Von Eric Schmidt
Sinsheim. Der Koffer ist gepackt. Von Sinsheim geht es heute mit dem Zug nach Frankfurt, von dort mit dem Flieger nach Rio, wo vom 7. bis zum 18. September die Paralympics steigen. Jürgen Vorsatz ist als Co-Trainer der deutschen Sitzvolleyballer mit dabei und assistiert Bundestrainer Rudi Sonnenbichler. "Die Vorfreude ist da", sagt Vorsatz (50) in einem Interview mit der RNZ.
Herr Vorsatz, arbeiten Sie heute noch einmal, bevor es abends nach Brasilien geht?
Ja. Bis zum Mittag, um 12 Uhr.
Warum denn das?
Es geht nicht anders. Ich habe noch ein paar Schreibtischdinge zu erledigen. Um 16.30 Uhr fahren Rudi Sonnenbichler und ich mit dem Zug nach Frankfurt. Dann geht es mit dem Flieger nach Rio. Ich kriege für die Paralympics zehn Tage Sonderurlaub, den Rest habe ich alles mit Urlaub und Überstunden gemacht. Das Gepäck ist so weit fertig.
Nehmen Sie einen Glücksbringer mit?
Ich bin zwar kein Spieler mehr, aber abergläubisch bin ich schon in diesem Bereich. Ich werde immer die gleiche Unterhose anziehen. Das habe ich schon vor vier Jahren in London so gemacht.
Es ist aber nicht dieselbe Unterhose wie vor vier Jahren, oder?
Die Unterhose habe ich schon in Kairo und in der Bundesliga angehabt. Aber die ist so verschlissen, die geht nicht mehr. Jetzt habe ich eine neue. Dann habe ich noch einen Hühnergott von der Ostsee. Der Hühnergott ist ein Stein. Es heißt: Wenn man so einen Hühnergott mit einem Loch drin findet, bringt er Glück.
Wir fragen Sie nicht, welche Farbe die Glücksunterhose hat...
Das können Sie gerne wissen. Rot. Wir greifen an.
Es kribbelt?
Die Vorfreude ist da. Die Spannung auch. Das Schöne ist: Rudi Sonnenbichler und ich durften schon London miterleben. Wir wissen ungefähr, was uns erwartet, obwohl es in Rio andere Olympische Spiele werden. Wir sind selber gespannt, wie es wird. Man hat ja gehört, das Geld ist knapp, die Zuschauer sollen weniger sein. Wir nehmen es einfach so, wie es kommt. Ich bin auch auf das Olympische Dorf gespannt. Die Leute, die schon dort waren, haben gesagt: Wenn man ganz normal drauf ist, kommt man klar. Es ist ordentlich, das Essen passt, es ist alles okay. Es gibt keinen Grund zu meckern.
Wie groß sind Sie?
1,94 Meter.
Ob es die entsprechenden Betten gibt im Olympischen Dorf?
Wir haben keine Extrabetten bestellt. Wir hoffen, dass sie mindestens zwei Meter lang sind. Das wird dann der Überraschungseffekt sein.
Die Mannschaft ist gut drauf?
Das kann man so sagen. Wir sind gut bei-nander. Wir haben einen guten Eindruck von den Jungs. Natürlich wissen wir: Mit Ägypten und Brasilien haben wir harte Gegner in der Gruppe, die USA sind es auch. Unser Ziel ist Halbfinale. Und ich denke, die Tagesform wird entscheiden.
In London gab es Bronze für Ihr Team.
Bronze wäre ein Traum. Aber man muss auch ganz realistisch sagen: Das, was damals in London passierte, war Wahnsinn, Spitze. Wir müssen ehrlich zugeben, dass die Konkurrenz stark ist. Bosnien, Iran, Ägypten werden vorne dabei sein und gutes Niveau haben. Auch die Chinesen darf man nicht unterschätzen.
Die Russen fehlen dieses Mal. Sie dürfen - Stichwort Doping - bei der Paralympics nicht teilnehmen. Eine gute Maßnahme?
Ich bin da zu wenig drin. Wenn die Sportlerinnen und Sportler nichts genommen haben und nicht gedopt sind, finde ich es persönlich sehr hart, sie so abzustrafen - wegen ihrer Verletzung, ihres Unfalls, ihrer Krankheit, die zu einer Behinderung geführt haben, haben sie eh schon ein Handicap. Wenn sie aber auch in den vollen Dopingmechanismen drinhängen, dann ist es absolut gerechtfertigt. Eigentlich hätte ich mir es gewünscht, dass ganz oben durchgegriffen wird. Ich glaube nicht, dass die Russen die Einzigen auf der Welt sind, die etwas nehmen. Sportlich fehlen sie natürlich - sie haben eine sehr, sehr gute Mannschaft. In London waren sie unser Hauptwidersacher.
Ihr erstes Spiel am 9. September gegen Ägypten ist eine harte Nummer.
Aber ich find’s gut. Da wissen wir gleich, wo wir stehen, wir müssen von Anfang an ran. Die müssen volles Rohr gehen, wir müssen volles Rohr gehen.
Für Rudi Sonnenbichler ist Rio die letzte große Mission. Und für Sie?
Für mich auch. Bei mir es definitiv. Ich werde nicht weinen, wenn es vorüber ist, aber ich werde lächeln, weil es so schön war - egal, was in Rio passiert. Es ist ein schöner Abschluss. Den haben wir uns hart erspielt und erkämpft. Wir werden uns voll auf den Sport konzentrieren. Die Gefahr ist ja immer, dass man abgelenkt wird. Wir werden, so lange es geht, den Fokus auf den Sport legen.
Rudi Sonnenbichler schwärmt von seinen Sitzvolleyballern - auch im Unterschied zu den Standvolleyballern.
Für mich ist es eine ganz neue Erfahrung gewesen, nachdem ich 2011 dazugestoßen bin. Für mich besteht Sitzvolleyball aus zwei verschiedenen Sportarten: Das ist zum einen die Sportart Rutschen, und die ist ganz schön anstrengend. Und dann muss man zum anderen noch ein bisschen Ballgefühl haben und Volleyball spielen. Ich ziehe da nur den Hut. Ich sitze ab und zu ja beim Training unten und kann sehr gut nachvollziehen, was man da leisten muss. Das ist schon Wahnsinn. Man wird, wenn man mit den Jungs zusammenkommt, geerdet. Ein Unfall, und plötzlich kann alles ganz anders sein.
Nochmals zur Arbeit: Fahren sie heute mit dem Auto von Sinsheim nach Heilbronn zur IKK classic? Oder mit dem Fahrrad?
Mit dem Rad.
Das ist nicht Ihr Ernst...
Doch. Zu Hause sagen sie, ich habe eine Meise. Heute um 6 steige ich aufs Rad und fahre nach Heilbronn, mittags um 12 Uhr geht es zurück. Eine Strecke sind eine Stunde und 20 Minuten. Ich will richtig platt sein, wenn ich ins Flugzeug steige - und sechs, sieben Stunden schlafen.