"Fitter, stärker, einfach besser": Darmstadts Marco Sailer. Foto: dpa
Von Frank Hellmann
Frankfurt. Ein saftiges Steak auf den Teller ergibt einen kernigen Schuss aufs Tor. Wer an Fußball denkt, hat zwar die Gleichung nicht sofort parat, aber der Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Höchstleistung schien in ganzen Generationen verankert. Doch gerade setzt ein Umdenken ein, das auch die lange in ihren vorgefertigten Mustern gefangene Branche erfasst hat. In der jetzt erstmals erscheinenden "sportärztezeitung" heißt ein zentraler Beitrag zum Thema Sporternährung nämlich: "Fleischlos in der Bundesliga".
Hintergrund: Vegane Ernährung liegt im Trend und macht auch vor Profifußballern nicht Halt. Die Grundlagen einer sportgerechten Ernährung und die Möglichkeiten des Fleischverzichts auch für hochklassige Spieler, erläutert der Darmstädter Sportmediziner Dr. Klaus Pöttgen. Zugleich Teamarzt beim Bundesliga-Aufsteiger SV Darmstadt 98, die mit Marco Sailer den vielleicht markantesten Profi beschäftigen, der sich für eine komplett vegane Ernährung entschieden hat.
"Ich fühle mich fitter, stärker, einfach besser", sagt der Publikumsliebling, der mit den "Lilien" den Durchmarsch aus der Dritten Liga mitgemacht hat. Beim 29-Jährigen wurden alle wichtigen Werte wie Zink, Eisen, Kalzium oder Jod untersucht. Kurios: Nur bei der Haaranalyse - dem mächtigen Bart entnommen - zeigte sich ein Zinkmangel, "der sich im Serum und im Vollblut nicht bestätigte" (Pöttgen). Will heißen: alles klar mit Sailer, der seit der Ernährungsumstellung im Dezember 2014 keine Muskelverletzung mehr erlitten hat.
Der lange im Triathlon tätige Pöttgen betont, dass vegane Ernährung bei einem Spitzensportler professionell begleitet werden muss. Es gilt, mittels geeigneter Nahrungsergänzungsmittel, jede Art von Nährstoffmangel zu vermeiden. Vegane Eiweißriegel und hochwertige Eiweißpulver kommen zum Einsatz, um den erhöhten Proteinbedarf - statt 0,8 - 1,2 Gramm bis zu zwei Gramm pro Kilo Körpergewicht täglich - zu decken. "Keiner von uns will sagen, Veganer ernähren sich besser. Aber es ist ein rasanter Trend, der sich sogar im Profifußball wiederfindet", sagt Robert Erbeldinger als Herausgeber der "sportärztezeitung".
Wissenschaft statt Esoterik
Für die vegane oder vegetarische Verköstigung bietet der Spitzensport prominente Beispiele. Sprint-Legende Carl Lewis war einer der wichtigsten Vorreiter, aktuell sind Basketball-Star Dirk Nowitzki, Tennis-Ass Venus Williams oder Schwimm-Weltmeister Marco Koch leuchtende Vorbilder. Sie hat auch Christian Kolodziej wie auf Knopfdruck parat: Seitdem der Fitness- und Konditionstrainer vor vier Jahren zu Eintracht Frankfurt kam, sind die Sinne für gesunde Ernährung geschärft.
"Wir haben nicht komplett umgestellt, sondern seit dieser Saison ein zusätzliches Angebot neben Fisch und Fleisch geschaffen. Den Konsum von Milchprodukten haben wir extrem eingeschränkt: Auf Milchreis oder Eis wird am Tag vor dem Spiel beispielsweise verzichtet", erklärt Kolodziej. Auch der 46-Jährige sieht einen "generellen Trend in der Bundesliga, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und keine Esoterik darstellt." Mit jungen Spielern wie Luca Waldschmidt oder Marc Stendera ging Kolodziej schon in ein veganes Restaurant, um sie auf einen anderen Geschmack zu bringen.
Einen Weg, den auch die Kollegen bei Borussia Dortmund einschlagen. Seitdem Thomas Tuchel das Sagen hat, gelten andere Ernährungsregeln als unter Vorgänger Jürgen Klopp. "Normale Milch konsumiere ich beinahe gar nicht mehr, Käse auch viel weniger. Und ich versuche, nicht jeden Tag Fisch oder Fleisch zu essen", sagte kürzlich Mats Hummels der "Welt". Er ernähre sich noch nicht vegan, habe aber einige Lebensmittel aus diesem Bereich in seinen Haushalt aufgenommen. Beispielsweise Sojamilch. Und wenn Quinoa, die eiweißreichen Samen von Gänsefußgewächsen, auf den Tisch komme, dann schmecke das fantastisch lecker, so der Nationalspieler. Genau wie Hummels haben auch Ilkay Gündogan oder Marcel Schmelzer seit der Ernährungsumstellung mit deutlich weniger Zucker ihr Gewicht um bis zu vier Kilo reduziert.
Für Pöttgen sind aber noch ganz andere Stellschrauben im Alltag eines Fußball-Bundesligisten wichtig. Er habe von internistischer Seite viel verändert, "was Ernährung im Training, beim Spiel und bei Verletzungen angeht". Zwei Stunden vor dem Spiel wird beim Neuling letztmals feste Nahrung zugeführt, dann nur noch Drinks oder Energiegels. Proteinriegel und Shakes seien direkt nach dem Training einzunehmen, erklärt der 51-Jährige. Dafür sind andere Zugaben bei ihm komplett gestrichen: "Bananen und Kuchen vor dem Spiel oder in der Halbzeit gehören bei uns nicht in die Kabine."