Neckargemünder Gemeinderat stimmt gegen SRH-Jugendhaus
Der Konzern wusste nichts von 60 Jahre altem Baufluchtenplan - "Wir haben keinen Plan B"

Dieses Grundstück hat die SRH schon gekauft, doch aus den Abriss- und Neubauplänen wird nichts. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Die Enttäuschung war den Vertretern der SRH ins Gesicht geschrieben, als sie den Sitzungssaal des Rathauses verließen. Der Gemeinderat hatte mit elf Nein-Stimmen bei zwei Ja-Stimmen und fünf Enthaltungen ihre Bauvoranfrage für ein neues Wohnhaus mit Gewerbeeinheit und Tiefgarage abgelehnt. Dieses sollte auf dem Grundstück in der Bahnhofstraße entstehen, auf dem lange Zeit das Unternehmen "Taxi Mayer" und die Notfallpraxis ihre Heimat hatten. Doch es ging um weit mehr als nur um ein Bauprojekt: Nämlich zum einen um die Frage, welche Bedeutung ein Plan aus dem Jahr 1957 heute noch hat, und zum anderen um die Ausbreitung der SRH in der Stadt am Neckar .
Hintergrund
SRH-Geschäftsführer erklärt es
Neckargemünd. (cm) Wieso braucht die SRH den Neubau an der Bahnhofstraße? Joachim Trabold, Geschäftsführer des SRH Berufsbildungswerks, berichtete, dass die SRH in Neckargemünd rund 700 Bewohner
SRH-Geschäftsführer erklärt es
Neckargemünd. (cm) Wieso braucht die SRH den Neubau an der Bahnhofstraße? Joachim Trabold, Geschäftsführer des SRH Berufsbildungswerks, berichtete, dass die SRH in Neckargemünd rund 700 Bewohner habe. "Wir hören oft, dass alle schwer erziehbare Jugendliche sind", sagte er. Man nehme nur ungern eine Kategorisierung vor, aber das einstige Reha-Zentrum habe sich gewandelt. "Wir haben heute weniger Rollstuhlfahrer, sondern andere Behinderungen als noch vor zehn Jahren", so Trabold. Viele Teilnehmer würden aus der Jugendhilfe kommen. Diese seien aber nicht in Außenwohngruppen untergebracht.
Die geplanten Wohnungen in der Bahnhofstraße seien für Jugendliche mit erhöhtem Förderbedarf gedacht, die im Berufsbildungswerk eine Ausbildung absolvieren. Sie sollen eine geeignete Unterkunft in der Nähe finden. "Wir haben etwa 100 Wohnungen in Neckargemünd angemietet", sagte Trabold. Geplant sei, künftig Einheiten zusammenzulegen und angemietete Wohnungen zurückzugeben. Trabold sah kein Problem, die Wohnungen auch einmal anderweitig zu vermieten, zum Beispiel an Studenten. "Es wird keinen Leerstand geben."
Die Gewerbeeinheit im Erdgeschoss soll für Ausbildungsräume oder Übungsfirmen der SRH genutzt werden. Hier könnten zum Beispiel Teile der eigenen Medienwerkstatt, ein Café oder der eigene Serah-Shop unterkommen. "Das hängt von den Ausbildungsberufen ab, es soll auf jeden Fall attraktiv für die Stadt sein", sagte Trabold.
Wie wichtig das Projekt für die SRH ist, zeigte sich schon im zahlenmäßigen Auftritt: Drei Vertreter plus Architekt waren erschienen. Und es war bereits der zweite Anlauf. Im November hatte der Ausschuss für Bau, Technik und Umwelt die erste Bauvoranfrage abgelehnt - ebenso wie 1997 eine Bauvoranfrage des vorigen Grundstückeigentümers.
