Flick nicht mehr Bundestrainer - DFB zieht Konsequenzen
Das war's. Hansi Flick ist nicht mehr Bundestrainer. Die Blamage der Fußball-Nationalmannschaft am Samstag gegen Japan war eine zu viel.

Wolfsburg. (dpa) Hansi Flick ist nicht mehr Bundestrainer. Der Deutsche Fußball-Bund trennte sich am Sonntag von dem 58-Jährigen, der Verband zog die Konsequenzen nach dem 1:4 am Samstag in Wolfsburg gegen Japan.
Beim nächsten Länderspiel gegen Frankreich am Dienstag (21 Uhr/ARD) werden Sportdirektor Rudi Völler, Hannes Wolf und Sandro Wagner die Auswahl interimsweise betreuen.
"Die Gremien waren sich einig, dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Er bezeichnete den Rauswurf Flicks als "unumgänglich". Neun Monate vor der Heim-EM 2024 muss der Verband in einer der tiefsten sportlichen Krisen seiner Geschichte einen neuen Trainer suchen. Ende 2022 war die DFB-Auswahl - auch nach einer Niederlage gegen Japan - in der Vorrunde der WM gescheitert.
Als mögliche Nachfolger waren zuletzt mehrere Kandidaten genannt, allen voran der frühere Bayern-Trainer Julian Nagelsmann (36), der Österreicher Oliver Glasner (49) und auch Völler (63), der nach dem WM-Aus installiert worden war, und Matthias Sammer (56). Die vermeintliche 1A-Lösung Jürgen Klopp (56) ist an den FC Liverpool gebunden.
Sportliche Bilanz historisch schlecht
Flick hatte die Nationalmannschaft nach der EM 2021 von Joachim Löw übernommen und hatte die ersten acht Spiele gewonnen, allerdings gegen bestenfalls zweitklassige Gegner. In Katar flog die DFB-Auswahl nach den Spielen gegen Japan (1:2), Spanien (1:1) und Costa Rica (4:2) verdient raus, Flick schaffte die Stimmungswende in den vergangenen Monaten nicht.
Das 1:4 in Wolfsburg war die dritte Niederlage nacheinander, so erfolglos hatte die Nationalmannschaft zuletzt vor knapp 40 Jahren gespielt. Flick hatte sein Team entgegen seiner Ankündigung, seine "Kernmannschaft" für das Heim-Turnier finden zu wollen wieder stark verändert. Eine neue Taktik mit Joshua Kimmich als im Spielaufbau auch zentral agierendem Rechtsverteidiger ging völlig schief. Flick kassierte in seinem 25. Länderspiel seine höchste Niederlage.
Das öffentliche Training am Sonntagvormittag hatte er noch leiten dürfen. Wenige Stunden später war Schluss.
Update: Sonntag, 10. September 2023, 16.33 Uhr
Tief, tiefer und noch tiefer ...
Von Achim Wittich
Wolfsburg. Rudi Völler, mittlerweile 63 Jahre alt, ist weis(ß)er und besonnener geworden. Vor 20 Jahren, an einem Samstag, den 6. September 2003, explodierte der Fußball-Weltmeister von 1990 und Vizeweltmeister-Trainer von 2002. Nach einem trostlosen 0:0 beim EM-Qualifikationsspiel in Reykjavik war’s, als der gebürtige Hanauer im Fernsehstudio mit Moderator Waldemar Hartmann aneinander geriet.
"Die Sache mit dem Tiefpunkt und nochmal ’n Tiefpunkt und noch mal ’nen niedrigeren Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören, muss ich ganz ehrlich sagen", verlor der damalige Nationalcoach die Fassung. Zu negativ war ihm die Berichterstattung über seine Mannschaft seit langem gewesen, jetzt war’s einfach genug.
Am Samstag war Völler beim Rede- und Antwort-Spiel mit den Medien cleverer. Dabei hätte es kaum einen "tieferen Tiefpunkt" geben können. Im ersten Testspiel der neuen Länderspielsaison war die DFB-Elf auch in dieser Höhe völlig verdient beim 1:4 (1:2) von wieselflinken und in allen fußballerischen Bereichen besseren Japanern ausgespielt worden. "Wir tun gut daran, erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen", sagte er in der Mixed-Zone. "Wir müssen uns jetzt sammeln", so der verschwitzte Völler zu den Journalisten – und lief dann hinaus in die schwüle Wolfsburger Spätsommernacht.
