Von Daniel Hund
Nantes. Es waren Bilder, die unter die Haut gingen. Bilder des totalen Frusts, der puren Enttäuschung. Mit hängenden Köpfen schlichen die Spieler der Rhein-Neckar Löwen am Samstagabend aus dem Palais des Sports de Beaulieu, der Heimspielstätte des HBC Nantes. Manche fluchten auf der Flucht. Raus waren sie da, aus dem Achtelfinale der Champions League gekegelt: Nach dem 34:32-Sieg im Hinspiel setzte es bei den Franzosen eine 27:30 (14:14)-Niederlage.
Eine, die ganz bitter war. Eine, die irgendwie aber auch einen faden Beigeschmack hatte. Denn Nantes hatte leider nicht nur den achten, es hatte auch den neunten Mann im Rücken. Die Zuschauer und die Schiedsrichter. Heftig war’s, was die beiden Polen (Marek Baranowski und Bogdan Lemanowicz) teilweise pfiffen - beziehungsweise nicht pfiffen.
Löwen zeigen Charakter
Schläge mitten ins Gesicht von Jannik Kohlbacher und Alexander Petersson? Egal. Uhr anhalten während mehrerer Unterbrechungen beim letzten Angriff des HBC? Nicht am Samstag. Nikolaj Jacobsen war entsprechend bedient. Der Löwen-Trainer zur RNZ: "Was soll ich jetzt sagen, es waren ein paar Entscheidungen dabei, mit denen ich nicht einverstanden war, ich kann es abernicht ändern." Beispiel Petersson, der bekam bereits Mitte der ersten Halbzeit vor den Augen der Schiedsrichter einen Schlag gegen den Kopf - die TV-Bilder belegen das eindeutig. Und der war so heftig, dass er, als er wieder auf den Beinen war, hin und her wankte wie ein Boxer nach einem Volltreffer. Für ihn war das Spiel danach vorbei. Jacobsen: "Alex konnte nicht mehr richtig sehen, ich befürchtete, dass es eine Gehirnerschütterung sein könnte. Mittlerweile geht es ihm zum Glück wieder besser."
Kaum war die Partie vorbei, drohte es auch für die Schiedsrichter ungemütlich zu werden. Abwehrchef Gedeon Guardiola, bekannt als tadelloser und fairer Sportsmann, stürmte auf das Duo zu, gestikulierte wild mit den Armen. Erst als Gudjon Valur Sigurdsson den Schlichter gab, beruhigte sich die Situation.
Der Frust war nachvollziehbar, schließlich hatte man das Viertelfinale bereits vor Augen. Bis zur 56. Minute lagen die Gelben auf Kurs, verschafften sich viel Respekt im Hexenkessel. "Ich kann meinen Jungs keinen Vorwurf machen", sagte Jacobsen, "sie haben über die vollen 60 Minuten gekämpft und eine sehr gute Leistung gezeigt."
Der Start der Gelben war stark. Hinten stabil, vorne variabel, blitzschnell. Und das spiegelte sich auch auf der Anzeigetafel wider. Löwen 6, Nantes 3. Neun Minuten waren da gespielt. Es wurde kurzzeitig ruhiger im Hexenkessel. Sorgenfalten machten sich breit. Auch bei Thierry Anti, dem Trainer der Heim-Sieben. Der hatte plötzlich Redebedarf: Auszeit. 60 Sekunden durchschnaufen, sprechen, neue Impulse setzen. Schon jetzt ließ sich festhalten, das waren diesmal andere Löwen als zuletzt in Gummersbach. Körpersprache, Emotionen, Konzentration - es passte einfach. War ein blitzsauberer Auftritt bis zur Pause. Das einzige Problem: Der Ertrag stimmte nicht. Das 14:14 zur Halbzeit war zu wenig, entsprach nicht dem Spielverlauf. Die Löwen waren besser, hätten mit zwei, drei Treffern führen müssen.
Kaum zurück auf der Platte, nahm der Druck der Gastgeber zu. Immer wieder schwärmte Nantes pfeilschnell aus. Das Ziel dahinter war klar: So sollte der Abwehr-Angriff-Wechsel der Löwen unterbunden werden. Die Folge waren einfache Tore, während die Jacobsen-Sieben sich jeden Treffer hart erarbeiten musste. Doch das gelang. Auch, weil der Däne die Taktik änderte, in der Schlussphase den Keeper rausnahm und mit sieben Feldspielern anlief. Volles Risiko also. Bis, ja bis Petersson-Vertreter Vladan Lipovina, der ein gutes Spiel machte, in der 59. Minute mit einer Rückraum-Rakete an Torhüter Arnaud Siffert scheiterte. Im Gegenzug traf Bald-Löwe Romain Lagarde zum 30:27. Aus und vorbei.
Besonders bitter: Obwohl es bis zum Saisonende noch über zwei Monate hin sind, können Andy Schmid und Co. eigentlich bereits einen Haken hinter diese Spielzeit machen. Im Pokal und der Königsklasse ausgeschieden, in der Meisterschaft abgeschlagen. Die Abschieds-Tournee von Jacobsen hätte kaum trister enden können.
Spielfilm: 0:1, 3:7, 9:9, 14:14 (Halbzeit), 18:16, 20:17, 24:20, 24:22, 25:24, 28:27, 30:27 (Endstand).
Nantes: Lagarde 8, Lazarov 2, Balaguer 3, Tournat 2, Gurbindo 3, Rivera 8/6, Nyokas 2.
Löwen: Schmid 5/2, Lipovina 5, Sigurdsson 3, Tollbring 2, Fäth 3, Groetzki 2, Guardiola 1, Petersson 1, Kohlbacher 5.