Darum geht's beim Bürgerentscheid "Schriesheimer Hof"
Ausbau der Nahversorgung oder Naturerhalt? Der Bürgerentscheid zum 6,4 Hektar großen Gebiet "Schriesheimer Hof" steigt am 26. September.

Von Nicolas Lewe
Wilhelmsfeld. Fast zweitrangig wird die Bundestagswahl am 26. September für die Mitglieder der Bürgerinitiative Schriesheimer Hof. Denn an diesem Tag wird in Wilhelmsfeld parallel bei einem Bürgerentscheid über eine mögliche gewerbliche Bebauung auf dem Areal "Schriesheimer Hof" abgestimmt. Die RNZ erklärt, worum es geht und fasst die Argumente von Befürwortern sowie Gegnern für eine Änderung des Bebauungsplans "Schriesheimer Hof" zusammen.
Die Ausgangslage
Im November 2020 hat der Gemeinderat weitgehend gegen die Stimmen der Grünen Initiative Wilhelmsfeld (GIW) einen Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan "Schriesheimer Hof" verabschiedet. Die 6,4 Hektar große Wiesen- und Ackerfläche im Nordwesten der Gemeinde Wilhelmsfeld ist aktuell als Sondernutzungsgebiet deklariert und darf als solches baulich ausschließlich zu Kur- und Heilzwecken genutzt werden. Die nach dem Gemeinderatsbeschluss gegründete Bürgerinitiative richtet sich gegen die Aufstellung eines Bebauungsplans.
Hintergrund
> Beim Bürgerentscheid sind 2534 Wilhelmsfelder Bürger wahlberechtigt. Wählen dürfen alle über 16-jährigen EU-Bürger, die seit mindestens drei Monaten in Wilhelmsfeld leben. Die Frage lautet: "Sind Sie dafür, dass der Beschluss des Gemeinderats vom 24.11.2020 zur
> Beim Bürgerentscheid sind 2534 Wilhelmsfelder Bürger wahlberechtigt. Wählen dürfen alle über 16-jährigen EU-Bürger, die seit mindestens drei Monaten in Wilhelmsfeld leben. Die Frage lautet: "Sind Sie dafür, dass der Beschluss des Gemeinderats vom 24.11.2020 zur Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet ,Schriesheimer Hof’ aufgehoben wird?" Jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme. Der Bürgerentscheid ist in dem Sinne entschieden, in dem er von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde, wenn diese Mehrheit mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten beträgt. Das Ergebnis kann innerhalb dreier Jahre nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden. lew
In der Novembersitzung war diesbezüglich von einer "Fläche zur Ansiedlung gewerblicher Nutzung" die Rede. Es stelle sich die Frage, wo es "Flächen für einen dauerhaft gesicherten Lebensmittelladen und dergleichen" gibt. Eine Planung sei hier sehr wichtig, um die Infrastruktur vor Ort zu gewährleisten. Das Ergebnis der Planungen wurde im damaligen Protokoll der Sitzung als "noch ganz offen" festgehalten. Genutzt werden könne das Gebiet "zum Beispiel für eine Mobilitätsstation, einen Lebensmittelladen oder die Gastronomie". Eine Wohnbebauung in diesem Bereich wurde seinerzeit ausgeschlossen.
Auch interessant
Von Seiten der Gemeindeverwaltung hieß es, es gehe nicht um ein Gewerbegebiet im herkömmlichen Sinne, sondern um zukunftsfähigen Einzelhandel. Die derzeit hierfür genutzten Flächen seien auf Dauer nicht ausreichend. Mit der Aufstellung des Bebauungsplanes "Schriesheimer Hof" sollen die städtebaulichen Rahmenbedingungen für die Ansiedlung eines Nahversorgungsmarktes beziehungsweise "anderer, sich in die städtebauliche Struktur einfügende gewerblich geprägte Betriebe" geschaffen werden.
Die Befürworter
Unterstützt wird die Entwicklung des Gebiets "Schriesheimer Hof" von den Fraktionen der CDU, der Freien Wähler (FW) sowie der Bürgergemeinschaft Wilhelmsfeld (BGW). In einer gemeinsam veröffentlichten Stellungnahme erklären die Gemeinderatsfraktionen, dass die Nahversorgung und die medizinische Versorgung die Basis für eine lebenswerte Gemeinde sind. Unter anderem das Einkaufen ermögliche soziale Kontakte und bedeute echte Lebensqualität. Der Appell der Befürworter für eine Entwicklung des "Schriesheimer Hofs" lautet: "Wilhelmsfeld soll nicht zum ,Schlafort’ werden."
