Augen zu und durch: Lukas Nilsson geht mit vollem Zug aufs Tor. Insgesamt setzte er gegen Bietigheim viele Akzente und traf fünfmal. F.: vaf
Von Tillmann Bauer
Göppingen. Die Schlange vor der ehemaligen Hohenstaufen-Halle war lang. Es war laut, von überall tönte Musik, es waren viele fröhliche Menschen unterwegs, vor allem Kinder. Doch sie waren nicht gekommen, um sich den ungefährdeten 39:24-Sieg der Rhein-Neckar Löwen gegen die SG BBM Bietigheim und damit den glorreichen Halbfinal-Einzug beim BGV Handball Cup anzuschauen, vielmehr wollten sie Karussell fahren, Zuckerwatte naschen oder mit Geschick ein Kuschel-Tier beim Dosenwerfen abstauben – es war Kirmes in Göppingen.
Die 468 Menschen, die lieber Sport statt Schiffschaukel sehen wollten, durften die Halle unter Einhaltung der Hygieneregeln betreten und dabei erkennen, dass bei den Gelben wieder einmal Alexander Petersson, Jesper Nielsen, Andy Schmid, Mait Patrail und Mikael Appelgren fehlten. Der schwedische Schlussmann war zwar leicht angeschlagen, feierte aber gestern auch noch seinen Geburtstag – wie schon vergangenes Wochenende (damals Schmid) gab es für das Geburtstagskind frei.
Das war auch okay, schließlich sorgten die, die noch da waren, gegen einen überforderten Gegner schnell für klare Verhältnisse. Die Abwehr stand schon deutlich besser als vergangenes Wochenende gegen Stuttgart; und wenn dann doch mal ein Bietigheimer eine Lücke gefunden hatte, glänzte Andreas Palicka mit spektakulären Paraden – so wurde der Außenseiter schon in der ersten Halbzeit (20:10) schonungslos im Gegenstoß überrollt; das Tempo, die Dynamik, die Aggressivität – vieles ging zu schnell für den Zweitligisten. Bietigheim wurde oft schwindelig gespielt und taumelte, um im Bild zu bleiben, wie nach einer wilden Karussell-Fahrt.
"Man sieht einfach, dass wir ein Team sind", sagte Palicka: "Alle sind irgendwie glücklicher, lachen ein bisschen mehr und haben mehr Lust." Insgesamt verbuchte er starke zehn Paraden und traf sogar zweimal selbst ins leere Tor. Weil Bietigheim im Spiel mit dem siebten Feldspieler generell viele Fehler machte, liefen die torhungrigen Löwen immer wieder auf den verwaisten Kasten zu. Trainer Martin Schwalb sagte: "Grundsätzlich haben wir ein sehr griffiges Spiel gemacht."
Positive Erkenntnisse gab es aus Löwen-Sicht auch im geordneten Angriff. Während die Gefahr gegen Stuttgart noch oftmals vom Kreis ausging, schlug diesmal vor allem die Wucht aus dem Rückraum zu. Niclas Kirkelokke donnerte den Ball allein im ersten Abschnitt viermal ins Netz, auf der anderen Seite verbuchte Neuzugang Lukas Nilsson fünf Treffer – eingesetzt wurden sie meist clever von Uwe Gensheimer, der in den ersten 30 Minuten wieder auf der Mitte Regie führen durfte. Schwalb wechselte nach der Pause zwar den kompletten Rückraum, dem Offensivspiel tat das aber keinen Abbruch. Vor allem dem jungen Philipp Ahouansou war anzumerken, dass er sich unbedingt beweisen wollte. Er machte es gut, ging mutig aufs Tor und belohnte sich mit vier Treffern. Schwalb lacht: "Außer in der Abwehr hat er mir Freude gemacht. Aber man darf nicht vergessen, er ist 19, er darf Fehler machen. Philipp ist für seine Größe echt schnell und macht ordentlich Dampf – er entwickelt sich gut."
Bevor also im Halbfinale am Freitag Frisch Auf! Göppingen wartet, wird am Dienstag noch ausgelost, gegen wen die Löwen in der neuen European Handball League antreten werden.
Und dann geht es übrigens mit den Festtagen weiter: Am Freitag hat Albin Lagergren Geburtstag, er wird 28 – am darauffolgenden Sonntag, an dem das Finale stattfindet, feiert Linksaußen Jerry Tollbring die 25.
Ob Albin Lagergren am Freitag spielen wird? Schwalb war überrascht: "Albin? Albin spielt bei mir immer, weil er ein guter Junge ist – wir haben ganz schön viele Geburtstage, ich hoffe nicht, dass er noch ausfällt."
Bietigheim: Lehrmann, Edvardsson – Rentschler 1, Claus 6/1, Öhler 2/1, Schäfer 4/2, Urban, Bader, Link 4, Asmuth, Barthe 3, Urban, Boschen, Fischer 4.
Löwen: Palicka 2, Gierse – Gensheimer 5/2, Veigel, Kirkelokke 4, Lagarde 1, Tollbring 4/3, Ahouansou 4, Abutovic, Lagergren 1, Groetzki 8, Schneibel, Gislason 3, Nilsson 5, Kohlbacher 2.
Zuschauer: 468 (ausverkauft).