Zunehmend werden Entscheidungen, wie auch gestern in Dresden, nicht auf dem Rasen, sondern am Bildschirm getroffen. Foto: dpa
Von Wolfgang Brück
Dresden. Martin Fraisl ist während seiner Zeit in Rumänien durch eine harte Schule gegangen. Nach einer Niederlage, erzählt der Torwart, habe der Präsident gedroht, dass er den Verein abbrennen und sich einen neuen kaufen würde.
Jürgen Machmeier kann das Feuerzeug in der Tasche lassen. Abgesehen davon, dass der Sandhäuser Klubchef sein Temperament meistens im Griff hat, im brandgefährlichen Spiel gestern Nachmittag beim Schlusslicht Dynamo Dresden leistete auch Martin Fraisl seinen Beitrag, dass am Hardtwald am zweiten Adventssonntag nur die Kerzen auf dem Kranz brennen.
Erst gegen Moussa Koné und dann gegen Luka Stor verhinderte der Torwart ein spätes Dresdner Siegtor (82.). Die Gastgeber waren durch Aleksander Jeremereff früh in Führung gegangen (5.). Die Kurpfälzer konnten durch Robin Scheu ausgleichen (30.).
Sandhausen blieb damit im sechsten Spiel in Folge ungeschlagen, konnte aber auch im sechsten Auswärtsspiel hintereinander nicht gewinnen. Martin Fraisl brachte die Stimmung auf den Punkt: "Wir haben unser Minimalziel erreicht. Aber ganz glücklich sind wir nicht."
Positiv: Ein Rückstand führt nicht mehr fast zwangsläufig zur Niederlage, wie das früher war. Vorbei sind auch die Zeiten, als der Dorfklub mit der Absicht anreiste, einigermaßen heil wieder nach Hause zu kommen. "Hinten drin stehen und nur mit langen Bällen nach vorne, das war einmal", sagt Trainer Uwe Koschinat mit berechtigtem Stolz.
Sandhausen gab am gestrigen Sonntag über weite Phasen den Ton an. War fußballerisch besser, was nicht nur in etwas mehr Ballbesitz (57 Prozent), sondern vor allem auch in der Zahl der gelungenen Zuspiele (314:199) zum Ausdruck kam.
Die Stärke war aber auch Schwäche. "Hier noch ein Pass, da noch ein Pass. Wir hatten zu wenige Abschlüsse", bemängelte der Sportliche Leiter Mikayil Kabaca. Das gilt vor allem für die zweite Halbzeit, als sich die Sandhäuser zunehmend verzettelten, den Hausherren aber auch nichts einfiel. "Das Unentschieden geht dann wohl in Ordnung", murmelte der enttäuschte Interims-Trainer Heiko Scholz. Nächsten Sonntag in Osnabrück soll der Ex-Karlsruher Markus Kauczinski den Dynamo anwerfen. Auch Heiko Herrlich und Sandro Schwarz sind im Gespräch.
Es war ein Spiel, das reichlich Zeit ließ, um über Gerüchte zu reden. Die wenigen Höhepunkte: Kevin Broll, der Mannheimer im Dresdner Tor, machte das, was er am besten kann: Er wehrte einen Strafstoß von Aziz Bouhaddouz ab (30.). Während seiner vier Spielzeiten in Großaspach hat Broll mehr Elfer gehalten als drin waren. Nicht nur deshalb hätte Sandhausen den Landsmann gerne verpflichtet. Doch weil es mit dem Klassenerhalt zu lange dauerte, entschied sich der 24-jährige Kurpfälzer fürs Exil.
Dem Elfmeter lag eine Entscheidung mittels Videobeweis zu Grunde. Wer genau schaute, konnte erkennen, dass Florian Ballas der Achillesferse von Kevin Behrens zu nahe gekommen war.
Es war ausgleichende Gerechtigkeit. Zuvor wurde ein Tor von Behrens nicht anerkannt, weil sich der Sandhäuser vermutlich am Morgen nicht die Fußnägel geschnitten hat (14.).
"Ich bin gegen den Videobeweis", sagt Kapitän Dennis Diekmeier, "aber was soll man machen?" Zum Glück wusste es Robin Scheu, der den Elfer im Nachsetzen verwandelte. Könnte sich Koschinat einen Spieler backen, es käme einer wie Scheu heraus: Unerschrocken, motiviert bis in die Haarspitzen, ein Kraftpaket.
Leider verletzte sich der 24-jährige Außenläufer später. Heute in Heidelberg soll im MRT geklärt werden, wie schwer die Muskel-Verletzung im Oberschenkel ist. Am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) gegen den Hamburger SV wird Scheu fehlen. Koschinat ist trotzdem überzeugt: "Es wird wie schon gegen den VfB Stuttgart ein Fußballfest."
Dresden: Broll - Kreuzer, Ballas, Ehlers, Löwe - Jannik Müller (78. Burnic), Nikolaou - Kone, Atik, Klingenburg (70. Stor) - Jeremejeff.
Sandhausen: Fraisl - Diekmeier, Nauber, Zhirov, Dieckmann - Paurevic - Scheu (61. Frey), Linsmayer - Halimi (76. Biada) - Behrens, Bouhaddouz (86. Türpitz).
Schiedsrichter: Cortus (Röthenbach); Zuschauer: 26.019; Tore: 1:0 Jeremejeff (5.), 1:1 Scheu (30.); Besonderes Vorkommnis: Broll hält Foulelfmeter (nach Videobeweis) von Bouhaddouz (30.).