SV Obrigheim siegt und der AC Mutterstadt jubelt
Bundesliga: Gewichtheber gewinnen in der Pfalz 827,1:801,8, aber verlieren einen Punkt im Stoßen - Marius Oechsle wackelte

139 Punkte, der Obrigheimer Jakob Neufeld überzeugte wieder einmal durch seine Konstanz. Fotos: Thomas Kottal
Von Roland Karle
Mutterstadt/Obrigheim. Die Obrigheimer Gewichtheber haben auch ihren zweiten Wettkampf in der noch jungen Bundesliga-Saison für sich entschieden. Mit 827,1:801,8 Relativpunkten hielten sie den AC Mutterstadt auf Distanz. "Damit können wir zufrieden sein", resümiert Teamchef Manuel Noe. Wer das Ergebnis nicht kannte, musste am Samstagabend in der vollbesetzten AC-Halle jedoch fast annehmen, dass Gastgeber Mutterstadt das Duell gewonnen hat. Die Athleten strahlten, ihre Anhänger jubelten, der Hallensprecher stellte fest: "Wir haben’s endlich geschafft."

"Wir können zufrieden sein", resümiert Teamchef Manuel Noe.
Gemeint ist mit "endlich geschafft" die Tatsache, dass der AC Mutterstadt im Stoßen die bessere Mannschaft war. Mit 504,9:488,3 Punkten entschieden die Pfälzer das Kräftemessen in der zweiten Disziplin für sich. "Wir wussten, dass es eng werden würde", sagt Noe. Zusammen mit seinem Vorgänger Edmund Ehrmann, der während des Wettkampfs den Computer mit aktuellen Daten und Prognosen fütterte, hatte er stets einen präzisen Blick darauf, wie sich Wunsch und Wirklichkeit entwickelten. Laut Hochrechnung hätte Obrigheim das Stoßen hauchdünn, mit 0,7 Kilopunkten, also der Kleinigkeit von 700 Gramm, gewinnen müssen. Doch die Prognose aus dem PC unterschied sich dann doch von dem, was sich auf der Bühne zutrug.
Mutterstadt hatte das Reißen deutlich verloren (296,9:338,8) und die Aussichten, den Wettkampf komplett zu drehen, waren düster. Aber: Im Stoßen rechneten sich die bis dato unbesiegten Athleten von Trainer Dennis Eicher einiges aus. Und so gingen sie auch zu Werke: Zupackend, konzentriert, selbstbewusst. Sie zeigten kaum Schwächen, erlaubten sich in den beiden ersten Durchgängen keinen Fehlversuch. Was die Situation für die Obrigheimer Gewichtheber zusätzlich erschwerte: Sie hatten deutlich mehr leichtere Athleten im Team als ihr Gegner - Mutterstadt bot vier Stemmer mit 86 Kilo und mehr auf, Obrigheim nur einen - und mussten deshalb stets vorlegen. Die Gastgeber konnten kontern.
Das funktionierte bei Obrigheim dennoch sehr ordentlich, bis auf eine Ausnahme: Marius Oechsle, nach der Pause für Adrian Müller eingewechselt, patzte im ersten Stoßversuch bei 143 Kilo. Eine Last, die ihn in Normalform nicht vor große Probleme stellt. Deshalb bestellte er anschließend zwei Kilo mehr - und scheiterte erneut beim Ausstoßen. Während seine Teamkollegen durchweg die ersten beiden Versuche gemeistert hatten, stand bei Oechsle eine Null im Protokoll. Hatte sich der 23-Jährige, der wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel in der ersten Bundesliga-Begegnung gegen Durlach vor vier Wochen pausieren musste, zu viel zugemutet? "Er war fit und stark genug, hat die Last auch gut umgesetzt. Aber die Anspannung im Wettkampf war ihm anzumerken", sagt Teamchef Noe. Als Oechsle zu seinem dritten Versuch auf die Bühne marschiert, ist der Punkt im Stoßen schon nicht mehr zu gewinnen - nun geht es darum, den Sieg zu retten. Scheitert der Heber erneut und baut ein Loch, fehlen in der Endabrechnung fast 70 Punkte. Ein Minus, das nicht zu kompensieren wäre. "Für Marius war das schon eine enorme Belastung", schildert Noe die Minuten und Sekunden vor dessen dritten Anlauf. Das Daumendrücken der etwa 80 Obrigheimer Fans und den insgesamt rund 320 Zuschauern sollte sich lohnen. Oechsle hielt den 145 Kilo und der besonderen Belastung Stand. "Das hat Marius richtig gut gemacht", sagt Noe und war selbst enorm erleichtert.
