieltagen steht "Hoffes" Schaltzentrale noch ohne Treffer da. Zu wenig, zumal die Sturmführer Adam Szalai und Joelinton ihr Pulver offenbar zu Saisonbeginn verschossen haben. Und Andrej Kramaric? Der kam gegen Manchester von der Bank, gegen Frankfurt blieb er auf dieser - trotz Rückstand - sogar 90 Minuten lang sitzen. Von seiner WM-Form ist der kroatische Vizeweltmeister aktuell meilenweit entfernt. Nagelsmann brachte das Dilemma auf den Punkt: "Die Gegner kommen mit sehr wenigen Chancen zu meist doppelt so vielen Toren wie wir mit sehr vielen." Und wenn der Gegner mehr Tore schießt, gewinnt man nicht - Fußball kann so einfach sein.