Team Tokio des Olympiastützpunkts Rhein-Neckar

Tischtennis-Spielerin Petrissa Solja will zu Olympia 2020

Bei den European Games möchte Deutschlands aktuell beste Spielerin frühzeitig das Ticket lösen

21.06.2019 UPDATE: 22.06.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 57 Sekunden

Linkshänderin mit dem Herz am rechten Fleck: Petrissa Solja, Mitglied des "Team Tokio" vom Olympiastützpunkt Rhein-Neckar. Foto: Imago

Von Joachim Klaehn

Heidelberg/Minsk. Tischtennisspieler haben in aller Regel ein unglaubliches Trainingspensum, um ihre sportlichen Ziele zu verwirklichen. Bei Petrissa Solja (25) ist das keinen Deut anders. Im zarten Alter von fünf Jahren begann sie im Keller ihrer Eltern, den kleinen Ball auf der Platte zu platzieren, dann schloss sie sich dem TTC Büchelberg an.

Solja gilt aktuell als beste deutsche Spielerin, wird in der Weltrangliste, in der Chinesinnen und Japanerinnen das Geschehen dominieren, auf Platz 26 geführt. Bei den European Games, die am Freitag begonnen haben und bis zum 30. Juni im weißrussischen Minsk über die Bühne gehen, hat die in Kandel geborene Athletin, die auch zum Team Tokio des Olympiastützpunkts Rhein-Neckar gehört, Großes vor. "Peti" möchte sich frühzeitig für die Olympischen Spiele 2020 in der Weltstadt Tokio qualifizieren. "Das wird knackig", sagt Solja im ungezwungenen Gespräch mit der RNZ.

In der Tat: Der direkte Weg nach Tokio führt über Minsk. Als einer von vier Sportfachverbänden neben Bogenschießen, Karate und Schießen hat sich die zuständige Europäische Tischtennis Union (ETTU) entschlossen, die Europaspiele zum wichtigsten Qualifikationsturnier für Olympia 2020 zu erklären. Mit knüppelharten Kriterien: Im Einzel müssen die weiblichen und männlichen DTTB-Asse jeweils unter die ersten Drei kommen, in der Mannschaft und im Mixed reicht ausschließlich die oberste Stufe auf dem Siegertreppchen von Minsk.

Den Verantwortlichen des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) passt die Einordnung und Aufwertung der "Europaspiele" gar nicht. Das Minsker Turnier wurde in den ohnehin proppevollen Terminkalender der Plattenkünstler gedrängt. Der Qualifikationsmodus für Tokio sei derartig kompliziert geworden, "man braucht dafür mindestens Abitur, wenn nicht noch mehr", frotzelt und kritisiert DTTB-Sportdirektor Richard Prause, "man hätte auch die Team-EM im September als Olympia-Qualifikation ausrufen können. Oder man hätte sagen können: Die European Games sind gleichzeitig unsere Team-EM. So haben wir innerhalb kurzer Zeit zwei ähnliche Turniere."

Auch "Peti" Solja sind die Details nicht ganz klar. An Fronleichnam flog sie gen Minsk - mit einer unmissverständlichen Marschroute: "Es ist meine erste Chance, und die will ich nutzen. Insgesamt habe ich maximal vier Chancen." Aufgrund der Bedeutung schicken die Deutschen ihr stärkstes Aufgebot in das Wirtschafts- und Kulturzentrum am Swislatsch. Solja, Han Ying, Nina Mittelham, Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska sind allesamt am Start, im gemischten Doppel agieren Solja und Franziska, im April hatten sie sich bei der WM in Budapest Bronze geschnappt.

Für Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp und Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf zählt bei allem Hickhack im Vorfeld allein "die Qualifikation für Olympia", zumal für die Hauptdarsteller am Tisch und Netz Olympische Spiele gerade in Japan oder China außergewöhnliche Strahlkraft besitzen. In Asien schlägt das Herz dieser flotten, technisch anspruchsvollen Sportart. "Olympia ist ein Megaevent. Als wir in Rio vier Stunden lang im Halbfinale gegen die Japanerinnen gespielt und den Matchball verwandelt haben, war dies mein schönster Moment", erinnert sich Petrissa Solja.

Han Ying, Shan Xiaona und Solja holten Silber für Deutschland, "Peti" war zugleich die einzige nicht in Asien geborene Spielerin der Halbfinalisten China, Singapur, Japan und Deutschland. "Die Silbermedaille ist das bestmögliche Ergebnis gewesen", sagt Solja mit einer Mischung aus Stolz und Demut.

Solja ist trotz ihrer diversen nationalen und internationalen Erfolge ein bodenständiger, authentischer Mensch geblieben. Sie braucht ihre familiäre Umgebung wie die Luft zum Atmen, deshalb ist die Sportsoldatin nach Wanderjahren in Linz und Berlin in heimatliche Gefilde zurückgekehrt. In der Bundesliga schlägt sie seit 2018 für den TSV 1909 Langstadt/Südhessen auf, ihren Wohnort hat sie "in die Südpfalz" verlegt. Wo genau, will Solja partout nicht verraten.

Seit Februar ist die jüngste Tochter der einstigen Tischtennis-Asse Dagmar Solja-Andruszko und Pavel Solja ausbildungstechnisch zu neuen Ufern aufgebrochen. An der SRH Riedlingen hat Solja ein Wirtschaftspsychologie-Studium begonnen. OSP-Laufbahnberater Christoph Steinbach hatte diesbezüglich seinen Einfluss geltend gemacht.

Wegen der Terminhatz im Tischtennis-Zirkus ist alles andere als ein Fernstudium Utopie. Wenn die Ballartistin nicht an Schnitt, Drall, Effet, Rotation oder Spin denkt, dann geht Solja mit ihrem Hund spazieren oder startet Trips mit dem gemütlichen Wohnmobil.

Doch bis auf ganz wenige Auszeiten trainiert Petrissa Solja das ganze Jahr über: Mehr als sechs Stunden täglich, in einer Männer-Trainingsgruppe in Grünwettersbach im Südosten von Karlsruhe, im Düsseldorfer Tischtenniszentrum des DTTB, und hin und wieder im Heidelberger OSP, wenn es mal zum Show-Duell der Linkshänder wie unlängst gegen Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller kommt.

Ort des Geschehens

In Minsk taucht "Peti" in den "Tunnel für Tokio" ein. "Sobald der erste Ball gespielt wird, ist meine Nervosität meistens weg", sagt Solja. Vor zwei Jahren ergatterten Ovtcharov im Einzel und das deutsche Damen-Team (Han Ying, Shan Xiaona und Solja) die Goldmedaille bei den "Europaspielen" von Baku. Ein gutes Omen fürs Minsker Turnier?

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