Philip Heintz will seine Karriere nach Tokio 2021 beenden. Foto: dpa
Von Claus Weber
Heidelberg. Philip Heintz wurde das Talent in die Wiege gelegt. "Er hat ein besonderes Gefühl für Wasser", sagt sein Trainer Dr. Michael Spikermann, "wenn er schwimmt, sieht das sehr leicht aus." Heintz kann nicht widersprechen. "Ich bin lieber im Wasser als an Land", gibt der 29-jährige Heidelberger zu. Vielleicht erklärt sich dadurch die erfolgreiche und inzwischen auch schon lange Karriere des zweifachen Europa- und fünfmaligen Vize-Europameister, die eigentlich in den nächsten Tagen zu Ende gehen sollte.
Doch weil die Olympischen Sommerspiele, deren Eröffnung am kommenden Freitag vorgesehen waren, wegen der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben wurden, hängt Heintz noch ein Jahr dran.
Die Entscheidung ist ihm nicht einfach, allerdings auch nicht richtig schwergefallen – auch wegen seiner Liebe zum nassen Element. "Wasser bedeutet für mich Freiheit und Heilung", sagt er und verrät: "Wenn ich schwimme, dann vergesse ich oft alles um mich herum, und wenn es mir schlecht geht, steige ich ins Schwimmbecken, dann habe ich das Gefühl, eins mit dem Wasser zu sein."
Als Mitglied des Bundeskaders war die Corona-Zwangspause für ihn noch relativ kurz. Ende April durfte er im Becken des Olympiastützpunkts schon wieder seine Bahnen ziehen. Und nun schwimmt Heintz erstmals wieder unter Wettkampfbedingungen – auch wenn es keine Meisterschaften sind, sondern nur eine Leistungs-Überprüfung im heimischen OSP-Hallenbad. "Wir haben einen von insgesamt drei über das Jahr verteilte Trainingszyklen abgeschlossen", erklärt Heintz. Die Ergebnisse sollen nun unter Wettkampfbedingungen, also mit entsprechenden Starts und elektrischen Uhren, kontrolliert werden.
An diesem Wochenende läuft ein Testlauf, am kommenden Wochenende, an dem eigentlich die Schwimm-Wettbewerbe in Tokio hätten beginnen sollen, wird es dann ernst für die Gruppe von Trainer Spikermann. Ihr gehören neben Heintz noch die Liechtensteinerin Julia Hassler, Josha Salchow, Wassili Kuhn, Josephine Tesch und Marie Brockhaus an. Auch Talente aus der Juniorengruppe von Trainerin Uta Brandl und möglicherweise vom neuen Bundesstützpunktcoach Alexander Kreisel sollen beim Überprüfungswettkampf starten.
Philip Heintz, der ebenso wie Julia Hassler das Ticket für Tokio schon gelöst hat, wird allerdings nicht über seine Paradestrecke 200 m Lagen antreten, sondern jeweils 100 m Brust, Freistil, Schmetterling und Rücken abspulen. "Weil die Spiele verschoben wurden, nutzen wir die Zeit, um zu sehen, auf welchen Strecken noch Nachholbedarf besteht", erklärt Heintz. Statt Ausdauer hat er zuletzt an der Schnellkraft gearbeitet. "Bis zu 100 Metern bin ich an meinen Bestleistungen dran", glaubt der 29-Jährige, "ich denke ich bin sehr gut im Plan."
Der erste richtige Wettkampf nach der langen Pause wird wohl erst Mitte, Ende Oktober stattfinden. Dann möchte Heintz in der Profi-Liga starten, deren Wettkämpfe normalerweise in verschiedenen Ländern stattfinden, die aber wegen Corona diesmal über vier bis fünf Wochen nur an einem Ort stattfinden dürfte, um Reisen und Ansteckungsrisiken zu vermeiden. "Ich nehme mal an, die USA und Asien scheiden eher aus", sagt er, "vielleicht finden die Wettkämpfe in Europa oder Australien statt."
Mit den Spekulationen, die Spiele in Tokio könnten ohne Zuschauer, abgespeckt oder womöglich gar nicht stattfinden, will er sich nicht beschäftigen. "Ich halte das alles von mir fern, weil ich sonst nicht 100 Prozent im Training geben könnte", sagt er.
Die Verschiebung der Spiele habe ihm vor wenigen Monaten erst einmal "den Stecker gezogen". Man frage sich dann schon, ob man das ein weiteres Jahr machen wolle, sagt er. Doch die Bundeswehr, die ihn als Sportsoldaten fördert und sein zweiter Arbeitgeber, ein Finanzdienstleister aus Hirschberg, haben Grünes Licht gegeben und Freistellungen möglich gemacht.
Nach dem langsamen Abtrainieren soll im Januar 2022 endgültig Schluss mit Hochleistungssport sein und das Berufsleben beginnen – voraussichtlich im Investmentbereich oder im Bereich Versicherungen. Dabei wollte Heintz ursprünglich mal Ozeanologie in Verbindung mit Geowissenschaften studieren. Die Tiefsee findet Heintz faszinierend. Vielleicht, vermutet er, rührt die Affinität zum Wasser aus der Jugend. "Meine Eltern waren oft segeln mit mir", erinnert er sich. Im Wasser fühlt er sich aber noch wohler als auf dem Wasser.