FW-Fraktionssprecher Stefan Lenz tritt auf Nachfrage der RNZ Gerüchten entgegen, dass das Ziel der Planungen ein Discounter sein soll. Dies sei falsch – es gehe lediglich um einen Vollversorger, "natürlich gerne als Weiterentwicklung des jetzigen Marktes". Durch eine Sicherung der Nahversorgung, so die Schlussfolgerung der Befürworter, steigt die Chance, die Kaufkraft der Bürger im Ort zu halten. Lenz erklärt: "Leider gehen viele Menschen außerhalb einkaufen, was für einen Ort nicht zielführend ist." Der FW-Fraktionssprecher sowie seine Pendants bei der CDU, Melanie Oberhofer, und der BGW, Michael Gärtner, betonen, für diese angedachte Entwicklung die rechtlichen Voraussetzungen schaffen zu wollen.
Zwar solle in einem ersten Schritt das gesamte Areal betrachtet, am Ende jedoch keinesfalls die kompletten 6,4 Hektar überbaut werden. Eine Idee besteht wie berichtet in einem zweistöckigen Gebäude mit Parkplätzen und E-Ladeinfrastruktur an der Altenbacher Straße. Der Flächenverbrauch läge hier bei weniger als einem Hektar. Die verbleibende 5,48 Hektar große Fläche könnte laut Lenz und Co. im Flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewiesen werden. Durch eine zusätzliche Dachbegrünung werde der Blick nicht gestört. Einen Planentwurf hierfür hat die Roth Architekten GmbH aus Schwetzingen im Auftrag von CDU, FW und BGW bereits vorgelegt, vertieft werden würde dieser aber nur im Falle eines entsprechenden Wahlausgangs.
Die Gegner
"Stimmen Sie für den Erhalt der Grün- und Ackerflächen am ,Schriesheimer Hof’." Das fordert die gleichnamige Bürgerinitiative (BI). Dies hätte die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses für einen Bebauungsplan zur Folge. Edit Spielmann, Jochen Schwarz und Joachim Finkbeiner-Rinn sind die Initiatoren der Bürgerinitiative. Alle drei haben als GIW-Alt-Gemeinderäte (Schwarz und Finkbeiner-Rinn) respektive als Vorstandsmitglieder des BUND Steinachtal (Spielmann und Schwarz) einen grünen Hintergrund.
Auf RNZ-Nachfrage erklären die Drei, sie seien unglücklich über die Art und Weise, wie im Vorfeld des Gemeinderatsbeschlusses zur Aufstellung des Bebauungsplanes mit den Grundstückseigentümern und der Bevölkerung umgegangen wurde. "Grundstückseigner wurden über die Pläne vorab nicht informiert", heißt es. Stattdessen sei zunächst versucht worden, Grundstücke zum Verkehrswert als Acker- oder Grünland aufzukaufen, mit der Begründung, Vorratsflächen für die Gemeinde schaffen zu wollen. "Die Pläne zur Ansiedlung eines weiteren Supermarktes wurden den Grundstückseignern verschwiegen", lautet eine zentrale Kritik der BI.
Die Ansiedelung eines weiteren Supermarktes im Sinne einer nachhaltigen Versorgungssicherheit ist nach Meinung der Bebauungsplan-Gegner reine "Augenwischerei". Bei einer derart weitreichenden Entscheidung über die zukünftige Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes hätte man, so die BI, "vor dem Gemeinderatsbeschluss einen öffentlichen, transparenten und ernsthaften Bürgerdialog" erwartet. Eine Gefahr werde darin gesehen, dass der ansässige Einzelhandel der Konkurrenz eines großen Marktes nicht dauerhaft Stand halten könne. Die Bedrohung geschützter Pflanzen- und Tierarten im Bereich "Schriesheimer Hof", wie etwa des Ameisenbläulings, bei dem es sich um einen Schmetterling handelt, sehe man kritisch. Ebenso wie die zusätzliche Bodenversiegelung. Das Fazit der BI: "Die Planungen stellen in unseren Augen eine ernsthafte Gefahr für das Prädikat ,Luftkurort’ und für die Attraktivität Wilhelmsfelds als Naherholungsort dar."
Der Bürgermeister
Christoph Oeldorf betont, dass er als Verwaltungschef dem Gebot der Neutralität verpflichtet sei. Als Mitglied des Gemeinderates habe er seine Position klar dargelegt. Auf die BI-Kritik des Umgangs mit den Grundstückseigentümern entgegnet Oeldorf: "Die Gemeinde Wilhelmsfeld hat und hatte generell kein Interesse an einem Zwischenerwerb von Grundstücken im Bereich des Schriesheimer Hofes." Selbst wenn in anderen Fällen Eigentümer in der Vergangenheit einen Zwischenerwerb angefragt hätten, habe die Gemeinde eine vertragliche Regelung angeboten, welche die Auszahlung möglicher Gewinne aus späteren Verkäufen in voller Höhe an den momentanen Eigentümer geregelt hätte. "Eine solche Regelung halte ich für äußerst fair und transparent", so Oeldorf.