Leistungszentrum der Rhein-Neckar Löwen

Hier wird nach Gensheimer 2.0 gesucht

Rolf Bechtold erinnert sich an den jungen Uwe Gensheimer und setzt große Hoffnungen in Martin Schwalb - "Talent macht vielleicht 25 Prozent aus"

01.05.2020 UPDATE: 02.05.2020 06:00 Uhr 3 Minuten
Die Kaderschmiede des zweifachen Deutschen Meisters: Im Kronauer Nachwuchs-Leistungszentrum der Rhein-Neckar Löwen hat Rolf Bechtold das Sagen. Fotos: RNL/ vaf

Von Daniel Hund

Heidelberg. Die schöne neue Handball-Welt liegt auf dem Dorf. Es geht durch verschachtelte Straßen, vorbei an einem Bäcker, einem Metzger und hinter dem Fußballplatz scharf links. Das Navi lotst einen bis an den Feldrand, quer durch Kronau. Dann steht es da, das Nachwuchsleistungs-Zentrum. Der Stolz der Rhein-Neckar Löwen, die Kaderschmiede des zweifachen Deutschen Meisters.

Talente gehen dort ein und aus. Eines verbindet sie alle, es ist der Traum vom großen Handball-Glück. Auch Uwe Gensheimer, der Superstar der Gelben, träumte den einst. Auch er hat mal klein angefangen bevor er die Handball-Welt im Sturm eroberte. Für viele gilt er hier als Vorbild, als Vorzeige-Athlet, als "unser Uwe". Die Suche nach neuen Uwes läuft in Kronau auf Hochtouren. Doch einen Gensheimer 2.0 kann man sich nicht züchten oder backen. Um ähnlich erfolgreich zu sein, braucht es mehr als nur Talent.

Die Kaderschmiede des zweifachen Deutschen Meisters: Im Kronauer Nachwuchs-Leistungszentrum der Rhein-Neckar Löwen hat Rolf Bechtold das Sagen. Fotos: RNL/ vaf

"Talent", sagt Rolf Bechtold, 68, und seufzt, "Talent macht vielleicht 25 Prozent aus, der Rest ist Training, Training und nochmals Training." Und der Leiter des Leistungszentrums weiß, wovon er spricht. Seit 1992 prägt er den Aufstieg der Löwen entscheidend mit.

Auch zu Gensheimer hat er einen besonderen Draht. Bechtold war es, der ihn als 16-Jährigen entdeckte. Damals beim TV Friedrichsfeld. "Gensel" spielte den Gegnern schon vor den Toren Mannheims Knoten in die Beine. Ein Rohdiamant, der allerdings noch geschliffen werden musste. "Uwe war bereits in jungen Jahren besessen vom Handball", erinnert sich Bechtold, "sobald das Training fertig war, machte er einfach weiter, zwirbelte den Ball immer wieder aufs Tor."

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Ähnlich war es bei einem gewissen Christian Zeitz, den Bechtold als echten Straßen-Handballer bezeichnet: "Christian war immer in der Halle, Tore werfen war für ihn das Größte. Egal ob mit den Mädels oder den Männern, er hat einfach überall mittrainiert."

Gensheimer und Zeitz, die Ausnahme-Könner. Ihr Weg war steinig, für ihre Erben ist er noch steiniger. Bechtold zur RNZ: "Ein Verein wie wir, der mittlerweile immer Champions-League-Ambitionen hat, muss stets eine enorme Qualität im Kader haben, für den eigenen Nachwuchs ist es da ganz schwer."

Als Sprungbrett dient die Reserve. Die Junglöwen starten in der starken Süd-Staffel der 3. Liga. Und das mit einem ganz jungen Haufen. Quasi einer verstärkten A-Jugend. Die wurde im letzten Jahr Deutscher Vize-Meister, musste Flensburg in der Endabrechnung wegen einem mickrigen Törchen den Vortritt lassen.

Ergebnisse wie dieses, aber auch die professionellen Strukturen im Leistungszentrum, rufen auch die Handball-Bundesliga (HBL) alljährlich auf den Plan. Bechtold lächelt: "Sie überreichen uns jedes Jahr das HBL-Zertifikat mit Stern." Sagt es und schiebt wie aus der Pistole geschossen hinterher: "Klar ist aber, dass dies alles ohne die Dietmar-Hopp-Stiftung nicht möglich wäre."

Drei, vier Nachwuchs-Asse rücken stets auf, sie dürfen mit der Elite trainieren. Gegen Mikael Appelgren oder Andreas Palicka aufs Tor werfen. Gespannt sind Bechtold und Co. vor allem auf die Entwicklung der beiden Rückraum-Spieler Jannis Schneibel und Philipp Ahouansou sowie von Kreisläufer Benedikt Damm. Bechtold weiß, dass man mit Prognosen im Haifischbecken Profi-Handball vorsichtig sein muss, aber dieses Trio macht Lust auf mehr: "Alle spielen in der Jugend-Nationalmannschaft", sagt er, "ich traue ihnen noch viel zu." Und hier kommt Martin Schwalb ins Spiel. Der neue Löwen-Dompteur sei einer, der mit jungen Leuten umgehen, sie entwickeln kann. Bechtold lächelt wieder: "Ich bin wirklich froh, dass der Martin da ist."

Er selbst ist schon ewig da. 1992 übernahm Bechtold die C-Jugend der TSG Kronau, 1996 holte er mit der B-Jugend die Deutsche Meisterschaft, 1998 den Vize-Titel mit der A-Jugend, ehe im Jahr 2000 der Aufstieg in die Zweite Liga mit den Männern folgte, wo der TSV Östringen unter Trainer Michael Roth bereits am Ball war. Sein Herz für die Jugend war schon damals nicht zu übersehen: Mit Matthias Rohr, Jens Ostheimer, Frank Pagel und Sohnemann Andre hatte Bechtold gleich vier Junioren-Nationalspieler im Kader. Für Östringen ballerte mit Christian Zeitz ein weiterer aufs Tor.

Das Problem: Die Konkurrenz war heiß auf die Youngster. Eigentlich gab es nur eine Rettung: die Fusion. Ein ganz böses Wort damals. Bechtold plötzlich spürbar angespannt: "Es waren zwei verfeindete Vereine, der Aufschrei war gigantisch." Mittlerweile kann man sagen: Es hat sich gelohnt. Denn es ist etwas zusammengewachsen, das in ganz Handball-Deutschland Angst und Schrecken verbreitet.

Bechtold selbst wirbelt mittlerweile im Hintergrund. Sein letzter Abstecher auf die Bank der ersten Mannschaft bleibt aber unvergessen: Am 7. Januar 2005 löste er Frederic Volle als Cheftrainer ab. Die "Kröstis" spielten damals in der Zweiten Liga, hatten eigentlich den direkten Wiederaufstieg im Visier, hinkten als Fünfter aber den eigenen Ansprüchen hinterher. Doch Bechtold kam, sah und siegte: 17 Siege in Serie machten die Rückkehr ins Oberhaus perfekt. Dem totalen Triumph folgte die Rückkehr als Lehrer an die Realschule in Waghäusel. "Das war für mich immer mein Hauptjob", sagt Bechtold. "Ich arbeite gerne mit Jugendlichen zusammen." Bis heute.

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