Eiskalt im hohen Norden: Niklas Kirkelokke warf in Kiel sechs Tore für die Löwen. Foto: Pix
Von Daniel Hund
Kiel. Es ist eine Frage, die sich viele stellen, die die Rhein-Neckar Löwen im Herzen tragen: Wo würden die Badener derzeit stehen, wenn Martin Schwalb schon früher als Trainer beim Handball-Bundesligisten angeheuert hätte? Wohl deutlich weiter vorne, mittendrin im Titelrennen – glauben viele.
Und sie könnten Recht haben, denn egal, was der neue Trainer auch macht, es hat Hand und Fuß. Selbst der THW Kiel befand sich beim Nord-Süd-Gipfel im Grübelmodus, schaute sich eine Halbzeit lang häufig nur fragend an. Viktor Szilagyi, der Ehrliche: "Wir hatten richtig Probleme. Respekt für das, was Martin da in der Kürze der Zeit erreicht hat." Sagte der THW-Geschäftsführer während der Pressekonferenz und nickte anerkennend in Richtung des Löwen-Machers.
Schwalb hier, Schwalb da. Vor dem Spiel, als sich seine Jungs warm machten, war das auch schon so. Da schüttelte der ehemalige Meistermacher des HSV Hamburg gefühlt der halben Halle die Hände. Selbst Andy Schmid, den Spielmacher der Löwen, schien das ein wenig zu überraschen, aber er kann damit leben, lächelte: "Seine Aura nimmt uns den Druck. Für uns hat sich keiner interessiert, wir könnten einfach Handball spielen."
Und das 30 Minuten auf einem Super-Level. Es wirkte phasenweise fast so, als wäre man auf einer Zeitreise, quasi back to the roots. Als hätte man die Meister-Sieben aus dem Jahr 2017 damals eingefroren und in Kiel wieder aufgetaut. Da war plötzlich wieder Handball mit Herz und Leidenschaft, mit einem hohen Spaßfaktor.
Eine Erklärung dafür zu finden? Für Schmid kein Problem: "Gute Handballer sind wir auch vor Martin gewesen, aber es braucht eben auch einen Chef."
"Es braucht einen Chef"
Also einen, der vorangeht, der sagt, was passiert und vor allem: wie es zu passieren hat. Als der Schwalb-Coup vor rund zwei Wochen unter Dach und Fach war, hakte die RNZ bei Michael Roth nach, der seinen Trauzeugen in- und auswendig kennt. Roth, mittlerweile selbst wieder Trainer bei den Füchsen Berlin, mit Nachdruck: "Martin ist einer, der junge Spieler weiter entwickeln kann."
Einen wie Niclas Kirkelokke, 25, zum Beispiel. Er ist jung, talentiert und dürfte noch eine große Zukunft vor sich haben. Gezeigt hat er das im gelben Trikot bisher eher selten. Doch am Sonntag war plötzlich alles anders. Der Däne glänzte nicht nur, nein, er explodierte regelrecht. Kiel bekam ihn vor der Pause nicht in den Griff, er flog dem Spitzenreiter förmlich davon. Fliegen trifft es in seinem Fall übrigens ganz gut. Denn wenn Kirkelokke erst einmal abgehoben ist, scheint er regelrecht zu schweben, steht senkrecht in der Luft, nimmt Maß und knallt den Ball mit links aufs Tor.
Der Lohn: sechs Treffer. Einer schöner als der andere. "Überragend, einfach nur überragend", lobte Oliver Roggisch, der Sportliche Leiter der Löwen, "dass er in der zweitem Halbzeit dann eingebrochen ist, lag daran, dass ihm etwas die Kraft ausgegangen ist." Kein Wunder, schließlich war der 1,95-m-Schlaks nach dem kurzfristigen Ausfall von Alexander Petersson (grippaler Infekt) an der Ostsee Alleinunterhalter.
Weiter mit einem Thema, das die ganze Welt in Atem hält: Corona. Auch die Löwen befinden sich in erhöhter Alarmbereitschaft. Geschäftsführerin Jennifer Kettemann sagt: "Entscheidungen bezüglich Großveranstaltungen sind Ländersache und hier liegt uns noch keine Entscheidung vor." Und weiter: "Natürlich wäre es für uns wichtig, die Spiele wie geplant durchzuführen, aber oberste Priorität hat die Gesundheit der Bevölkerung." Gespräche mit der SAP Arena und den Behörden würden schon seit Tagen im Hintergrund laufen.