Uwe Koschinat im Interview

"Wir haben uns Hochachtung erarbeitet"

Stabil und heimstark: Sandhausens Uwe Koschinat zieht eine gute Bilanz, will sein Team aber noch stürmischer und kreativer machen

01.01.2020 UPDATE: 02.01.2020 06:00 Uhr 4 Minuten
Trainer Uwe Koschinat ist mit der Art und Weise, wie er Fußball spielen lässt, am Hardtwald zum Publikumsliebling geworden. Foto: vaf

Von Claus Weber

Heidelberg. Uwe Koschinat hat kurz vor Weihnachten seinen Vertrag beim Fußball-Zweitligisten SV Sandhausen um zwei Jahre verlängert. Im Interview spricht der 48-jährige Trainer über die Probleme nach dem Wechsel von Spielmacher Philipp Förster nach Stuttgart, die neue Stabilität seines Teams, den Sinn und Unsinn von Winterneuzugängen und seine kurz- und etwas längerfristigen Pläne mit dem SV Sandhausen.

Uwe Koschinat, mit 24 Punkten und Tabellenplatz neun fällt Ihre Bilanz sicher zufriedenstellend aus…

Ja, ich möchte diese Halbrunde unter einen Begriff stellen: Stabilität. Wir haben uns permanent im Mittelfeld aufgehalten, nur vier von 18 Spielen verloren, was für den SV Sandhausen fantastisch ist. Allerdings haben wir auch nur fünf gewonnen, hatten also eine hohe Zahl von Unentschieden. Wir haben keine einzige Klatsche kassiert, ein 0:2 war die höchste Niederlage. Wir hatten eine überschaubare Zahl an Spielern im Einsatz, nur noch dem kurzfristigen Abgang von Philipp Förster musste ich einiges probieren. Wenn man sieht, dass wir in der letzten Saison bis zum Schluss um den Klassenverbleib gekämpft haben, ist das aller Ehren wert.

Seit acht Spielen ist Sandhausen ungeschlagen.

Auch interessant
SVS-Saisonrückblick: Ochsen, Zehenspitzen und ein Millionen-Deal
Sandhausen-Kiel 2:2: Uwe Koschinat hat noch große Pläne (Update)
"Arbeit fortsetzen": SV-Sandhausen-Trainer Uwe Koschinat verlängert bis 2022

Diese Serie bedeutet mir nicht so viel, weil nur zwei Siege dabei waren. In der Phase davor waren wir sieben Spiele sieglos, hatten aber auch da nur zwei Niederlagen. Das ist also alles relativ. Was aber sehr positiv ist: Wir haben zuletzt gegen die drei Großen gespielt und nicht verloren, haben gegen die ersten Vier in der Tabelle acht Punkte geholt.

Wie war die kleine Leistungsdelle davor zu erklären? Lag es nur am Wechsel von Spielmacher Philipp Förster nach Stuttgart?

Förster war schon ein Schlüsselspieler, er ist jetzt in Stuttgart die prägende Figur des VfB-Spiels. Wir konnten ihn nicht eins zu eins ersetzen, weil wir auch gar keine Zeit hatten, Julius Biada, Robin Scheu oder Philipp Türpitz unter Wettkampfbedingungen zu testen. Alle drei waren in der Vorbereitung lange Zeit verletzt. Besar Halimi kam neu dazu. Ich war auf der Suche nach einer neuen Formation und Ausrichtung. Nur Torwart Fraisl und die Vierer-Abwehrkette sowie Kevin Behrens im Sturm waren Konstanten, Mittelfeld und Angriff mussten völlig neu justiert werden.

Ist es letztlich gelungen, Förster adäquat zu ersetzen?

Solche Prozesse benötigen Zeit. Auch Förster hat sehr lange gebraucht, um dieser Schlüsselspieler zu werden. Ich kann mit seinem Weggang leben, weil wir auch ohne ihn stabil sind. Wir dürfen die Neuen nicht an Förster messen, wie er in seiner Endphase bei uns war. Aber wir sind auf einem hervorragenden Weg, der weder für Halimi, Türpitz oder Biada abgeschlossen ist. Ich bin optimistisch, dass von diesen dreien noch viel kommt – ähnlich wie es bei der Entwicklung von Kevin Behrens war.

Sind Winter-Neuzugänge geplant oder ist es sinnvoller, die Mannschaft nicht zu verändern?