Die überarbeiteten SRH-Pläne stellte Architekt Peter Bender vor. Er hielt zunächst fest, dass auf dem "prominent neben dem Rathaus gelegenen Grundstück" keine ausgewiesenen Bau- und Naturdenkmale bestehen - schließlich soll das bestehende ältere villenähnliche Gebäude dem Neubau weichen. Man habe versucht, die "städtebauliche Situation der Bahnhofstraße zu fassen" und das Gebäude im Vergleich zur ersten Version "extrem reduziert, nicht nur in der Höhe", so Bender. Statt eines einzelnen quadratischen Gebäudes seien nun ein L-förmiges Gebäude und dazu ein kleineres Eckgebäude an der Einmündung der Jahn- in die Bahnhofstraße geplant. Die Abstandsflächen seien eingehalten, man überschreite nicht die Baugrenzen des Grundstücks, betonte Bender. "Und wir halten die Baufluchten der Bahnhofstraße ein", sagte er - nicht jedoch jene Baufluchten in der Jahnstraße; die sind in einem "nicht qualifizierten Teilbebauungsplan Bahnhofstraße-Schützenhausstraße" vom 1. Juli 1957 eingezeichnet. Bender sprach hier von einem "fast schon antiken Plan". Bender weiter: "Es gibt wenige städtebauliche Gründe, die Hälfte des Grundstücks freizulassen."
Wie sollen die Gebäude genutzt werden? Die Gewerbeeinheit könnte in Büros und zum Beispiel in ein Café oder einen Laden getrennt werden, die sich Richtung Bahnhofstraße in einer "beschützten Situation" öffnen könnten. "Das hängt von der SRH ab", so der Architekt. Er rechne mit Laufkundschaft, weshalb die Tiefgarage mit 17 Plätzen für diese Kunden eher nicht gebraucht werde. Im Erdgeschoss sind bereits vier kleine Wohnapartments geplant, im ersten und zweiten Obergeschoss dann ausschließlich Wohneinheiten - insgesamt 22. Im Eckgebäude seien zwei größere Apartments vorgesehen. Die beiden Gebäude trennt eine "offene Gebäudefuge mit einem begrünten Laubengang", das Dach soll begrünt werden, in Richtung Bahnhofstraße sind Balkone geplant. Bender sah eine "Kleingliedrigkeit".
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Stadtbauamtschefin Susanne Lutz machte deutlich, dass für das Vorhaben eine Befreiung von dem Baufluchtenplan aus dem Jahr 1957 erteilt werden müsse. Richtung Jahnstraße bestehe aktuell eine Beschränkung der Bebaubarkeit, die sich am aktuellen Gebäude orientiere. "Damit sind 60 Prozent des Grundstücks nicht bebaubar", sagte Lutz. Für eine Befreiung spräche, dass das Grundstück ein Sonderfall ist: Nur dieses Eckgrundstück sei derart eingeschränkt. Bürgermeister Frank Volk sagte, dass man nach Gründen für die Festsetzungen gesucht habe. "Wir haben nichts gefunden und können leider niemanden mehr fragen." Das frühere Taxi-Mayer-Gebäude habe zum Zeitpunkt der Planerstellung schon gestanden.
Ulf Grünert, Geschäftsbereichsleiter Bau und Immobilien bei der SRH Holding, gestand ein, dass die SRH bereits das Grundstück gekauft habe und nichts von dem Baufluchtenplan wusste. "Wir haben mit dem Voreigentümer geredet und nach Einschränkungen gefragt", berichtete er. Dies sei verneint worden. Grünert: "Wir haben keinen Plan B."
Die geplante Immobilie würde das pädagogische Konzept der SRH stützen, die moderne Architektur würde mit einem sinnvollen Inhalt gefüllt. "Wir waren guter Dinge, dass wir diese Integrationsmaßnahme umsetzen können und diese Neckargemünd gut tun würde." Die SRH agiere als Stiftung nachhaltig und nicht wie Immobilieninvestoren. Man habe immer eine Idee für eine Nachnutzung. "Die Stadt wäre für die Zukunft gut beraten, einen Bebauungsplan aufzustellen", meinte Grünert.
Daraufhin Bürgermeister Volk: "Es ist jedem zu empfehlen, in die Pläne zu schauen, bevor er ein Haus kauft."



