Heidelbergs Schwimmer kämpfen in Berlin ums Olympiaticket
Aber potenzieller Olympiateilnehmer wird nur, wer entweder Meister oder Vizemeister wird und im Vorlauf so schnell schwimmt wie die ersten 16 und im Finale so schnell wie die ersten Zehn der letzten Weltmeisterschaft

Die Gruppe von Stützpunkttrainer Dr. Michael Spikermann kämpft in Berlin um die Startplätze für Rio. Unser Foto zeigt vorne von links: Clemens Rapp, Philip Heintz, Mark Fischer und Simon Hengel. Auf der Treppe v.l.: Sarah Köhler, Nina Kost, Selina Hocke, Julia Hassler
Kevin Wedel, Michael Spikermann, Tina Rüger und Martina van Berkel. Foto: vaf
Von Claus Weber
Heidelberg. Philip Heintz geht in die Hocke. Wie ein Blitz schnellt der Schwimmer des SV Nikar Heidelberg hoch und springt aus dem Stand auf den Kasten. Das sind gut 1,20 Meter. Respekt! Große Sprünge wollen die Athleten des Bundesstützpunktes Heidelberg im Olympiajahr machen. Seit 1992 war die Trainingsgruppe von Michael Spikermann stets mit einem oder zwei Sportlern bei den Spielen dabei. "Diese Tradition wollen wir fortsetzen", sagt der Coach. Diesmal hat er allerdings gleich sieben heiße Eisen im Feuer. So viele wie noch nie zuvor.
Philip Heinz, Clemens Rapp, Sarah Köhler und Kevin Wedel waren zuletzt so schnell unterwegs, dass sie die Olympianorm bei den deutschen Meisterschaften von Donnerstag bis Sonntag in Berlin unterbieten könnten. Allerdings: Auf die sogenannte Longlist der potenziellen Olympiateilnehmer kommt nur, wer entweder Meister oder Vizemeister wird und im Vorlauf so schnell schwimmt wie die ersten 16 und im Finale so schnell wie die ersten Zehn der letzten Weltmeisterschaft.
Damit nicht genug: Die DM ist nur die erste Hürde auf dem Weg nach Rio. Die Zeiten müssen bei den German Open vom 5. bis 8. Juli in Berlin bestätigt werden. Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) hat den Überprüfungswettkampf eingeführt, weil seine Athleten bei den großen Turnieren schlechtere Zeiten ablieferten als beim nationalen Höhepunkt. Bei den Spielen in London waren die Beckenschwimmer sogar leer ausgegangen.
Nina Kost könnte zudem einen Staffelplatz ergattern, wenn sie es in Berlin über 100 m Freistil unter die ersten Vier schafft. Dieses Quartett müsste sich allerdings auch für die EM vom 19. bis 22. Mai in London qualifizieren, wo es dann das Ticket nach Rio lösen könnte. "Nina war deutsche Meisterin auf der kurzen Bahn", sagt Spikermann, "ich erhoffe mir in Berlin schon einen Medaillenrang."
Die Schweizerin Martina van Berkel und Julia Hassler aus Liechtenstein, die beide am Stützpunkt Heidelberg trainieren und die DM als Test nutzen, sind für ihre Heimatländer schon so gut wie für Rio qualifiziert. "Ihre Normzeiten sind nicht ganz so streng", sagt Spikermann.
Philip Heintz fährt sehr optimistisch nach Berlin. "Ich hatte eine gute Saison", sagt der 25-Jährige, "wenn nichts schief läuft, sollte ich meine persönliche Bestzeit steigern." Sein Hauptaugenmerk legt der Sportsoldat auf die 200 m Lagen. Auf seiner Lieblingsstrecke war er 2014 Vize-Europameister auf der langen Bahn und 2013 Europameister im 25-m-Becken. 1:59,64 Minuten müsste Heintz im Finale schwimmen. Vor zwei Jahren hat er die Strecke schon mal in 1:58,13 Minuten zurückgelegt.
