Schwartz-Team holt einen Punkt im Ostseestadion (Update)
Nach der 1:6-Niederlage gegen Darmstadt finden die Kurpfälzer in Rostock mit einem 1:1 zurück in die Spur.

Von Wolfgang Brück
Rostock. Die Versuche, Fußball zu erklären, machen die Montag-Ausgaben der Zeitungen zu den beliebtesten der Woche. Aber häufig sind Zahlen und Daten nicht in Übereinklang mit dem Ergebnis zu bringen. In Rostock sprach nahezu alles gegen den SV Sandhausen: 0:9-Ecken, 4:16-Torschüsse, nur ein Drittel Ballbesitz. Doch die Kurpfälzer nahmen mit dem 1:1 einen Punkt mit. Arne Sicker brachte Sandhausen in Führung (30.). John Verhoek glich für Hansa aus (54.).
Es war bereits der siebte Zähler in einem fremden Stadion. Auch der Beweis, dass das 1:6-Debakel gegen Darmstadt keine tieferen Spuren hinterlassen hat. Das Unentschieden war glücklich – und wichtig für die Moral. Eine Abwehrschlacht, wie sie die Sandhäuser vor 21 200 Zuschauern im Ostseestadion lieferten, schweißt zusammen.
Aufopferungsvoll ist der Begriff, der den Kampf am besten beschreibt. Der Preis waren Brummschädel und dicke Knöchel. Aleksandr Zhirov und Erik Zenga mussten wegen Kopfverletzungen behandelt werden. Für Tim Kister ging es nicht weiter. Falls Christian Bieser und Franziska Wickenhäuser bei Stefan Korn Sonderurlaub beantragen, der Chef von Therasport sollte darüber nachdenken. Die Physio-Therapeutin aus Frauenweiler, Tochter des ehemaligen Kreis-Jugendleiters Eugen Wickenhäuser und der Routinier aus Mainz waren mit ihren Kofferchen ständig auf Achse. Ein Team besteht nicht nur aus elf Spielern.
Auch Harm Osmers trug zum Gelingen bei. Der Investitions-Kontrolleur aus Bremen saß im Kölner Video-Keller. Er traf Entscheidungen, die vorteilhaft für den SV Sandhausen waren. Beim 1:0 durch Sicker – sein erstes Zweitliga-Tor überhaupt – verneinte Osmers eine Abseitsstellung. Es ging um Millimeter. Als Charlison Benschop der Ball an die Hand sprang (52.), forderten sie in der Hölle des Nordens einen Strafstoß. Die Video-Beweise fielen zugunsten der Kurpfälzer aus – jeweils nach minutenlangem Bangen.
Es gab mehr brenzlige Situationen. Ridge Munsy köpfte ans Außennetz (19). Ein Schuss von Nico Neidhart ging knapp drüber (45.+3). Kurz vor Schluss hätten sich die Gastgeber erfolgreich für die Serie "Pleiten, Pech und Pannen" bewerben können. Hanno Behrens abgefälschter Schuss prallte von der Latte zurück, der Kopfball von Munsy klatschte vom Pfosten weg und Behrens schaffte es, den Ball aus zwei Metern ebenso hoch übers Tor zu setzen (82.).
Glück habe man gehabt, räumte Alois Schwartz ein. Der 54-jährige Fußballlehrer vergaß aber auch nicht, die einzige Chance seiner Mannschaft zu erwähnen. Benschop fand in Torwart Markus Kolke seinen Meister (60.).
Ansonsten hatten die Sandhäuser Angreifer ihre auffälligsten Szenen im eigenen Strafraum. Der umstrittenen Abwehraktion von Benschop ließ Daniel Keita-Ruel ein Beinahe-Eigentor folgen (68.).
Der Patient liegt noch auf der Intensivstation. Aber die Notfall-Maßnahmen haben in Rostock gegriffen. Weil die Psychologie wichtig ist, war es von großem Vorteil, dass Dennis Diekmeier wieder mitmachen konnte. Seine positive Ausstrahlung ist unbezahlbar, auch wenn der Trainer meinte, er sei noch nicht wieder bei hundert Prozent. Mit Tim Kister für Immanuel Höhn nahm Schwartz eine zweite Umstellung in der Viererkette vor. Der sowohl an Jahren als auch an Dienstzeit älteste Sandhäuser kämpfte bravourös – bis zu seiner Auswechslung (52.). Mit einem dick bandagierten Knöchel verließ der Held das Schlachtfeld. Kurz darauf glich Rostock aus.
Ob Kister, der noch in diesem Jahr 35 wird, am Sonntag gegen Bremen wieder mitmachen kann, wird heute von der Untersuchung durch Dr. Nik Streich abhängen. Am Sonntag saßen zwei Torleute auf der Bank. Janik Bachmann, Christian Genthe und Carlo Sickinger konnten wegen Erkältungen die weiteste Reise in dieser Saison nicht mitmachen. Julius Biada und Gianluca Gaudino sind mit dem Training im Rückstand. Das gilt auch für Pascal Testroet. Der Trainer entschied sich gegen den Torjäger, der ohnehin nicht als Laufwunder gilt, sondern ein Strafraum-Spieler ist.
In der Winterpause wird man vermutlich über neue Spieler nachdenken. 26 Profis, darunter vier Torhüter, stehen unter Vertrag. Der Kader – weitgehend ohne Scouts und unter Zeitdruck zusammengestellt – ist optimierbar.
Vier Punkte aus drei Spielen mit Schwartz sind ein vorzeigbares Ergebnis. Einen Schnitt von 1,3 Punkten hat schon lange kein Sandhäuser Trainer mehr vorweisen können.
Falls man mit dieser Bilanz in die Adventszeit geht, kann keiner meckern. Die nächsten Gegner heißen Bremen (H), Dresden und St. Pauli (A), Nürnberg (H) und Schalke (A). Es ist ernst, aber keinesfalls hoffnungslos.
Rostock: Kolke - Neidhart (82. Meier), Meißner, Roßbach, Rizzuto - Fröde - Behrens (82. Duljevic), Rhein (71. Bahn) - Omladic, Munsy (71. Mamba) - Verhoek
Sandhausen: Drewes - Diekmeier, Kister (52. Diakhite), Zhirov, Okoroji - Zenga, Ritzmaier (90.+3 Höhn) - Esswein (77. Soukou), Sicker - Benschop, Keita-Ruel (77. Testroet)
Schiedsrichter: Günsch (Berlin)
Zuschauer: 21.200
Tore: 0:1 Sicker (30., nach Videobeweis), 1:1 Verhoek (54.)
Update: Sonntag, 17. Oktober 2021, 19.33 Uhr



