Ein Schritt nach vorne, zwei zurück
Rhein-Neckar Löwen sind nach der Schmach von Gummersbach in der Champions League gefordert

Entschuldigender Beifall: Maßlos enttäuschte Löwen bedanken sich am Donnerstagabend bei ihren mitgereisten Fans. Foto: PIX
Von Daniel Hund
Gummersbach. Wenn er eins nicht mag, ist es zu verlieren. Richtig schlecht ist sie dann, die Laune von Nikolaj Jacobsen. Der Däne legt die Stirn in Falten, schimpft, mosert, was das Zeug hält. Am Donnerstagabend erlebte man nun mal eine andere Seite des Erfolgstrainers der Rhein-Neckar Löwen: Fast regungslos stand er da, schaute fassungslos zu, wie seine Sieben in den letzten Minuten einer sicheren Niederlage entgegensteuerte.
Wohlgemerkt einer Niederlage, die so niemand erwartet hatte. Nicht in Gummersbach, nicht bei einer Mannschaft, die zuletzt von einem Fettnäpfchen ins nächste trat. 23:28 hieß am Ende. Für den Abstiegskandidaten, nicht für den Champions-League-Teilnehmer, der heute ab 19 Uhr um den Einzug ins Viertelfinale der Königsklasse beim HBC Nantes kämpft.
Und dann noch dieser Jacobsen. So emotionslos, so tief enttäuscht. Muss man sich etwa ernsthafte Sorgen machen? Muss man! Jacobsen mit leiser Stimme: "Wenn ich ehrlich bin, habe ich momentan keine Hoffnung, was das Spiel in Nantes angeht. Meine Enttäuschung ist riesig." Sagte es und schaute immer wieder auf den Boden, so als schämte er sich selbst für das, was seine Jungs da kurz zuvor gezeigt hatten.
Mit Tempo-Handball hatte es herzlich wenig zu tun. Es schien fast so, als wolle man das 5:1, diesen Blitzstart über die Zeit retten. Das Problem dabei: Zu diesem Zeitpunkt waren gerade mal fünf Minuten gespielt. Tempo verschleppen ist da die falsche Taktik. Im Fußball ist ein Vier-Tore-Vorsprung ein gutes Polster und mauern ein probates Mittel, aber im Handball?
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Nantes im Hinterkopf?
Oder lag es einfach an der Einstellung, hatte man Nantes bereits im Hinterkopf? Oliver Roggisch, der Sportliche Leiter der Gelben, deutete das in den Katakomben der Gummersbacher Schwalbe Arena an, sprach es aber nicht direkt aus. Nur so viel: "Mit 80 Prozent geht es in der Bundesliga gegen niemanden." Und weiter: "Wir können jetzt nur an den Charakter des Teams appellieren." Oder anders: In Nantes muss eine Reaktion her. Ohne Wenn und Aber.
Allerdings wird es nicht leicht, einfach so wieder den Schalter umzulegen. Noch dazu gegen so einen Gegner und bei solchen Begleitumständen. Von Gummersbach ging es in der Nacht mit dem Bus direkt nach Nantes. Knapp 1000 Kilometer über die Autobahn. Da hat man viel Zeit zum Überlegen und um an sich selbst zu zweifeln.
Der Vorsprung ist nur gering. Das Hinspiel gewannen die Löwen mit 34:32, zelebrierten gegen den Champions-League-Finalisten des Vorjahres teilweise Handball in Perfektion - was die Schmach von Gummersbach noch umso verwunderlicher macht. Auch Jacobsen grübelte: "Ich fand eigentlich, dass wir wieder auf einem guten Weg waren. Aber in dieser Saison ist es leider so, dass auf einen Schritt nach vorne meist zwei Schritte zurück folgen."
Fakt ist: Scheiden die Löwen heute in Nantes aus, ist die Saison für sie vorbei. Für die erfolgsverwöhnten Asse würde es dann nur noch um die goldene Ananas gehen. Das soll natürlich tunlichst vermieden werden. Dass sie das Zeug für ein Happy End in Nantes haben, steht außer Frage. Jacobsen weiß das genau, er wird bis zum Anwurf versuchen, das Beste aus seinem Personal herauszukitzeln, es anstacheln, es bei der Ehre packen. Und wer weiß, möglicherweise setzt gerade so ein Negativerlebnis neue Kräfte frei, sorgt für eine Jetzt-erst-recht-Mentalität.