Außerdem startet er über 100 und 200 m Freistil, 100 m Schmetterling und 400 m Lagen. "Ihm geht es dabei vor allem um einen Platz in einer Freistilstaffel in Rio", sagt Spikermann. In Brasilien möchte er etwas gut machen. "Denn London vor vier Jahren lief für mich sehr bescheiden", sagt Heintz. Damals landete er auf Rang 27.
Auch Clemens Rapp hat es auf die Staffel abgesehen. Doch so stark war die deutsche Konkurrenz über 200 m Freistil noch nie. "Allein acht Athleten könnten die Norm schaffen", glaubt Spikermann. Vor vier Jahren in London holte das deutsche Quartett als Vierter die beste Platzierung für den DSV. "Auch in diesem Jahr sind die 4 x 200 Meter einige der wenigen Strecken, auf denen wir uns in Rio Medaillenchancen ausrechnen dürfen", meint Spikermann. Vier Hundertstel war Rapp schon mal unter der Norm. "Im letzten Jahr war die Konkurrenz ähnlich stark", lässt er sich nicht beeindrucken, "mein Ziel ist eine neue Bestzeit."
Schade: Der SV Nikar Heidelberg konnte Rapp nicht halten. Der 26-Jährige, der bei der SRH seinen Master als Wirtschaftsingenieur macht, wechselte vor kurzem zur Neckarsulmer SU. "Ich habe dort schon seit zwei Jahren ein Patenschaft als Trainer", erklärt er.
Sarah Köhler von der SG Frankfurt, die seit vielen Jahren in Heidelberg lebt und trainiert, könnte die Olympianorm über 400 und 800 m Freistil knacken. Auch über 200 m war sie zuletzt in den Medaillen. Auf die nichtolympischen 1500 m verzichtet sie diesmal.
Auch der Mainzer Kevin Wedel könnte über 400 m Lagen die Olympianorm schwimmen. "Sie liegt im Bereich seiner Bestzeit", sagt Spikermann. Das Problem: Am deutschen Meister Jakob Heidtmann gibt es wohl kein Vorbeikommen. Und der zweite Konkurrent Johannes Hintze (17) ist fünf Jahre jünger. "Er hat aufgrund seines Alters eine höhere Entwicklungsrate", fürchtet Spikermann.
Selina Hocke, Tina Rüger, Mark Fischer und Simon Hengel vom SV Nikar Heidelberg sollten ins Finale kommen und könnten es auch aufs Treppchen schaffen. "Hengel hat eine kleine Chance, aber eine sehr große Hoffnung", sagt Spikermann. Der Kurzstreckenspezialist könnte über 50 m Freistil und 50 m Schmetterling für eine Überraschung sorgen.
Aus der Gruppe von Juniorentrainerin Uta Brandl nehmen acht junge Schwimmer teil, die allerdings auch noch einmal bei den Jahrgangsmeisterschaften Ende Juni starten dürfen. Maialen Rohrbach vom SwimTeam Heddesheim/Dossenheim kämpft allerdings schon jetzt um das Ticket für die Junioren-EM vom 6. bis 10. Juli im ungarischen Hodmezovasar. Und für Felix Ziemann, Paul Reither und Oliver Tabor geht es darum, sich für den C-Kader und das Junioren-Nationalteam zu qualifizieren.
Das Aufgebot des Stützpunktes Heidelberg: Philip Heintz, Nina Kost, Tina Rüger, Selina Hocke, Mark Fischer Simon Hengel, Julia Hassler, Martina van Berkel, Judith Baumeister, Felix Ziemann, Nadine Laemmler, Jeremy-Jay Krogull-Hull (alle Nikar Heidelberg), Lil Zyprian, Maialen Rohrbach (beide Heddesheim/Dossenheim), Torsten Rau, Oliver Tabor, Paul Reither (alle Neptun Leimen), Sarah Köhler (SG Frankfurt), Clemens Rapp (Neckarsulmer SU), Kevin Wedel (SG EWR Rheinhessen).



