Von Wolfgang Brück
Sandhausen. Die Profis trotteten in die Kurve zu den knapp 300 traurigen Fans aus der Heimat. Mit hängenden Schultern und gesenkten Köpfen. Ein Büßergang am Böllenfalltor. Das 0:1 bei Darmstadt 98 durch ein Tor von Immanuel Höhn (59.) war die dritte Niederlage des SV Sandhausen hintereinander. Und – nach dem 0:2 in Nürnberg und dem 0:1 gegen Heidenheim – das dritte torlose Spiel. Verlieren die Kurpfälzer am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) auch das Derby gegen den Karlsruher SC, würde der Vorsprung des Rangelften auf die Abstiegszone auf drei oder vier Punkte schrumpfen.
"Bei uns ist ganz schwer der Wurm drin", stellte Denis Linsmayer fest. Den ehemaligen Kapitän muss man fragen, wenn man nicht nur Floskeln hören will. "Linsi" legt den Finger in die Wunde. Er sagte: "Derzeit fehlen uns Gier und Entschlossenheit. Die Präzision beim letzten Pass." Er fasst sich an die eigene Nase. Zweimal hatte der defensive Mittelfeldspieler ein Tor auf dem Fuß. Viel mehr Möglichkeiten gab es nicht.
Die Tabelle sagt alles. In 22 Spielen hat der SV Sandhausen nur 24 Tore erzielt. Das ist nach Dresden und Wehen auf den Abstiegsplätzen der schlechteste Wert in der Zweiten Liga. In der Mannschafts-Besprechung können es die gegnerischen Trainer kurz machen. Legt man Kevin Behrens (neun Saisontore) und Aziz Bouhaddouz (6) an die Kette, ist das mehr als die halbe Miete. Denn von den 26 anderen Profis fühlt sich keiner so recht fürs Toreschießen verantwortlich. Ein Problem.
Das findet auch Martin Fraisl.. Der Torwart bemängelte: "Wir sind nicht zwingend genug." Viel Ballbesitz wie gegen Nürnberg und Heidenheim sowie gestern in der letzten halben Stunde gegen Darmstadt, haben wenig Wirkung. Höhn war zwei Minuten nach dem 1:0 mit gelb-rot vom Platz gestellt worden, Sandhausen fast 30 Minuten in Überzahl.
Es ist simpel: Wer keine Tore macht, kann nicht gewinnen. Dagegen ist die Gefahr groß, mit leeren Händen dazustehen.. Meist rutscht ein krummes Ding rein. Häufig in einer Situation, vor der der Trainer ausdrücklich gewarnt hatte. Ein Eckball führte zum Tor des Tages. Höhn stand blank. Weit und breit kein Gegenspieler. Seinen wuchtigen Kopfball aus zehn Metern konnte Fraisl nicht halten.
Koschinat wollte nicht verraten, wer eingeteilt war, um den nach vorne geeilten Darmstädter Innenverteidiger zu bewachsen. Wir tippen mal auf Bouhaddouz oder Behrens. Der Trainer redete sich in Rage. "Ohne eine Standard-Situation hätte Darmstadt bis Ostern kein Tor erzielt", ist sich Koschinat sicher.
Sein Kollege war gleichwohl überzeugt, dass der Sieg "zu hundert Prozent" verdient war. Dimitrios Grammozis braucht Argumente bei den Verhandlungen um einen neuen Vertrag. Dabei nimmt er die Fans mit ins Boot. "Ein ganz großes Kompliment. Ihre Leidenschaft hat uns getragen. Das zeichnet diesen Verein aus."
Am Böllenfalltor ist den Gegnern noch nie der rote Teppich ausgerollt worden. Auch diesmal war’s garstig trotz der Frühlingssonne an der Bergstraße. Die Zuschauer sahen ständig Sandhäuser Handspiele und Fouls im Strafraum. Zum Glück bissen sie bei Schiedsrichter Benedikt Kempkes, einem Zahnarzt, auf Granit.
Dennoch, der Heimvorteil spielte eine Rolle in einem mäßig unterhaltsamen Derby mit nur wenigen Torszenen. Fraisl war etwas mehr beschäftigt als sein Vorgänger Marcel Schuhen. Auch Koschinat fand, dass Darmstadt um "ein paar Prozente" im Vorteil war.
Auch dies ist betrüblich: Die 6000 Zuschauer am Hardtwald haben nicht den Einfluss wie doppelt oder dreimal so viele Fans in einem großen Stadion.
Ein Nachteil, mit dem sich die Sandhäuser vermutlich auch am Sonntag konfrontiert sehen werden. Die Blauen aus Karlsruhe werden beim Derby in der Überzahl sein. Dass der KSC wegen des späten Gegentors gegen Osnabrück statt nur mit vier jetzt mit sechs Zählern Rückstand zum Hardwald fährt, kommt den Gastgebern entgegen. Obwohl Koschinat entschieden widersprach. Ein Blödsinn wäre es, erklärte der Trainer scharf, ein Blödsinn schon jetzt auf die anderen Sportplätze zu gucken.
Darmstadt: Schuhen - Bader, Dumic, Höhn, Holland - Palsson - Paik (63. Rapp), Stark (73. Pfeiffer) - Honsak, Tobias Kempe - Dursun (60. Platte)
Sandhausen: Fraisl - Diekmeier, Nauber, Schirow, Dieckmann - Paurevic (68. Frey) - Scheu (77. Gislason), Linsmayer - Halimi (68. Engels) - Behrens, Bouhaddouz. - Trainer: Koschinat
Schiedsrichter: Kempkes (Thür)
Zuschauer: 14.310
Tor: 1:0 Höhn (59.)
Gelb-Rote Karte: Höhn wegen wiederholten Foulspiels (62.)
Update: 19.30 Uhr, 16. Februar 2020
Darmstadt. (dpa) Der SV Sandhausen hat in der 2. Fußball-Bundesliga die dritte Niederlage in Serie kassiert. Die Mannschaft von Trainer Uwe Koschinat verlor am Sonntag beim SV Darmstadt 98 trotz einer halben Stunde in Überzahl mit 0:1. Immanuel Höhn (59. Minute) hatte die Gastgeber vor 14.310 Zuschauern am Böllenfalltor in Führung gebracht, nur drei Minuten später musste Höhn dann nach wiederholtem Foulspiel mit Gelb-Rot vom Platz.
Darmstadt kontrollierte die erste Halbzeit über weite Strecken, kam aber gegen defensiv gut organisierte Gäste kaum gefährlich vor das Tor. Die beste Chance im ersten Durchgang hatte Darmstadts Torjäger Serdar Dursun, der am Tor vorbeiköpfte (34.).
Ein Standard führte letztlich zur Führung für die Hausherren: Einen Eckball von Tobias Kempe köpfte Höhn unbedrängt ins Tor. Kurz darauf sah der Innenverteidiger Gelb-Rot, nachdem er dem Sandhäuser Aziz Bouhaddouz an der Seitenlinie auf den Fuß getreten war.