Fanmarsch wurde zu einem Triumphzug
600 TSG-Anhänger feierten den Saison-Gipfel mit einem Defilee durch die Stadt – Dortmunder wurden aus Konfliktzone gelotst

Die TSG-Fans bejubelten eine "geile Saison", die schließlich mit der Teilnahme an der Champions League gekrönt wurde. Foto: Günther Keller
Von Günther Keller
Sinsheim. Die Sause begann um die Mittagszeit in der Innenstadt und war nach dem Abpfiff fünf Stunden später noch lange nicht zu Ende: Fast auf den Tag genau fünf Jahre nach dem Elfmeter-Drama mit einem 2:1-Sieg in Dortmund, mit dem die TSG Hoffenheim letztlich die Klasse rettete, und zehn Jahre nach dem Aufstieg in die Bundesliga wird der 12. Mai 2018 mit dem Einzug in die Königsklasse des europäischen Fußballs abermals in die Annalen des Dorfclubs eingehen. Dietmar Hopp sprach vom "fünften oder sechsten Wunder" in der Bundesliga-Geschichte des Clubs; die Fans fanden’s "einfach nur geil".
Für die Sinsheimerin Stefanie Nauert, die seit neun Jahren in Hannover lebt und arbeitet, hat sich die Fahrt von Niedersachsen in den Kraichgau jedenfalls gelohnt. Sie tippte auf ein 1:0, als sie sich in die Schar der knapp 600 TSG-Anhänger einreihte, die den gemeinsamen Spaziergang von der Bahnhofstraße in die Neulandstraße zum "Marsch nach Europa" machten. "Heimatverbundenheit" war ihr Motiv - und die Liebe zu 1899. Vielleicht, so träumte Stefanie Nauert, könnte einmal eine Fanfreundschaft zwischen dem Hoffenheimer und dem Hannoveraner Club erwachsen.
Wie das letzte Rundenspiel ausgehen würde, war für den Reihener Tim Dotteret zunächst einmal zweitrangig: "Das war so oder so eine wahnsinnige Saison" - angefangen mit den Begegnungen gegen Liverpool, mit dem Durchhänger nach der Winterpause und mit dem Abschluss gegen Dortmund.
Stehtribünen-Dauergast Wolfgang Franke aus Bad Rappenau hatte nie und nimmer erwartet, dass sich die TSG nach dem doch frühen Aus im Europapokal noch dermaßen berappelt. "Das beflügelt natürlich die Stimmung im Block", hat er festgestellt. Die Fanszene sei zwar immer noch "sehr sensibel", was den Auftritt der Nagelsmänner angehe, aber deutlich gefestigter als in den Jahren zuvor. "Wenn es auf dem Rasen gut läuft, dann sind wir Fans natürlich euphorischer", weiß auch Torsten Hartl. Der Urvater des Hoffenheimer Fanwesens konnte den dritten Platz in der Abschlusstabelle kaum fassen: "Der Wahsinn geht weiter."
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Während Hartl auf seinem blauen Roller in Richtung Stadion unterwegs war, stimmte sich das blau-weiße Defilee durch Sinsheim per Fuß und mit Schlachtgesängen auf die wiederum schicksalhafte Partie gegen die Dortmunder ein. Trommelschläge und das obligatorische "Hoffenheim olè", abwechselnd skandiert mit "Europa-Pokal", bildete die Begleitmusik zum fröhlich-lauten, aber durchweg friedlichen Aufmarsch, der zeitweise in dichten blauen Rauch gehüllt war. Aufmunternden Beifall gab es von Zaungästen entlang der Wegstrecke.
Nur einmal drohte Gefahr im Verzuge: Als sich die Blauen noch vor dem alten Rathaus sammelten, spuckte ein halbes Dutzend Busse in Höhe der Stadthalle rund 300 Schwarz-Gelbe aus. Sie wollten im nahen Freibad baden gehen. Die Polizei, die schnell mit starken Kräften vor Ort war, komplimentierte die Dortmunder aus der Hoffenheimer Aufmarschzone.