Steiler Aufstieg von Behrens - tiefer Fall von Gislason
Wie Hierarchien auf den Kopf gestellt werden am Beispiel von Behrens und Gislason

Von Wolfgang Brück
Sandhausen. Als die Mädels ausflippten und Rurik Gislason zum schönsten Spieler der Weltmeisterschaft kürten, war Kevin Behrens gerade vom Regionalligisten Saarbrücken nach Sandhausen gewechselt. In der Hierarchie des Fußball-Zweitligisten stand der isländische Nationalspieler ganz oben, der Neue ziemlich weit unten.
Jetzt, eineinhalb Jahre später, ist es genau umgekehrt. Gislason hat seit November kein Spiel mehr gemacht. Am Mittwoch beim 3:1 in Osnabrück war er nicht mal mehr im Kader.
Behrens dagegen, der zwei Tore selbst erzielte und eines vorbereitete, stand auch am Freitag noch im Mittelpunkt. Nicht dass Uwe Koschinat die vielen Fragen zum Shooting-Star ungern beantwortet hätte, doch der Trainer mahnte, man solle den Blick auch auf den 1. FC Nürnberg richten. Dort ist der SV Sandhausen am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) zu Gast.
Die Geschichte des Kevin Behrens ist außergewöhnlich. Er war schon 27, als er den Sprung in die Zweite Liga wagte. Erst als sich Fabian Schleusener, mit dem es in Nürnberg ein Wiedersehen gibt, Ende März letzten Jahres das Schienbein brach, war der Weg frei für den damaligen Reservisten. In der Halbzeit eingewechselt, war er beim 2:1 in Ingolstadt unter den Torschützen, beim Saisonfinale in Regensburg machte er beide Tore.
Es ist was dran an der These, dass Sandhausen ohne Behrens vielleicht abgestiegen wäre. Der gebürtige Bremer ist standhafter als Schleusener, kein anderer Zweitliga-Stürmer ist so kopfballstark wie er. Im Kopf habe auch die entscheidende Wandlung stattgefunden, glaubt der Coach. Koschinat: "Früher hat Kevin schnell mit sich gehadert. Jetzt ist er selbstbewusst. Ein Führungsspieler."
Am Tag nach dem Nürnberg-Spiel wird der zweifache Familienvater 29. Das fortgeschrittene Alter und das Bedürfnis nach Vertrauen sprechen dafür, dass der mittlerweile neunmalige Torschütze seinen bis 2021 laufenden Vertrag erfüllen wird.
Auf Abschied stehen dagegen die Zeichen bei Gislason. Nur drei Tore erzielte der 31-jährige Angreifer in 52 Spielen in Sandhausen, das letzte vor knapp zwei Jahren beim 1:1 gegen Sankt Pauli. Schon beim vorherigen Arbeitgeber, dem morgigen Gegner Nürnberg, war die Bilanz trostlos: 30 Spiele, null Tore. Alles deutet darauf hin, dass der auslaufende Vertrag nicht verlängert wird.
Zumal Gislason vermutlich auch beim Ex-Klub nicht spielen wird. Koschinat: "Er vermittelt mir nicht den Eindruck, als ob er die Herausforderung annimmt und unbedingt zurück in die Mannschaft will." Denkbar, dass wie schon in Osnabrück der junge Enrique Pena-Zauner auf der Bank Platz nehmen darf.
Auf zwei Kurzeinsätze kann der Perspektivspieler zurückblicken und rundet damit das gute Gesamtbild der Neuzugänge ab. Zwölf Spieler kamen, seit Mikayil Kabaca gemeinsam mit dem Trainer für die Personalpolitik verantwortlich ist. Vier haben einen Stammplatz, die anderen haben das Niveau angehoben, indem sie den Konkurrenzkampf schürten. Eine bemerkenswert gute Bilanz.
Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn der SV Sandhausen in seiner achten Zweitliga-Runde noch mal in Schieflage geraten würde. Im Gegenteil, mit einem Sieg in Nürnberg könnten die Kurpfälzer in Sichtweite der Aufstiegsplätze kommen. Die Aufgabe beim Vorletzten unterschätzt keiner. "Ohne die späten Gegentore hätte der 1. FC Nürnberg neun Punkte mehr", warnt der Trainer, der außer auf Robin Scheu auch wieder auf Philipp Klingmann und Roman Hauk zurückgreifen kann. Julian Biada fehlt wegen der fünften gelben Karte.
