Bergab, bergauf - und fast alle happy: Hoffenheim und Freiburg trennen sich mit 1:1

Schiedlich-friedliches Unentschieden sowie emotionale Enge im badischen Derby zwischen dem SC Freiburg und der TSG 1899 Hoffenheim

12.03.2017 UPDATE: 13.03.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Passgenau Richtung Torwinkel: Freiburgs Torhüter Alexander Schwolow blickt machtlos dem Kunstschuss von Andrej Kramaric hinterher ...

Von Joachim Klaehn

Freiburg. Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit - die Begegnung mit einem alten Fußballstadion, das kurz nach der Fußball-WM 1954 eingeweiht worden war. Am Schwarzwald-Stadion, ehemals Dreisamstadion, nagt der Zahn der Zeit. Vier schlichte Tribünenseiten, die nicht miteinander verbunden sind, Pfeiler als Sichtbehinderung, die alte Stadionuhr auf der Südflanke, keine Logen, eine insgesamt bescheidene Infrastruktur inklusive Mixed Zone und Presseraum im Miniaturformat. Die Fußballprofis agieren hier mit einer jährlichen Sondergenehmigung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) auf dem kleinsten Feld der Bundesliga, 100,5 Meter lang und somit 4,5 Meter zu kurz, sowie 68 Meter breit. "Der Platz ist wie ein Viereck und hat eine kleine Schräge drin", hatte sich Hoffenheims Innenverteidiger Niklas Süle vorab auf das "Abenteuer" eingestimmt. Thomas Tuchel sprach vor dreieinhalb Jahren als Trainer des FSV Mainz 05 gar von einer optischen Täuschung, das Terrain komme "einem quadratisch vor."

Hintergrund

Einzelkritik: Hoffenheim-Freiburg

Baumann: Hielt das, was zu halten war. Starker Reflex gegen Philipp (39.). Hatte Pech bei dessen Elfmeter - und Glück bei Haberers Pfostentreffer.

Toljan: Nach längerer

[+] Lesen Sie mehr

Einzelkritik: Hoffenheim-Freiburg

Baumann: Hielt das, was zu halten war. Starker Reflex gegen Philipp (39.). Hatte Pech bei dessen Elfmeter - und Glück bei Haberers Pfostentreffer.

Toljan: Nach längerer Verletzungspause zurück in der Startelf. Ihm fehlt der Rhythmus. Zu wenige Flanken, zu wenig Offensivgefahr über außen.

Süle: Strahlte Sicherheit aus. Kompaktes Zweikampfverhalten und präzise Pässe im Aufbauspiel.

Vogt: Gewohnt zuverlässig. Verursachte freilich gegen Niederlechner den Strafstoß (zugleich fünfte Gelbe Karte), was ihn selbst am meisten ärgerte.

Hübner: Ließ nichts anbrennen. Mitbeteiligt am Ausgleich von Kramaric. Wegen seiner Erkältung von Nagelsmann rausgenommen.

Zuber: Engagierte Vorstellung. Versuchte es mit Distanzschüssen. Auffälliger als Toljan.

Rudy: 200. Bundesliga-Einsatz in Freiburg. Umsichtiger Ballverteiler im zentralen Mittelfeld.

Demirbay: Blieb deutlich unter seinen Möglichkeiten. Ihm mangelte es diesmal an Genauigkeit und Durchsetzungsvermögen.

Amiri: Bienenfleißig. Die letzte Konsequenz fehlte ihm aber. Überflüssig sein Hang zur Theatralik.

Wagner: "Enfant terrible" und erster TSG-"Abwehrspieler" im Sturmzentrum. Schonte weder sich noch die SC-Gegenspieler.

Kramaric: Gefährlichster Hoffenheimer. Schlug manchmal ein, zwei, drei Haken zu viel. Sehenswert, ja spektakulär sein 1:1 in den rechten Winkel.

Bicakcic: Fügte sich reibungslos in die Kette ein.

Szalai: In der "Jokerrolle" - keine nennenswerte Aktion.

Terrazzino: Kam spät für Amiri. Deshalb ohne Wertung. jog

[-] Weniger anzeigen

Beim Kultverein SC Freiburg anzutreten, ist nach wie vor eine besondere Herausforderung, nicht allein wegen des Gefälles von rund einem Meter zwischen Süd- und Nordtribüne. Sondern weil hier unverändert eine emotionale Enge herrscht, die automatisch zu einer hitzigen Atmosphäre führt.

