1899-Trainer Stevens: "Ich versuche, immer ehrlich zu sein"

Wie Hoffenheims Trainer Huub Stevens mit seiner direkten Art das Team im Abstiegskampf erreichen will

12.11.2015 UPDATE: 13.11.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden

Wegweiser: "Der Kader hat Qualität, aber er hat auch bestimmte Qualitäten nicht", sagt Trainer Huub Stevens über die TSG 1899. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Huub Stevens (61) hat am 27. Oktober sein erstes Training beim Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim geleitet, nachdem sein Vorgänger Markus Gisdol (46) tags zuvor entlassen worden war. Mit zwei torlosen Remis beim 1. FC Köln und zu Hause gegen Eintracht Frankfurt verlief der Einstand des hemdsärmligen Niederländers durchwachsen. Stevens soll "Hoffe", so seine Mission, vor dem drohenden Abstieg retten. Dies kann nur mit Fingerspitzengefühl, akribischer Arbeit und vorgelebter Professionalität gelingen.

Am Donnerstag schrieb Stevens innerhalb von zwei Stunden 1500 Autogramme. "Ich bin das von Schalke her gewohnt", sagte er beim großen RNZ-Interview am Donnerstag lächelnd. Im ersten Teil des Gesprächs verrät der Routinier, wie er das verunsicherte Kollektiv anpacken möchte. Humorig geht Stevens mit seinem Image als harter Hund um.

Herr Stevens, in den ersten 17 Arbeitstagen hier in Hoffenheim haben Sie viel von Spaß gesprochen und haben viel gelacht. Sind Sie eigentlich gar nicht der "Knurrer von Kerkrade", so wie Sie in der Öffentlichkeit stets bezeichnet und dargestellt werden?

(Lacht) Ich finde das super, wenn dich andere Leute charakterisieren, ohne dich zu kennen.

Also sind Sie ein anscheinend spaßiger Mensch?

Ich sage auch zu meinen Spielern: Spaß und Lockerheit müssen sein. Aber vielleicht ist es nicht mehr so spaßig, wenn wir mal verlieren. Im Ernst: Spieler sind Menschen, und Menschen haben Gefühle und Emotionen. Ich versuche, Spaß im Ernst der Sache zu vermitteln.

Hat Ihre Art zu arbeiten, auch damit zu tun, dass Sie inzwischen kurzfristige Engagements annehmen und als Geschäftsmodell für sich entdeckt haben?

Ja und nein. Auch wenn ich nur kurzfristig bei einem Verein arbeite, will ich, dass ein Spieler sich entwickelt. Spieler sollen erkennen, dass sie sich auch in Zukunft noch verbessern können, auch wenn es derzeit nicht so bei ihnen läuft. Ich bin immer offen zu den Menschen.

Welche Hauptursachen haben Sie denn ausgemacht, dass Hoffenheim derzeit nur Tabellenvorletzter ist?

Man könnte über so viele Dinge sprechen. Aber in unserer Situation müssen wir über positive Sachen reden. Deshalb habe ich nach dem Spiel gegen Frankfurt auch gesagt, dass wir im Vergleich zum Spiel in Köln auch Dinge besser gemacht haben.

Welche waren das genau?

Wir sind in der defensiven Organisation schneller und besser gestanden als in Köln. Die Chancen, die Frankfurt hatte, sind meistens aus anderen Gründen entstanden als die, die Köln hatte. Auf der anderen Seite habe ich gelesen, dass wir jetzt mehr auf Ballbesitz spielen. Das ist aber nicht wahr. Ich will auch schnell nach vorne spielen lassen - aber in diesem Bereich habe ich uns noch nicht so gut gesehen.

Sie haben immer wieder betont, dass den Spielern das Selbstbewusstsein fehlt. Wie ist da Ihre psychologische Vorgehensweise?

Ich versuche, immer ehrlich zu sein. Du darfst der Mannschaft nichts vormachen, sonst läufst du als Trainer gegen eine Wand.

Wie kann man sich das vorstellen? Wenn ein Spieler nicht im Kader ist, muss man es ihm als Trainer halt sagen; das ist doch immer ehrlich, oder?

Ja. Das ist aber einfach gesagt. Auch der Profi hat seine Gefühle und Emotionen. Du musst bei jedem Spieler anders und sehr feinfühlig herangehen.

Diesbezüglich gibt es ja sehr viele verschiedene Möglichkeiten. Jürgen Klopp hat zum Beispiel auch mit den Reiss-Profilen gearbeitet ...

Das habe ich früher auch. Ich habe aber nur bestimmte Dinge davon genutzt. Heute tue ich das nicht mehr.

Das heißt im Umkehrschluss, dass Sie sich in den psychologischen Dingen heute mehr auf Ihr Bauchgefühl und Ihre vielschichtigen Erfahrungen verlassen?

Auch, aber nicht immer. Die Erfahrung ist dazu da, den Spielern zu verdeutlichen, was gefordert ist. Den einen kann man etwas härter anfassen, beim anderen muss man sanfter vorgehen. Das gilt aber nicht nur für die Spieler, sondern auch für das Trainerteam und den Betreuerstab. Auch die gehören dazu.

Gibt es aus Ihren vorigen Stationen als "Retter" Parameter, die Sie immer anwenden, weil Sie wissen, dass sie stets funktionieren?

Ja, das kann sein, geschieht aber nicht bewusst. Ich schaue immer, wie der Kader zusammengestellt ist und wie die Spieler füreinander und miteinander reagieren.

Welche Eindrücke haben Sie da ganz konkret bei der TSG 1899 Hoffenheim bislang gesammelt? Ist dieser Kader gut und richtig zusammengestellt?

Der Kader hat Qualität, aber er hat auch bestimmte Qualitäten nicht.

Welche nicht?

(Lacht) Geben Sie mir viel Geld, dann brauchen wir darüber nicht mehr zu sprechen. Nein, wir werden versuchen, das mit diesen Spielern hier hinzubekommen. Wenn ich im Training ab und an das Positionsspiel sehe, da staune ich nicht schlecht. Es hapert daran, diese Qualität auch auf den Platz zu bringen.

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