So tickt Hoffenheims neuer Stürmer-Star Wout Weghorst
Familienvater, Millionenerbe, Akademiker, Mentalitätsmonster: Weghorst ist viel mehr als nur ein Torjäger. Ärger hatte er während Corona und mit Messi.

Von Nikolas Beck
Zuzenhausen. Es sind die platinblonden Haare auf dem Kopf eines baumlangen Mannes, die am Mittwoch-Vormittag sofort ins Auge stechen. Hoffenheims neue Nummer 10, Wout Weghorst, ist mit seinen 1,97 Metern "auf Augenhöhe" mit Coach Pellegrino Matarazzo (1,98 m) und Jay Brooks (1,94 m) , seinem ehemaligen Weggefährten beim VfL Wolfsburg. Auch Julian Justvan kennt Weghorst aus seiner Zeit in der Autostadt, wo er zwischen Juli 2018 und Januar 2022 die Hochphase seiner Karriere erlebte.

Der niederländische Nationalstürmer dürfte also keine Anlaufschwierigkeiten haben in der Bundesliga. Zumal direkt am ersten Tag neben der öffentlichen Vormittagseinheit eine zweite am Nachmittag auf dem Programm stand und es dazwischen für Weghorst und seine neuen Kollegen die obligatorische Regelschulung gab. Hier bekommen die Profis von Seiten der Liga Jahr für Jahr mitgeteilt, welche Dinge sich geändert haben oder von den Unparteiischen besonders beachtet werden in der neuen Spielzeit.
In den Bundesliga-Annalen ist Weghorst bereits als 59-facher Torschütze eingetragen. Kurios: Alle 59 erzielte er innerhalb des Strafraums. Genau diese Präsenz in der Box hat ihn zum Hoffenheimer Transferziel Nummer eins gemacht. "Wir haben uns bei der Stürmersuche für ein spezielles Profil entschieden und arbeiten seit einigen Wochen in aller Ruhe, Akribie und dem nötigen Nachdruck auf verschiedenen Ebenen nicht an der schnellst-, sondern an der bestmöglichen Lösung. Wir glauben diese in Wout gefunden zu haben und versprechen uns von seiner Mentalität, Erfahrung und Treffsicherheit einen Schub für das gesamte Team", sagt Alexander Rosen, Geschäftsführer Sport der TSG.
Die ihm entgegengebrachte Wertschätzung habe Weghorst "sehr imponiert und es fühlt sich einfach richtig an, jetzt hier zu sein", so der kräftig Umworbene. Um ihn vom Wechsel – zuletzt lief der 31-Jährige immerhin für den englischen Rekordmeister Manchester United auf – zu überzeugen, wurden beim Dorfklub keine Mühen gescheut: In einem extra für ihn zusammengeschnitten Video wurden die schönsten Seiten des Kraichgaus präsentiert. Zudem half der Klub bei der Haus-Suche für Weghorst, seine Frau Nikki und die drei gemeinsamen Töchter Juul, Lucie und Daantje.
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Denn Wout Francois Maria Weghorst ist viel mehr als nur ein "Knipser". Familie wird für "Hoffes" Hoffnungsträger schon immer groß geschrieben. Seine beiden größeren Brüder Twan und Ralf sowie den kleineren Niek bezeichnet er als seine besten Freunde. Sein Urgroßvater hatte 1931 den Kohle- und Torfhandel AVIA Weghorst gegründet. Heute versorgt das Kraftstoffunternehmen weit über 100 Tankstellen in den Niederlanden. Weghorsts Eltern Frans und Astrid hätten es gerne gesehen, wenn Wout im Familienunternehmen Fuß gefasst hätte.