Eine nochmalige Jobgarantie für Flick war das nicht. Und am frühen Sonntagabend war es dann erwartungsgemäß soweit, die Trennung wurde offiziell verkündet. "Die Gremien waren sich einig, dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt", gab’s von DFB-Präsident Bernd Neuendorf die in solchen Fällen übliche Phrase. Völler stand ihm nicht nach: Der Deutsche Fußball Bund habe "verantwortlich handeln" müssen.
Gegen Frankreich am Dienstag (21 Uhr/ZDF) übernimmt ein Trio mit Völler – 19 Jahre nach seinem Rücktritt als Teamchef – U 20-Trainer Hannes Wolf sowie Ex-Nationalspieler Sandro Wagner vorläufig die Betreuung des Patienten.
Der Rauswurf von Flick war nicht mehr abzuwenden. Vor allem die Art und Weise, wie die Asiaten den deutschen Profis um den neuen Kapitän Ilkay Gündogan die sportlichen Leviten lasen, glich einem Albtraum.
Zudem ist die Stimmung mies und das Miteinander empfindlich gestört. Sinnbildlich: Der einzige Lichtblick, Torschütze Leroy Sané, und Innenverteidiger Niklas Süle tauschten sich nach einem Ball-Missverständnis unmissverständlich disharmonisch und gestenreich aus. Es hätte der TV-Dokumentation über die WM in Katar nicht bedurft, um zu verdeutlichen, dass es arge zwischenmenschliche Probleme gibt.
Flick aber war schon als Aktiver ein Kämpfer, ein zäher Bursche und wollte nicht so einfach aufgeben. "Wir sind überzeugt von dem, was wir machen. Deshalb geht es auch so weiter für mich", sagte er um kurz vor Mitternacht auf der Pressekonferenz. Geht es aber nicht mehr.
Am Sonntagmorgen leitete Flick zwar die Trainingseinheit in der Autostadt und an seiner Überzeugung hatte sich nichts geändert. "Ja, ja, ich fighte weiter. Es geht weiter. Das ist so", bekamen die Zaungäste zu hören. Er sollte sich täuschen.
Seine Spieler suchten immerhin die Schuld – zumindest öffentlich – nicht bei ihrem Trainer, sondern fassten sich an die eigene Nase. Wir sind gerade nicht gut genug", befand Gündogan, der vor der Partie zum "Fußballer des Jahres" ausgezeichnet worden war. Einen Nachweis für die große Ehre erbrachte er nicht.
Der nachnominierte Thomas Müller fand im Stadionbauch deutliche Worte: "Die Japaner gehören aktuell sicher zu den Top Zehn, Top 15 der Welt. Und wir gehören da aktuell nicht rein." Allenfalls in der Theorie. "In der Praxis sieht es anders aus", sprach er Klartext.
Ein dreiviertel Jahr vor Beginn der Europameisterschaft in Deutschland ist das eine verheerende Aussage.
Es kann nur besser werden.
Deutschland: ter Stegen - Kimmich, Süle, Rüdiger, Schlotterbeck (64. Gosens) - Can (64. Groß), Gündogan - Sane, Wirtz (73. Brandt), Gnabry (81. Schade) - Havertz (73. Müller)
Japan: Osako/Sanfrecce Hiroshima - Sugawara (84. Hashioka), Itakura, Tomiyasu, Hiroki Ito - Kamada (59. Taniguchi), Endo, Morita (75. Tanaka) - Junya Ito (74. Kubo), Ueda (59. Asano), Mitoma (84. Doan)
Schiedsrichterin: Pinheiro (Portugal)
Tore: 0:1 Junya Ito (11.), 1:1 Sane (19.), 1:2 Ueda (22.), 1:3 Asano (90.), 1:4 Tanaka (90.+2)
Zuschauer: 24.980 (ausverkauft in Wolfsburg)
