SV Waldhof Mannheim ergreift erste Sofort-Maßnahmen
Ende der Fan-Selbstverwaltung der Osttribüne – Mehr Videoüberwachung – Keine Sammelbestellungen von Eintrittskarten

Schon zu Spielbeginn wurden auf der Osttribüne bei einer aufwendigen Choreografie Rauchbomben gezündet, es sollte noch schlimmer gezündelt werden. Foto: vaf
Von Frank Enzenauer
Mannheim. Der Präsident ergriff die Flucht, verließ schnellstmöglich das Stadion. "Ich brauchte dringend Abstand", erklärte Klaus-Rüdiger Geschwill, der daheim in Graben-Neudorf bis tief in die Nacht über den schrecklichen Spielabbruch und das schändliche Handeln von Waldhof-Chaoten grübelte. "Da gibt’s nix zu tolerieren", sagte Geschwill am gestrigen Montag, bevor sich die Klubführung zu einer mehrstündigen Krisensitzung auf der SVW-Geschäftsstelle am Alsenweg traf. "Das sind Idioten, die wir nicht mehr im Stadion sehen wollen", sagte Geschäftsführer Markus Kompp.
In einer Pressemitteilung kündigte der Klub am Abend Sofortmaßnahmen an, wie die Aufhebung der Fan-Selbstverwaltung der Osttribüne, eine Erweiterung der Videoüberwachung, keinen Zugang zum Stadion außerhalb der Spieltage, keine Sammelbestellungen von Eintrittskarten und die Benennung eines hauptamtlichen Sicherheitsbeauftragten. Erste Konsequenzen zog auch PRO Waldhof: der Fandachverband schloss die Ultras Mannheim 1999 aus.
Hintergrund
Ein Kommentar von Wolfgang Brück
Mag sein, dass die Ultras Recht haben, wenn sie behaupten: Der SV Waldhof ist nicht tot zu kriegen. Nur: Wer hat, tot oder lebendig, überhaupt noch ein Interesse an diesem Verein? Außer der Justiz. Mit Grausen wenden sich alle ab, die
Ein Kommentar von Wolfgang Brück
Mag sein, dass die Ultras Recht haben, wenn sie behaupten: Der SV Waldhof ist nicht tot zu kriegen. Nur: Wer hat, tot oder lebendig, überhaupt noch ein Interesse an diesem Verein? Außer der Justiz. Mit Grausen wenden sich alle ab, die den Sport lieben. Denn Sport funktioniert nur, wenn man auch verlieren kann. Und nein, es sind nicht nur eine Handvoll Chaoten, die Schuld waren, dass das Aufstiegsspiel abgebrochen werden musste. Es waren Hunderte, die den Fußball missbrauchten. Um einem leeren Leben einen falschen Inhalt zu geben oder warum auch immer.
Natürlich ist der Verein verantwortlich, der nichts oder zu wenig unternimmt, um zu verhindern, dass er zur Spielweise von Rabauken wird, deren Gewaltexzesse den Steuerzahler viel Geld kosten. Auch darüber wird man reden müssen.
Es eine Schande für den Fußball, für Mannheim, für die sportbegeisterte Metropolregion. Sie steht nun von Flensburg bis Freiburg am Pranger. Und es ist eine Tragödie für ehrenwerte Menschen wie die Spagerer, Pohl und Kilian oder auch den hoch anständigen Präsidenten Klaus-Rüdiger Geschwill, die in der Tradition des altehrwürdigen Arbeitervereins ihr Ehrenamt verrichten. Denn auch die gibt es. Nur spricht derzeit keiner von ihnen.
Der Imageschaden ist gigantisch für den Fußball-Regionalligisten, nachdem das Relegationsrückspiel gegen den KFC Uerdingen in der 82. Minute beim Stande von 1:2 durch Schiedsrichter Patrick Ittrich abgebrochen werden musste (das Hinspiel verlor der SV Waldhof 0:1). Wiederholt wurden auf der Otto-Siffling-Tribüne diverse Feuerwerkskörper gezündet, mehrere Geschosse flogen aufs Spielfeld.
Rund fünfzig schwarz vermummte Krawallmacher wüteten ungebremst. Eine Aktion mit Ansage: Sieg oder Spielabbruch, soll das Motto in Internet-Foren gewesen sein. Am Tag nach dem Skandalspiel bestätigte der Verein der RNZ, dass Ultras bereits in der Nacht zum Samstag im Stadion eine Grillparty veranstalten durften.
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Bei dieser Gelegenheit könnte verbotene Pyrotechnik deponiert worden sein. Von einer "erneut erheblichen Sicherheitslücke im Kontrollsystem", sprach Thomas Mohr von der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Bei den Krawallen vor, während und nach dem Spiel wurden 45 Personen verletzt, darunter sechs Polizisten. Es kam zu zehn Festnahmen und bislang 24 Strafanzeigen. Nach Auswertung der Videoaufzeichnungen könnten weitere hinzukommen wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz.
Ermittlungen nimmt der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf. Dem SV Waldhof drohen drastische Strafen. Eine Geldbuße in sechsstelliger Höhe ist denkbar, zudem könnte der SVW mit einem "Geisterspiel" sanktioniert werden.
DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann äußerte sich am Sonntag im Carl-Benz-Stadion erregt: "Heute hat man erneut gesehen, weshalb der SV Waldhof einen schlechten Ruf hat. Ich habe so etwas noch nie erlebt, einen Spielabbruch auf so einer Ebene. Da müssen wir nicht mehr über Fußballkultur reden."
Auch DFB-Chef Reinhard Grindel will die Randale nicht in Verbindung mit Debatten um die unliebsame Relegation bringen. "Wir haben beim Bundestag gerade eine neue Aufstiegsregelung beschlossen, die unter anderem dazu führt, dass der Meister aus dem Südwesten ab 18/19 fest aufsteigt", twitterte der DFB-Präsident. "Davon abgesehen kann die Aufstiegsregelung keine Begründung für Gewalt sein."
Grindel reagierte mit seinem Tweet wohl auch auf eine Meinung von Uerdingens Angreifer Maximilian Beister. "Wenn du dreimal in die Relegation musst als Meister oder Vize-Meister und es dreimal nicht packst, dann ist die Enttäuschung, dann ist der Frust da", sagte der langjährige Bundesliga-Profi. "Von Verbandsseite muss sich keiner wundern, dass die Leute ausrasten, wenn du dreimal in so eine Scheiß-Relegation musst und dreimal scheiterst."