Der Spross wollte allerdings unbedingt Fußballer werden. Sobald er laufen konnte, habe er seine Windeln zusammengerollt und als Fußball genutzt, erzählte er einst. Eine Profikarriere vorstellen konnte sich zunächst aber keiner so recht. In der Jugend war Weghorst immer nur Mitläufer. Nur dank der Beziehungen seiner Mutter soll er es ins Nachwuchsprogramm des niederländischen Erstligisten Willem II Tilburg geschafft haben. Ein damaliger Wachstumsschub erschwerte die Entwicklung zusätzlich. "Ich hatte Probleme, meine Füße sortiert zu bekommen", erinnerte sich Weghorst gegenüber "11 Freunde" an den schwierigen Kampf um die Karriere.
Wenngleich sein Wille ungebrochen war: Weghorst musste sich einen Plan B zurechtlegen. Obwohl er es über den FC Emmen zu Heracles Almelo schaffte, wo er 2014 in der Eredivisie debütierte, studierte Weghorst erfolgreich zunächst Betriebswirtschaftslehre, später Sport-Management.
Der Grundstein für die Zeit nach der Karriere ist also gelegt. Zunächst will er aber in der Bundesliga wieder für Furore sorgen. Die RNZ hat sich auch beim Ex-Klub Wolfsburg umgehört. Dort schwärmt man – wenig überraschend bei dieser Vita – vor allem von der Mentalität des ehemaligen "Wölfe"-Torjägers, der in Sachen Lebenswandel und Ernährung schon als Jugendfußballer Profi-Tugenden gehabt haben soll. Er sei ein Typ, der immer alles gibt und kämpft bis zur letzten Sekunde.
Wout Weghorst ist aber auch ein Typ mit Ecken und Kanten. Während der Corona-Pandemie geriet er in die Kritik, weil er einen Beitrag einer Impfgegnerin über seinen Instagram-Account teilte. Monate später, aufgrund seines Auftritts im ZDF-Sportstudio, sah er sich erneut als vermeintlicher Corona-Leugner einem "Shitstorm" ausgesetzt. Vorgänge, die Weghorst nicht kalt ließen. "Ich möchte ganz klar sagen: Ich bin kein Corona-Leugner. Weltweit sind daran Menschen gestorben, was erschütternd ist", stellte er damals klar. Bei seinem neuen Arbeitgeber ist man überzeugt: "Wir dürfen uns auf einen meinungsstarken Charakter mit einem großen Herzen freuen", so Rosen.
Und auf einen Spieler, der auch auf dem Feld schon mal mit den Schiedsrichtern zankt, gerne mal aneckt. Nach seinem vielleicht größten Auftritt, als er im WM-Viertelfinale als Einwechselspieler mit zwei späten Toren gegen Argentinien "Oranje" in die Verlängerung rettete, ging der Elftal-Stürmer als passiv Beteiligter viral: Superstar Lionel Messi hatte nach der hitzigen Partie ein TV-Interview unterbrochen und Richtung Weghorst gerufen: "Was guckt Du so, Dummkopf?" Später entschuldigte sich Messi. Weghorst hatte lediglich wegen eines Shakehands auf den Weltfußballer warten wollen – und der "Dummkopf" trug fortan dennoch einen neuen Spitznamen in der Manchester-Kabine. Dem argentinischen United-Mitspieler Lisandro Martinez sei Dank.
Vielleicht auch nicht zuletzt dank der Popularität, die Weghorst gegen Argentinien durch seine Tore und das Kabinenscharmützel erlangte, war es Landsmann und United-Manager Erik Ten Haag drei Millionen Euro wert, die Ausleihe von Besiktas (Weghorst war im Januar 2022 zum FC Burnley gewechselt und nach dem Abstieg des Klubs zunächst nach Istanbul ausgeliehen worden) für ein halbes Jahr zu übernehmen. Anfangs für seine Laufstärke und das kompromisslose Pressing, eine der vielen unterschätzten Qualitäten Weghorsts, von den Fans gefeiert, hatte er zunehmend einen schweren Stand. Kein Treffer in 17 Premier-League-Spielen, keiner in fünf FA-Cup-Partien und nur einer in sechs Einsätzen in der Europa League – für einen Stürmer schoss er einfach zu wenig Tore.
In der Bundesliga, in die Weghorst unbedingt zurückwollte, wird das wieder besser. Wetten, dass...!?