Marcel Schuhen legt Wert auf Blickkontakt und schätzt Kritik. Foto: dpa
Von Wolfgang Brück
Heidelberg. Ein Torwart ging in den Angriff. "Schauen Sie mich gefälligst an, wenn Sie mit mir reden", blaffte Marcel Schuhen nach seinem ersten Spiel für den SV Sandhausen im Juli 2017 in Kiel einen Journalisten an. Dabei hätte der Neue vom Drittligisten Rostock zufrieden sein müssen. Überraschend hatte er Stammkeeper Marco Knaller verdrängt. Der sanfte Vorgänger hielt zwar nicht schlechter die Bälle, aber meistens auch seinen Mund.
Schuhen, mit dem es am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) beim Spiel des SV Sandhausen bei Darmstadt 98 ein Wiedersehen gibt, hat dagegen nie etwas von falscher Bescheidenheit gehalten. Er will Wortführer sein. So wie sein Vorbild Oliver Kahn.
Das machte damals den Unterschied zum stillen Knaller. Die Führungs-Qualitäten wusste auch Uwe Koschinat zu schätzen. Der Trainer beförderte Schuhen wieder zur Nummer eins, nachdem der Schlussmann den Status wegen einiger Fehlgriffe eingebüßt hatte.
"Marcel hatte in hohem Maße Anteil daran, dass wir nicht abgestiegen sind. Er hat Charakter", lobt Koschinat. Gerne hat er den Torwart nicht nach Darmstadt ziehen lassen. Die Wertschätzung ist gegenseitig. "Uwe Koschinat hat mir das Vertrauen geschenkt. Sandhausen hat mir die Chance gegeben, mich in der Zweiten Liga zu etablieren. Dafür bin ich dankbar", sagt der 27-jährige Siegerländer.
Wie in den zwei Jahren am Hardtwald, in denen er 56 Mal für den SV Sandhausen das Tor hütete, wechselten nun auch in Darmstadt Höhen und Tiefen. Nach dem Auftaktspiel beim Hamburger SV brach sich der Torwart im Training den Arm. Erst am zehnten Spieltag kehrte er zurück und geriet nach den für ihn typischen Patzern in die Kritik.
Aber auch das ist Schuhen: "Ich habe kein Problem damit, wenn Sie mich kritisieren", versicherte er dem stellvertretenden RNZ-Sportchef Claus Weber, "im Gegenteil, Kritik spornt mich an, sie macht mich besser." Beim gelungenen Start ins neue Jahr, dem 2:2 gegen Osnabrück und dem 3:2 in Dresden, zählte er zu den Besten bei den Hessen. Mittlerweile ist er unumstritten. Ein Rückhalt in der Tradition von Daniel Fernandes. Der stärkste Zweitliga-Keeper wechselte von Darmstadt zum HSV.
Auch in Sandhausen muss man dem Ex nicht nachweinen. "Mit Martin Fraisl haben wir uns nicht verschlechtert", meint Koschinat. Obwohl er Schuhen an Ehrgeiz nicht nachsteht, kommt der Österreicher sympathischer, weniger verbissen, rüber.
Mehr als 15.000 Zuschauer werden morgen im Stadion am Böllenfalltor mit seiner nach einjähriger Bauzeit fertig gestellten neuen Gegengerade erwartet. "Darmstadt 98 ist Fußball pur. Als ich bei den Vertragsverhandlungen zum ersten Mal da war, hat es geregnet. Das Wasser tropfte von den Wänden", outete sich der ehemalige Sandhäuser als Fußball-Nostalgiker. Dieter Herzog, früheres Präsidiums-Mitglied und Inhaber eines Installateur-Betriebes, konterte trocken: "Das hätten er in Sandhausen auch haben können. Neulich, als wir am Hardtwald einen Wasserrohrbruch hatten."