Diesmal hatte der Heidelberger Ruderklub die besseren Nerven
Die Heidelberger Rugby-Asse besiegten den Titelverteidiger TV Pforzheim mit 39:35 und gewannen in Berlin ihre 13. deutsche Meisterschaft

Deutscher Rugbymeister 2017: Der Heidelberger Ruderklub, hintere Reihe v.l.n.r.: Raynor Parkinson, Lukas Malaizier, Pierre Mathurin, Dale Garner, Michael Poppmeier, Teamarzt Dr. Ralf Huppertz, Christopher Kleebauer, Nicholas Wymer, Sebastian Ferreira, Benedikt Rehm, Jarrid Els, Thore Schmidt, Physiotherapeut Michael Laier, Abteilungsleiter Tobias Engels und Präsident Dr. Michael Stittgen; vordere Reihe v.l.n.r.: Jonas Malaizier, Jacobus Otto, Teammanager Heiko Satzke, Timo Vollenkemper, Kapitän Kehoma Brenner, Andreas Götz, Julio Rodriguez, Sean Armstrong, Felix Lammers, Christoffer Neureuther, Jörn Schröder und Robert Hittel. Foto: Gerd Engelsmann
Von Claus-Peter Bach
Berlin. "Der Bronzeball ist wieder daheim." Mit diesem Stoßseufzer kommentierte Tobias Engels, der Rugby-Abteilungsleiter des Heidelberger Ruderklub, den 39:35 (15:18)-Sieg seiner Fünfzehn im Endspiel der deutschen Meisterschaft gegen den Titelverteidiger TV Pforzheim. Mit diesem Erfolg in einem an Klasse und Spannung kaum zu überbietenden Finale sicherte sich der 1872 gegründete älteste deutsche Rugbyverein seinen 13. Meistertitel nach 1927, 1928, 1971, 1973, 1976, 1986, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015 und nahm Revanche für die in letzter Spielminute erlittene 36:41-Niederlage im Endspiel in letzten Jahr in Heusenstamm.
Angesichts der Dramatik dieses abwechslungsreichen und bis zum Schlusspfiff völlig offenen Spiels, für dessen Organisation sich der "50 Jahre Rugby in Weißensee" feiernde RK 03 Berlin Bestnoten verdiente, ist es müßig zu diskutieren, ob vor 1405 restlos begeisterten Zuschauern im Berliner Osten die bessere Mannschaft gewonnen hat. "Es war ein sehr gutes Spiel, das schön anzusehen war", wertete Nationaltrainer Kobus Potgieter, der den HRK zu den letzten drei deutschen Meisterschaften geführt hatte und seinem Freund, langjährigen Teamkameraden und Nachfolger Pieter Jordaan ganz fest die Daumen gedrückt hatte. Jordaan hatte an der Niederlage von Heusenstamm "dreizehn Monate lang geknabbert." Wer nach so intensivem, erbarmungslosem, aber weitgehend fairem Spielgeschehen am Schluss ein paar Punkte mehr gesammelt ist, ist jedenfalls nicht unverdient in den Besitz des gut zehn Kilogramm schweren Bronzeballs und des grünen Lorbeerkranzes geworden, den der RK 03 Berlin zur Feier des Jubiläums mit drei Sonnenblumen verziert hatte. Nimmt man die beiden Bundesligaspiele der beiden Finalisten in die Ergebnisrechnung mit auf, hätte der HRK mit 110:85 Spielpunkten die Nase vorn - das ist dann doch klar und jedenfalls nicht unverdient.
Das Endspiel, bei bewölktem Himmel, 22 Grad Celsius und zeitweisem Nieselregen ausgetragen, begann nach Pieter Jordaans Wunsch: In der ersten Minute beendete Jacobus Otto, mit drei Versuchen bester Mann auf dem Platz, ein Solo mit den ersten fünf Punkten für den HRK. Am Ende hatten die Heidelberger fünf Versuche, auch durch Erste-Reihe-Stürmer Thore Schmidt und den genialen Gedrängehalb Sean Armstrong, zu Buche stehen, die Pforzheimer nur vier durch Hakler Faimalo Magele, Innendreiviertel Luke Wakefield, Sturmführer Robert May und Innendreiviertel Trent Winterstein. Beide Kicker hatten eine 75-prozentige Ausbeute. Heidelbergs Raynor Parkinson kam auf 14 Punkte, Pforzheims Goldfüßchen Matt Bressons auf 15. Diesmal hat also die Majorität der Versuche das Spiel entschieden.
Mitentscheidend war, dass der HRK, dessen Verteidigung im ersten Durchgang einige Lücken hatte, nach der Pause im Sturm immer dominanter wurde und es sich leisten konnte, die Hintermannschaft durch den Flankenstürmer und "Abräumer" Jacobus Otto zu verstärken. Wegen kleinerer Bubeleien und wiederholter Abseitsstellungen verhängte Schiedsrichter Dan Maughan jeweils zwei Zeitstrafen. Das traf die Pforzheimer härter, denn die beiden "Überflieger" Trent Winterstein und Antipas Kamkwindo waren gleichzeitig auf der Sünderbank. Sofort drehte der HRK auf Vollgas auf und verwandelte den 25:28-Rückstand in eine 39:28-Führung.
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Höhepunkte des Endspiels waren der Hochkick des Pforzheimer Gedrängehalbs Oliver Paine, den Hakler Faimalo Magele erlief und zum 7:5 nutzte (9.), das Solo des Luke Wakefield zum 7:10 (15.), der Versuch des Heidelberger Sturmpfeilers Thore Schmidt zum 20:25 (50.), den der Referee wegen eines Stellungsfehlers erst nicht erkannte, und Sean Armstrongs Solo zum 30:28 (65.). Besseres Rugby sieht man in Deutschland nicht.
Heidelberger RK: Aounallah - J. Malaizier (41. Neureuther), L. Malaizier, Parkinson, Hittel - Götz (60. Vollenkemper), Armstrong - Brenner, Els, Otto - Rodriguez, Poppmeier - Schmidt, Garner, Schröder.
TV Pforzheim: Sürer - Marin, Winterstein, Wakefield, Sita - Bressons, Paine - Murray (74. Rosjakov), May (Kapitän), Kasten - Fatta, Kamkwindo (72. Portillo) - Zeiler (65. J. Himmer), Magele, Atiola.
Schiedsrichter: Maughan (Hamburg); Zuschauer: 1405; Punkte: 7:0 (1.) Versuch Otto + Erhöhung Parkinson; 7:5 (9.) V Magele; 7:12 (15.) V Wakefield + E Bressons; 12:12 (18.) V Otto; 12:15 (35.) Straftritt Bressons; 15:15 (37.) S Parkinson; 15:18 (38.) S Bressons; 15:25 (43.) V May + E Bressons; 20:25 (50.) V Schmidt + E Parkinson; 22:28 (53.) S Bressons; 25:28 (58.) S Parkinson; 32:28 (65.) V Armstrong + E Parkinson; 39:28 (70.) V Otto + E Parkinson; 39:35 (80.) V Winterstein + E Bressons; Zeitstrafen: Schmidt (53.), Parkinson (75.)/Winterstein (58.), Kamkwindo (62.).