So war es auch am Samstagnachmittag im Breisgau. Der SC Freiburg und die TSG 1899 Hoffenheim schenkten sich vor 24.000 Augenzeugen im ausverkauften Spaßtempel nichts. Das Kräftemessen zwischen Süd- und Nordbaden endete 1:1 (0:0) nach 92 aufregenden Minuten. Ein schiedlich-friedliches Resultat, das die Gemüter beruhigte. "Die hen a gueti Mannschaft", sprach ein älterer Sportclub-Fan beim Nachhauseweg durchs benachbarte Wohngebiet ungewohntes Lob für die Gäste aus.

Fast alle waren happy - was nicht nur an den Frühlingsboten in der lebensfrohen Unistadt lag. Die Hausherren konnten nach den Heimniederlagen gegen Leipzig (1:4), Bayern (1:2) und den BVB (0:3) endlich Zählbares gegen ein Top-vier-Kollektiv mitnehmen. "Genau das war heute unsere ganz große Motivation", sagte SC-Kapitän Julian Schuster. "Ich bin sehr zufrieden. Mehr können wir nicht abspulen", ergänzte Freiburgs Trainer-Original Christian Streich.

Wie erwartet wurde es ein intensives Duell für Taktikfreaks und Fußballseminar-Teilnehmer. Sowohl der SC als auch die TSG stellten mehrfach ihr System um. Hoffenheim wirkte meist dominant, versäumte es freilich, die Überlegenheit des ersten Abschnitts mit dem Führungstreffer zu dokumentieren. "Wir haben ein gutes Auswärtsspiel gemacht", resümierte "Hoffes" Cheftrainer Julian Nagelsmann, "es ist ja nicht so schlimm, wenn wir als Hoffenheim 1:1 in Freiburg spielen. Gefehlt haben mir lediglich Wucht und Präzision aus der zweiten Reihe."

Bis auf eine Ausnahme: Dem Kroaten Andrej Kramaric gelang nach der Führung von Maximilian Philipp (56./im Nachschuss eines vergebenen Foulelfmeters) ein Traumtor. Der feine Techniker tanzte am Strafraumeck zwei, drei Freiburger aus und traf den Ball perfekt zum 1:1 (60.). "Ein Sonntagsschuss", so SC-Torhüter Alexander Schwolow hinterher achselzuckend und voller Anerkennung, "das ist eben individuelle Qualität." Kramaric selbst ordnete das Kunstwerk als "Moment der Inspiration" ein, "es ist eines der schönsten Tore in meiner Karriere." Dennoch fiel für den Mann mit der Nummer 27 ein Wermutstropfen in den Freudenbecher: "Wir hätten das Ding gewinnen sollen."

Während Kramaric grummelte, hielt sich der Ärger bei Nagelsmann trotz des verpassten Sprungs auf Platz drei am Wochenende in Grenzen. "Tabellarisch bereitet mir das kein Kopfzerbrechen, dass wir jetzt mal zwei Punkte liegen gelassen haben", sagte Nagelsmann gnädig. Für ihn zählte primär die taktische Umsetzung und die Leistung im "Hexenkessel" Schwarzwald-Stadion.

Hoch und runter ging’s in der schiefen Arena, flankiert von der Dreisam und umgeben von idyllischen Tannen. Mal bergab, mal bergauf - mit beidseitiger Leidenschaft, gesunder Härte und Spielfreude. "Wir sind hier aufgetreten wie eine Spitzenmannschaft", strahlte TSG-Manager Alexander Rosen nach überstandener Bewährungsprobe. Womöglich war Hoffenheims Sportdirektor auch aus anderen Gründen gut drauf. An Freiburgs Top-Vorbereiter Vincenzo Grifo, auf dessen Fähigkeiten Streich zunächst überraschend verzichtete, soll "Hoffe" dran sein und ein Vorkaufsrecht besitzen. Auf Nachfrage sagte Rosen: "Vincenzo ist für jeden Bundesliga-Verein interessant, außer Bayern und Dortmund vielleicht." Dabei grinste der verantwortliche Kader-Architekt vielsagend.

In seinem Trolli, den Rosen hinter sich herzog, hätten sicherlich noch drei Auswärtszähler aus Freiburg Platz gehabt. Doch wozu sollte der kongeniale Part von Erfolgscoach Nagelsmann schlecht drauf sein? Hoffenheim steht schließlich vor den letzten zehn Saisonauftritten hoch im Kurs, die Zukunftsaussichten sind ausgezeichnet.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.