3. Handball-Liga

War die Strategie gegen Großsachsen legitim, aber unfair?

Die HG Oftersheim/Schwetzingen dreht mit sieben Feldspielern die Begegnung und gewinnt das Drittliga-Derby in Großsachsen mit 24:22

08.03.2020 UPDATE: 09.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden
Vier Tore, keine Punkte: Großsachsens Michell Hildebrandt machte ein starkes Spiel. F: vaf

Von Tillmann Bauer

Großsachsen. Zeitnehmer leben gefährlich. Im Drittliga-Derby zwischen den Handballern des TV Germania Großsachsen und der HG Oftersheim/Schwetzingen waren neun Minuten gespielt, da mussten die zwei Herren, die sich ehrenwerter Weise um den korrekten Spielstand auf der Anzeigetafel gekümmert haben, ihren Arbeitstisch neu sortieren.

Bedanken konnten sie sich bei Florian Burmeister. Der Rückraumspieler wollte eigentlich den nächsten Tempogegenstoß der Schwetzinger Hyänen einleiten, das ging aber völlig in die Hose – der Ball flog ins Aus und schlug im Geräteraum, wo der Tisch des Spielgerichts stand, mit ordentlich Dampf ein. Eine Szene, die die ersten 30 Minuten des Derbys gut zusammenfasste: Die Gelben spielten die Roten an die Wand, führten zwischenzeitlich 10:3 (20.) und gingen mit einer furiosen 12:7-Führung in die Kabine. Schwetzingen fiel offensiv gar nichts ein, war eigentlich schon geschlagen.

Paradox, dass die "Saasemer" am Ende trotzdem ohne Punkte dastanden. Was geschehen war und warum Großsachsen schließlich mit 22:24 das emotionale Nachbarschaftsduell verlor, versuchten sowohl Holger Löhr, der Übungsleiter der Schwetzinger, als auch Stefan Pohl, der Trainer der Großsachsener, im engen Foyer der Sachsenhalle zu erklären. Sie schaukelten sich hoch.

"Leider ist der Handball nicht mehr so, dass es auf das Spiel Sechs-gegen-Sechs ankommt. Da bin ich Romantiker", sagte Pohl: "Vielleicht müssen wir im kommenden Jahr auch auf die unfaire Variante mit dem zusätzlichen Feldspieler umstellen." Es ertönten Pfiffe im Raum. Pohl: "Es ist zwar ein legitimes Mittel, aus meiner Sicht ist es aber unfair, da lasse ich mir den Mund nicht verbieten."

Was er meinte? Sein Gegenüber, der ehemalige Nationalspieler und Taktikfuchs Löhr, hatte nach der ersten Halbzeit, die aus Sicht seiner Mannschaft katastrophal lief, ordentlich Gesprächsbedarf, reizte jede Minute der Pause aus, um seinen Jungs eine neue Marschroute vorzugeben. Die ging so: War Schwetzingen in der Offensive, setzte Löhr konsequent seinen Torwart auf die Bank und brachte dafür einen zusätzlichen Feldspieler, um dadurch eine personelle Überzahl zu schaffen. Eine Maßnahme, die schon seit einigen Jahren erlaubt ist, von Kreis- bis Bundesliga aber bei Fans, Spielern und Trainern polarisiert. Es gibt Freunde und Feinde.

Löhr ist Befürworter. "Ich kann das, was Stefan gesagt hat, nicht so stehen lassen. In der zweiten Halbzeit werft Ihr im Sechs-gegen-Sechs zehn Tore – dann müsst Ihr eben häufiger treffen", entgegnete er. Lauter Jubel brandete im Foyer auf: "So ist eben heute der Handball, wir nutzen das, da sind wir vielleicht ein bisschen flexibler bei der HG." Auch wenn eine gewisse Grundspannung zu spüren war, klatschten sich die beiden Trainer danach – trotz Corona-Virus – kurz mit der Faust ab.

Das Mikrofon übernahm dafür Yessine Meddeb. "Wir haben es überragend gemacht", sagte der Linkshänder. Als Vize-Weltmeister mit der U19-Nationalmannschaft kam das Kraftpaket im Winter vom Nachwuchs der Rhein-Neckar Löwen und war nun, im rechten Rückraum der Hyänen, ein wichtiger Faktor. Er traf richtige Entscheidungen, während Großsachsen überfordert war und sich technische Fehler erlaubte. Weil die Gelben nicht nur auf den wichtigen Linkshänder Jan Triebskorn verzichten, sondern auch ohne gelernten Mittelmann auskommen mussten, stellte der Sportliche Leiter Thomas Zahn fest: "Wir gehen auf dem Zahnfleisch", sagte er: "Wenn man so stark spielt und dann so einbricht, dann ist das schon etwas demoralisierend." Hängende Köpfe in Gelb, ausgelassene Stimmung in Rot.

Als Belohnung für den fünffachen Torschützen Meddeb gab es nicht nur zwei zusätzliche Punkte, sondern auch als Geschenk ein mit Obst vollgepackten Vesperkorb – und sogar eine Flasche Rotwein. Zumindest auf die Leistung in der zweiten Halbzeit konnte er anstoßen.

Großsachsen: Kehlenbach 6, Buschsieper 6/2, Hildebrandt 4, Meiser 3, Reisig 2, Ulrich 1.

Schwetzingen: Burmeister 6, Meddeb 5, Jungmann 3, Messerschmidt 3, Jansen 3, Schmidberger 2, A. Sauer 2/2.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.