Lore Eichhorn ist eine Frau mit Stärke an der Platte: Die Turnhalle des Schwetzinger Turnvereins wird in den nächsten Tagen nach ihr benannt. Foto: Norbert Lenhardt
Von Rolf Kienle
Heidelberg. Sie ist topfit, motiviert bis in die Haarspitzen, hat eine beeindruckende Rückhand, bewegt sich gut und vor allem schnell. Und holt Bälle, die andere verloren geben müssen. Das macht die gute Tischtennisspielerin aus. So wie Lore Eichhorn aus Schwetzingen. Seit sie neun Jahre alt ist, spielt sie Tischtennis. Das sind jetzt etwas mehr als 70 Jahre an der Platte. Und zwar jeweils auf hohem Niveau: 360 Erfolge auf badischer, baden-württembergischer und deutscher Ebene hat sie eingefahren. Ein Ende ist nicht in Sicht. Gerade wurde die Schwetzingerin 80, ans Aufhören denkt sie freilich nicht. Jeden Montag ist Training, mittwochs steht Gymnastik auf dem Plan, regelmäßig ist sie auf dem Fahrrad unterwegs. Demnächst finden die baden-württembergischen Meisterschaften statt, da ist sie dabei und im Mai wird sie wieder bei den deutschen Meisterschaften antreten, wie in den vielen Jahrzehnten davor.
Lore Eichhorn aus Schwetzingen bei einem Tischtennis-Wettkampf Mitte der 50er Jahre in London. Foto: privatDer Sport wurde ihr gewissermaßen in die Wiege gelegt: Der Vater war Hausmeister der Turnhalle des TV 1864 an der Friedrichstraße. Man wohnte im gleichen Gebäudekomplex, dem kurfürstlichen Marstall mitten in Schwetzingen. Die Tennisplätze lagen gleich nebenan. Da war der Weg nicht weit zur sportlichen Begeisterung. Und eigentlich war der Vater oder besser: dessen Hausarzt schuld daran, dass die kleine Lore mit dem Tischtennis begann. Der Arzt hatte dem Vater nach einem Schlüsselbeinbruch geraten, zur Rehabilitation Tischtennis zu spielen. Der rekrutierte kurzerhand seine Tochter Lore als Sparringspartnerin. Lore fiel das schnelle Spiel mit dem kleinen Ball leicht, wie sie sagt, sie wurde schnell besser und durfte in die Tischtennis-Abteilung des Turnvereins eintreten. Jeder konnte es sehen: Da war pures Talent. Es sollte nicht lange dauern, bis sie beste badische Schülerin war.
Wer weiß, was ohne die Tennisplätze vor der Haustür geworden wäre. Lore, die damals noch Spilger mit Nachnamen hieß, fing zu einer Zeit mit Tennis an, als das noch ein Sport für die bessere Gesellschaft war, aber sie schlug die Gegnerinnen reihenweise, da duldete man sie mit Vergnügen. Man darf vermuten, dass das Tennis letztlich dazu beigetragen hat, dass aus der Tischtennisspielerin eine Top-Spielerin wurde. Irgendwann kamen die Leichtathletik, das Geräteturnen und das Schwimmen dazu - "es war eine tolle Zeit", schwärmt sie heute noch und ihr Mann Walter nickt. Den kannte sie schon in der Grundschule, die man damals Volksschule nannte. "Er ist bis heute mein größter Unterstützer", sagt sie. Allerdings wurden ihm die Wettkämpfe "irgendwann zu aufregend, da ging er nicht mehr mit."
Ab 1952 war Lore Eichhorn spielberechtigt und lief mit der Nationalmannschaft auf, traf schon Mitte der 50er Jahre unter anderem in London auf internationale Gegnerinnen. Das waren in jener Zeit starke Erlebnisse. Schon früh hatten Bundesligavereine bei Lore angeklopft, um sie abzuwerben, aber der Vater sprach ein Machtwort, sie blieb ihrem Schwetzingen treu. Vor ein paar Tagen erst überraschte der TV 1864 seine Top-Spielerin mit einer kleinen Sensation: Die Turnhalle, in der sie einst startete, wird "Lore-Eichhorn-Halle" heißen. Die Namensträgerin indes ist platt, sie kann die Ehre noch gar nicht fassen. Sie ist trotz der Erfolge immer bescheiden geblieben.
Auch eine Europameisterschaft im letzten Jahr in Spanien oder die Teilnahme an der Weltmeisterschaft im eigenen Land haben nicht das Zeug, sie aus der Ruhe zu bringen. Ihren Tischtennisschläger, an dem sie regelmäßig die Beläge wechselt, nutzt sie seit zwanzig Jahren, einen Ersatzschläger hatte sie nie. Natürlich stehen im Wohnzimmer die Regale voller Pokale, die Medaillen hängen an der Wand, aber gezählt, nein, das hat sie sie nie.
Begeisterung kommt durch, wenn sie davon erzählt, dass der Weltklassespieler Timo Boll ihr zum Gewinn gratulierte oder wie sie gegen die favorisierten und schnellen Chinesinnen spielte: "Ich hab‘ sie weggeputzt, alle vier." Ihr halbes Leben spielt sie mittlerweile bei den Senioren. Jetzt, wo sie 80 Jahre alt ist, werden es weniger Gegnerinnen, aber die sind ebenfalls fit. Und: "Mich werden sie jagen", weiß sie schon jetzt. Eine begehrte Doppel-Partnerin ist sie geblieben, die Anfragen häufen sich.
"Immer in Bewegung bleiben", ist ihr Credo. Dann ist man auch fit. Natürlich weiß sie das Glück zu schätzen, nie ernsthaft verletzt gewesen zu sein. Deshalb habe sie auch zu keinem Zeitpunkt daran gedacht, aufzuhören. "Ich lass‘ das auf mich zukommen."