Mauer

87 Schädel für das künftige Museum

Dietrich Wegner vermachte seine Privatsammlung der Stiftung "Urmensch von Mauer" - Zwei Tage lang im Rathaus ausgestellt

03.11.2019 UPDATE: 04.11.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden

Feierten die Übergabe im Rathaus: Cornelia Sussieck (v.l.), Dietrich Wegner mit "Lucy", Volker Liebig, Vorsitzender des Vereins Homo heidelbergensis, und John Ehret mit der Kopie des 605 000 Jahre alten Unterkiefers von Mauer.

Von Jutta Trilsbach

Mauer. "Zukunft braucht Herkunft." So lautet das Motto der Stiftung "Urmensch von Mauer". Damit wertvolle Artefakte einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden können, hat Dietrich Wegner seine private "Schatzschatulle" geöffnet: Das Gründungs- und Ehrenmitglied des Vereins Homo heidelbergensis von Mauer übergab seine Privatsammlung an die Stiftung, die von ihm und seiner Ehefrau Cornelia Sussieck gegründet worden war. Zu der feierlichen Übergabe hatten sich am Samstag Bürgermeister John Ehret, Kuratoriumsmitglieder, Sponsoren und Kooperationspartner der Stiftung, Mitglieder des Vereins Homo heidelbergensis sowie Interessierte aus Nah und Fern im Rathaus eingefunden.

Für Dietrich Wegner schien die offizielle Schenkung kein leichter Schritt zu sein. Mit bebender Stimme verkündete der Biologe inmitten seiner 87 Exemplare umfassenden, lieb gewonnenen Schädelsammlung im Ratssaal: "Ich habe diese wertvollen Schädel und Knochen fast 50 Jahre lang gesammelt und übergebe sie heute in den Besitz der Stiftung, ab jetzt gehören sie nicht mehr mir." Die Sammlung solle nun ein weiterer Grundstock für die Ausstellung und die wissenschaftliche Sammlung des zukünftigen Museums am Fundort in der Sandklinge werden.

Hintergrund

Dietrich Wegner weiß zu den Schädeln seiner Sammlung viel zu erzählen:

> Adapis wegneri (Kopie): Das Original ist etwa 20 Millionen Jahre alt. Er zählt zu den Halbaffen/Lemuren. Gorilla- und Schimpansenschädel wurden als

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Dietrich Wegner weiß zu den Schädeln seiner Sammlung viel zu erzählen:

> Adapis wegneri (Kopie): Das Original ist etwa 20 Millionen Jahre alt. Er zählt zu den Halbaffen/Lemuren. Gorilla- und Schimpansenschädel wurden als Vergleichsobjekte gezeigt, weil sie die nächsten Verwandten im Tierreich zum Menschen sind.

> Der Unterkiefer des Homo rudolfensis (Kopie): Dabei handelt es sich um ein Geschenk von Prof. Friedemann Schrenck. Das Original ist 2,4 Millionen Jahre alt.

> Homo sapiens von Combe Capelle (Kopie): Das rund 10.000 Jahre alte Original fand Wegner im Archiv des Berliner Museums wieder. Man nahm vorher an, der Schädel sei verschollen.

> Lucy und Twiggy: So heißen die Schädel des sehr frühen Homo habilis, ein Vertreter der ältesten bisher gefundenen Vorfahren.

> Originale des heutigen Menschen: Schädel dienen als Vergleichsobjekte zu den Schädeln unserer Vorfahren. (tri)

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Der 77-Jährige schilderte von Besuchen internationaler Museen und original Ausgrabungsstätten, bei denen er immer auf der Suche nach sensationellen Funden war, diese tatsächlich entdecken und auch erwerben konnte. So hatte er in jungen Jahren als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Museum für Ur- und Frühgeschichte in Berlin Glück: Dort entdeckte er den nach dem Krieg als verschollen geglaubten Original-Schädel des Menschen von Combe Capelle wieder. Dieser war Anfang des 20. Jahrhunderts in der französischen Dordogne gefunden und später dem achten vorchristlichen Jahrtausend zugeordnet worden.

Neben wenigen Originalen konnten die Besucher naturgetreue Schädelkopien aus Gips oder Kunststoff bestaunen. Sehr anschaulich schilderte der pensionierte Oberstudienrat von ungeahnten Begegnungen und sogar Betrugsfällen, die er bei seinen Recherchen aufdecken konnte. "Die Kopien, die Sie hier sehen, sind sehr wertvoll und können heute nur noch selten oder gar nicht mehr erworben werden, daher ist es für die Zukunft wichtig, sie zu besitzen."

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Eine Gips-Kopie vom Schädel des Combe Capelle-Menschen (r.) gehört genauso zur Sammlung wie ein echter Menschenschädel (l.). Fotos: Trilsbach

Erst kürzlich seien er und seine Frau im Senckenberg-Museum in Frankfurt gewesen, berichtete Wegner. Dort konnten sie Museumsleiter Friedemann Schrenk mit der Idee eines neuen Museums für Mauer als Mitglied in der Stiftung gewinnen. Mit steinzeitlichen Klängen umrahmten die Musiker von "Forrestflow" die Schilderungen Wegners.

Ehefrau Cornelia Sussieck ging auf die vielfältigen Aktivitäten der Stiftung ein. Die promovierte Mineralogin berichtete von Fortschritten auf dem Weg zu einem Museumsneubau in Mauer. "Den Neubau wollen wir mit noch weiteren Sponsorengeldern zunächst für die vorhandenen Artefakte erreichen; ob aber jemals der Original-Unterkiefer an seinen Fundort zurückkehrt, können wir nur hoffen." Schade fand Cornelia Sussieck, dass keine eingeladenen Vertreter des Geologischen Instituts der Universität Heidelberg am Festakt teilnahmen.

Neben der offiziellen Übergabe am Samstag hatten Besucher auch am Sonntag die Möglichkeit, die Schädel zu betrachten. Sie erhielten auch detaillierte Auskünfte zu den Schätzen, die nun der Stiftung Urmensch von Mauer gehören. Da es im Rathausmuseum aber gar keinen Raum für weitere Ausstellungsstücke gibt, wird die Sammlung zunächst wieder in Wegners Privathaus nach Neckarbischofsheim zurückkehren.

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