Statt 152 wie geplant, waren es sieben Kilo weniger geworden. Weil sich auch Gheorghii Cernei schwächer als erwartet präsentierte und statt mindestens 170 nur 164 Kilo stieß, fehlten gegenüber der Kalkulation 13 Punkte. Zu viele, um den AC Mutterstadt in Bedrängnis zu bringen, der mit dem Österreicher Philipp Forster kurzfristig seinen zweiten Ausländerplatz neu besetzte. Der 106-Kilo-Mann feierte vor den Augen von Olympiasieger Ronny Weller einen gelungenen Einstand. Das Stoßen beendete Forster mit 201 Kilo und persönlichem Rekord, in der Gesamtwertung war er mit 153 Relativpunkten zweitbester Heber seines Teams hinter dem Kroaten Amar Music (164,2).
Beim SV Obrigheim bestätigten die Nationalmannschaftskollegen Nico Müller und Matthäus Hofmann ihre hervorragende Verfassung. Beide servierten sechs gültige Versuche, das gelang an diesem Abend keinem anderen der insgesamt 13 eingesetzten Gewichtheber auf beiden Seiten. "Ein starker und souveräner Auftritt" lobte Noe. Müller holte sich mit 167 Punkten auch den Tagessieg in der Einzelwertung, Hofmann holte 130 Punkte. Im Soll bewegten sich auch Jakob Neufeld, der nach 150 Punkten bei der DM in Speyer vor einer Woche nun 139 Punkte in der Bundesliga folgen ließ, sowie Alexander Oberkirsch, dem jeweils sein dritter Versuch misslang und der am Ende 132 Punkte auf dem Konto hatte.
Gheorghii Cernei kam mit 140,6 Punkten zwar als zweitbester Obrigheim ins Ziel, doch der Rumäne erfüllt derzeit die Erwartungen nicht. "Er wollte mehr machen", berichtet Teamchef Noe, "uns hat sich sogar entschuldigt dafür, dass es nicht geklappt hat". Dagegen schaffte Adrian Müller im Reißen mit 108 Kilo sogar etwas mehr als von ihm angekündigt. Der mit 64 Kilo leichteste Athlet im Team absolviert eine Ausbildung bei der Polizei in Lahr und kann deshalb kaum trainieren. "Unter diesen Vorzeichen war das eine gute Vorstellung von Adrian", sagt Noe.
Nach einem aufregenden und aufreibenden Abend bilanziert der Teamchef: "Wir hätten 3:0 gewinnen können, das haben wir leider nicht geschafft, aber dennoch unser Soll erfüllt. Und angesichts des Wettkampfverlaufs mit dem gerade noch verhinderten Loch von Marius Oechsle sind wir durchaus mit einem blauen Auge davongekommen." Feststeht: Durch den 2:1-Sieg hat Obrigheim einen ernsthaften Rivalen um Platz zwei in der Bundesliga Süd-West auf Abstand gehalten und sich eine gute Ausgangsposition für den Heimkampf gegen den deutschen Meister AV Speyer am 16. Dezember geschaffen. Noe: "Das soll zum Abschluss des Jahres nochmal ein richtiger Höhepunkt für uns werden. Speyer ist Favorit, aber wir werden angreifen und Bestleistung anstreben."
Die Athleten und ihre Leistungen
Nico Müller (78,1 kg Körpergewicht): 148 kg Reißen + 175 kg Stoßen / 0 Fehlversuche = 167,0 Punkte.
Gheorghii Cernei (80,2 kg): 137 kg + 164 kg / 3 = 140,6 Punkte.
Jakob Neufeld (77,0 kg): 130 kg + 160 kg / 1 = 139 Punkte.
Alexander Oberkirsch (77,0 kg): 132 kg + 151 kg / 2 = 132 Punkte.
Matthäus Hofmann (104,8 kg): 154 kg + 180 kg / 0 = 130,0 Punkte.
Marius Oechsle (76,8 kg): 145 kg Stoßen / 2 = 69,5 Punkte.
Adrian Müller (64,2 kg): 108 kg Reißen / 0 = 49,0 Punkte.