Sehr häufig sind Teamgeist und Zusammenhalt wichtiger als die Leistung einzelner Spieler. Wenn wir aber überzeugt sind, dass ein Transfer uns sportlich stärker macht, muss man das tun. Dann darf man nicht auf Einzelschicksale achten, sondern muss sehen, ob das dem SV Sandhausen weiterhilft. Aber: Die Truppe ist sehr harmonisch und stark, wir müssen nicht auf Gedeih und Verderb etwas tun.

Für Felix Müller wird noch ein neuer Verein gesucht…

Wir haben dem Spieler frühzeitig gesagt, dass wir ohne ihn planen. Nun ist es an ihm und seinen Beratern eine Lösung zu finden.

Sandhausen spielt unter Ihnen nicht nur effektiver, sondern auch attraktiver. Wie viel von dem, was Sie sich bei der Kaderzusammenstellung vorgenommen hatten, konnten Sie umsetzen?

Insgesamt sind viele Dinge umgesetzt worden. Wir haben ein außergewöhnlich gutes Miteinander, arbeiten unheimlich zielgerichtet in vertrauensvoller Atmosphäre, aber auch sehr professionell. Die Mannschaft hat eine klare Hierarchie. Wir haben keine einzige Rote Karte wegen Disziplinlosigkeit oder Rudelbildung kassiert. Auch die Art, wie wir Fußball spielen, nimmt die Zuschauer in Sandhausen mit. Ich wollte eine Heimstärke erreichen, das haben wir geschafft. Wir haben eine gute Ausgangsposition, um uns nach vorne zu entwickeln. Aber: Der Abstand nach hinten ist nicht groß. Unsere Platzierung erlaubt uns keine Durststrecke.

Was gilt es noch zu verbessern?

Wir müssen in der Offensive noch torgefährlicher werden, müssen uns noch mehr Chancen herausspielen, vor allem gegen passive Gegner. Gegen die tun wir uns schwer, müssen da noch kreativer werden. Und wir müssen mit unseren Standards noch effektiver werden. Die Spieler dazu haben wir, mit diesem Mittel können wir viele Punkte machen.

Sie haben für zwei Jahre verlängert. Ist Ihnen die Zusage leicht gefallen?

Ja, der Prozess wurde frühzeitig eingeleitet. Ich habe früh das Vertrauen gespürt, schon letzte Saison, als es nicht so leicht fiel über eine Verlängerung zu reden. Dann haben wir diese überragende Rückrunde gespielt. Wir haben in Sandhausen kurze Dienstwege und großes Vertrauen. Es hat gut getan, dass der Verein frühzeitig sagte: Wir wollen mit dir weiter machen. Vor Weihnachten war es nun Zeit, die Dinge rund zu machen.

Gab es Bedingungen, zum Beispiel in Sachen Infrastruktur?

Nein, das Thema Infrastruktur hat der Präsident eh ständig auf seiner Agenda. Viele Dinge werden umgesetzt, viele Dinge haben sich verbessert.

Sie haben sich für höhere Aufgaben empfohlen. Wo sehen Sie sich in drei oder fünf Jahren? Was ist Ihr Ziel?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. In solchen Perioden habe ich als Trainer noch nie gedacht. Ich sehe mich im Hier und Jetzt und bin immer auf dem Boden geblieben. Mir geht es darum, die aktuelle Aufgabe so gut es geht zu erledigen.

Sie wollen den SVS unter die besten 25 Vereine Deutschlands führen.

Ein einstelliger Tabellenplatz in der Abschlusstabelle wäre eine Steigerung. Unter der Voraussetzung, dass wir kluge Personalpolitik betreiben und uns die besten Spieler nicht weggenommen werden, ist das ein realistisches Ziel.

Gegen Stuttgart und den HSV war das Stadion nahezu ausverkauft. Gegen Kiel waren es nicht einmal 5000 Zuschauer. Warum gelingt es Sandhausen nicht, mehr Fans zu generieren?

Das liegt an den Grundvoraussetzungen: Wir sind ein sehr kleiner Ort. Ein Viertel der Bevölkerung kommt ins Stadion. Heidelberg ist keine Fußballstadt und wir haben große Konkurrenz in Hoffenheim. Emotional sind viele mit dem SV Waldhof und dem Karlsruher SC verbunden und selbst der VfB Stuttgart hat hier noch ein Einzugsgebiet. Wir müssen professionell damit umgehen, dass trotz guter Ergebnisse der Zuschauerschnitt nicht gleich in die Höhe schnellt. Aber: Wir haben uns gegen Stuttgart und den HSV Hochachtung erarbeitet, da haben wir uns einen Namen gemacht.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.