Huub Stevens spricht im RNZ-Interview über die Hoffenheimer Komfortzone

Hoffenheims Trainer Huub Stevens glaubt, dass auch der Umgang mit der TSG-Komfortzone erlernt sein will

13.11.2015 UPDATE: 14.11.2015 06:00 Uhr 3 Minuten, 22 Sekunden

Sucht die Nähe zu den Jungs: Huub Stevens gibt Eduardo Vargas Anweisungen. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Für Hubertus Jozef Margaretha "Huub" Stevens (61) ist der hiesige Bundesligist TSG 1899 Hoffenheim die zehnte Station als Profitrainer - klar, dass der Niederländer mit allen Wassern gewaschen ist. Nach seinem Engagement beim Hamburger SV 2007/2008 ging der einstige Innenverteidiger davon aus, dass es zugleich sein letztes Engagement in Deutschlands Beletage war. Stevens sollte sich täuschen. Nachdem der Ex-Baumeister der TSG, Ralf Rangnick, wegen eines Burnout-Syndroms am 22. September 2011 zurückgetreten war, feierte er ein spätes Comeback beim FC Schalke 04. Die Königsblauen hatte der Sohn eines Grubenarbeiters bereits von 1996 bis 2002 trainiert. 2014 und 2015 rettete Stevens den VfB Stuttgart als "Feuerwehrmann" vor dem Abstieg.

Im ersten Teil des RNZ-Interviews sprach der derzeit älteste Liga-Trainer darüber, wie er "Hoffe" retten möchte. Im zweiten Teil betrachtet er mit mit kritischem, aber wohlwollendem Blick die Tücken der Hoffenheimer Komfortzone. Letztendlich sei der Erfolg (s)einer Mannschaft vorwiegend Kopfsache.

Herr Stevens, Sie haben kurz nach Ihrem Amtsantritt beim Kraichgauklub angekündigt, dass Sie das TSG-Team "von hinten heraus" aufbauen wollen. Wann ist die defensive Stabilität so gut, dass die Mannschaft auch wieder ihre offensiven Qualitäten ausspielen und attraktiven Fußball zeigen kann, wie ihn Hoffenheim eigentlich spielen möchte?

(Lacht) Ich hoffe gestern. Spaß beiseite: Wenn die offensiven Spieler nur nach hinten denken müssen, wird es nicht funktionieren. Die Offensiven müssen so frei im Kopf sein, dass sie auch nach vorne denken und spielen können. Das heißt, dass die Defensive der Mannschaft die Sicherheit geben muss, um wieder befreit nach vorne spielen zu können. Daran arbeiten wir.

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Kevin Volland hatte, bevor Sie kamen, davon gesprochen, dass der Mannschaft nach 60 oder 70 Minuten die Kraft fehlen würde, was ja die vielen späten Gegentore belegen. Haben Sie den Eindruck, dass auch ein Fitnessproblem vorliegt?

Ich kann mich nur auf die letzten beiden Spiele beziehen. Im ersten Spiel in Köln waren wir noch bis zur letzten Minute in Gefahr, im zweiten Spiel gegen die Eintracht war es klipp und klar so, dass die Frankfurter müder waren als wir.

Für eine delikate Mission Klassenerhalt braucht man "echte Kerle" und Leitfiguren. Hat Hoffenheim Ihrer Einschätzung nach solche Typen?

Leitwölfe von früher wie etwa Matthäus, Netzer, Cruyff oder Wouters sind heute nicht mehr vorhanden. Als ich noch aktiv war, haben wir Spieler Entscheidungen auf dem Platz und während des Spiels getroffen. Die heutige Generation an Spielern hat all diese Freiheiten nicht mehr. Ich glaube, alles ist dank der Computer und Handys schwieriger und komplexer geworden. Als ich selbst 16 Jahre alt war, haben mir der Trainer und der Manager meines damaligen Klubs in Sittard einen Vertrag und 1500 Gulden (Anmerkung der Redaktion: Rund 700 Euro) angeboten. Ich war damals so wahnsinnig stolz. Heute bieten sie einem 16-Jährigen gleich direkt einen satten Vertrag an, doch die Frage ist doch: Wie geht der Junge damit um? Man muss Verständnis dafür entwickeln, wie die jungen Spieler aufwachsen.

Hoffenheim steht momentan ganz unten in der Tabelle - mit jüngeren und älteren Profis …

Das war so nicht vorauszusehen. Eigentlich ist das etwas völlig Normales, du hast immer Hochs und Tiefs im Sport. Hier in Hoffenheim ist es von null auf hundert gegangen. Das Problem ist, dass man solche Phasen nicht akzeptieren will.

Die komfortablen Rahmenbedingungen hier im Trainingszentrum von Zuzenhausen haben Champions-League-Niveau. Haben Ihre Spieler verinnerlicht, wie gut es ihnen geht?

Genau das habe ich den Spielern gesagt. Ich glaube, es gibt in Deutschland keine acht Vereine, die solch phantastische Möglichkeiten haben. Aber: Du musst damit umgehen können. Im Unterbewusstsein hat sich womöglich festgesetzt, vielleicht mache ich einen Schritt weniger, das tut es doch auch. Allerdings ist kein einziger Spieler dabei, der verlieren möchte.

Sie trainieren gerade mit reduziertem Kader, elf Akteure sind mit diversen Nationalteams unterwegs …

Es ist sehr schade, dass die Jungs weg sind. Ich habe ihnen mit auf den Weg gegeben: Kommt besser zurück! Mal sehen, wie sie nach zehn Tagen drauf sind (lacht).

Bis zur zweiten Transferperiode im Winter ist es noch eine Weile hin. Sehen Sie Nachbesserungsbedarf?

Wir haben noch nicht darüber gesprochen. Ich möchte erst einmal den Spielern, die wir haben, die Chance geben, ihre Qualitäten zu zeigen. Die Mannschaft steht nicht von ungefähr da unten. Die entscheidende Frage ist: Kriegst du das als Trainer hin? Ich glaube ja, aber als Trainer bist du unterm Strich immer abhängig von den Spielern.

Wie wichtig sind gerade in Phasen, wo es nicht läuft, die eigenen Fans?

Ich verstehe das Publikum, wenn die Mannschaft nicht das zeigt, was sich auch die Fans erhofft haben. Im Moment müssen sie noch mehr hinter der Mannschaft stehen, um behilflich zu sein. Wir als Team müssen Zeichen setzen fürs Publikum. Wenn du ängstlichen Fußball zeigst, dann können die Leute nicht mitgehen. Ich habe mal gelernt: Angst ist ganz schlecht, doch Überheblichkeit ist noch schlechter. Zwischen diesen beiden Faktoren musst du als Mannschaft die Balance finden.

Hoffenheim und Hightech, das ist dank des Walldorfer Software-Unternehmens SAP ein Sinngefüge. Nutzen Sie die technischen Möglichkeiten?

Ich bin vielleicht etwas älter als alle anderen Trainer (lacht). Doch ich war übrigens einer der Ersten in der Bundesliga, der eine eigene Datenbank hatte, als ich zwischen 1996 und 2002 das erste Mal auf Schalke war. Ich genieße es regelrecht, wenn ich Statistiken sehe. Ich nutze auch immer die technischen Hilfsmittel. Aber ich gucke auch ganz genau hin und analysiere. Glauben Sie mir: Das Meiste bei den Spielern passiert zwischen den Ohren!

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